Pfeil rechts

A
Hallo lieber Bernd Remelius,

vielen Dank für die Unterstützung zu meinem Beitrag Krise. Ich lese das oft durch und mache mir Gedanken über Ihre Antwort. Es ist schön, dass Sie sich Zeit nehmen, eine so lange Antwort zu schreiben. VIELEN DANK!

Ich höre oft von Fachleuten (und Freunden), dass ich mich abnabeln muss. Ich verstehe diesbezüglich ein paar Dinge noch nicht... Vielleicht haben Sie da ein paar weiterführende Gedanken für mich?

1. Sie haben Recht. Ich fühle mich für meine Mutter verantwortlich! Es sieht fast so aus... Das war schon immer so (alleinerziehende, labile Mutter, keine Geschwister), da ich in einer sehr ambivalenten Beziehung mit meiner Mutter lebte und keine konstante Beziehung erlebt habe (mal Symbiose, mal Ausgrenzung). Ausserdem hat sich meine Mutter mir gegenüber öfter schwach und hilflos gezeigt, betrunken, verzweifelt. Ich war ihr Anker. Schon mit 4 Jahren. Das hat mich wohl völlig überfordert?

2. Ich fühle mich unnormal, da ich scheinbar Entwicklungsdefizite habe, die andere nicht haben. Wie kann ich das nachholen? Ich habe Angst davor, immer so bleiben zu müssen.

3. Ich habe noch mehr Angst davor, wie meine Mutter verrückt zu werden! Oft habe ich stundenlange Angstzustände, Zwangsgedanken. Alles dreht sich nur um meinen Körper, und was ich haben könnte. Ich möchte doch so gerne gesund sein - aber noch lieber möchte ich Gesellschaft. Ich weiß, was ich brauche: Vertrauen in mich und meine Welt. Und das hat für mich meine Mutter vermittelt. Sehe ich das richtig?

Woran erkenne ich, dass ich psychiotisch werde? Ich habe davor große Angst. Ich kann mich oft nicht einschätzen und fürchte mich vor der Situation, in der mich evtl. Freunde ansprechen und sagen Du bist komisch... ich glaube du solltest dir Hilfe holen...

4. Wie kann ich lernen, in mich und meine Welt zu vertrauen?

Ich betrachte mein Leben oft als gescheitert und hoffnungslos.
Dabei tue ich sehr viel, dass das besser wird. Positive Affirmationen, Bücher, die Hoffnung vermitteln und Mut machen (Louise Hay). Vielleicht bin ich zu ungeduldig...

Ich glaube, dass ein Klinikaufenthalt für mich aus finanziellen Gründen nicht in Frage kommt. Ich würde gerne eine Therapie machen. Ich spüre, dass sich die Instabilität festsetzt und ich möchte nicht in eine bipolare Störung oder ähnliches (siehe oben) reinrutschen... Ich hörte, dass eine psychiatrische Behandlung aber möglich wäre. Könnte ich evtl. eine Analyse machen und würde dies helfen gegen die Depression?

Ich danke Ihnen für Ihre Zeit und Anteilnahme.

Herzliche Grüße,
ajnat

13.09.2009 23:33 • 16.09.2009 #1


1 Antwort ↓

B
Hallo ajnat,

einige Anmerkungen zu Deinen Fragen:

zu 1. Dies ist für ein Kind äußerst belastend und überfordernd, weil die Generationsebenen vertauscht sind. Dort wo Du als Kind Deine Eltern als sicheren Hafen gebraucht hättest, um ein sicheres Bindungs- und Beziehungsverhalten zu erwerben, warst Du sozusagen ungefragt und ohne eine Wahl zu haben in der Elternrolle.
Es wird Zeit, dass Du an Dich denkst und diese Rolle - nun als erwachsene Frau ! - bewusst zurück weist und aufgibst. Genug ist genug. Niemand kann von Dir erwarten und verlangen, dass Du diese Rolle weiter auf Dich nimmst und Deine eigene Entwicklung zurückstellst. Was Deine Mutter - so hart das klingt - bis heute nicht verändert hat, wird sie wohl auch zukünftig nicht tun. Sie selbst muss dafür jetzt die Verantwortung übernehmen. Und es wird Zeit, dass auch Du das akzeptiert.

2.Die Antwort steckt in Nr.1 - erst, wenn Du dafür bereit bist, wird es Dir gelingen, Dich zu fragen, was Du eigentlich willst, wohin Du noch in Deinem Leben willst und was es für Dich zu lernen gilt, um Deine Erwachsenenrolle zu entwickeln. Dazu kann manchmal auch therapeutische Hilfe notwendig sein.

3. Da täuschst Du Dich sehr ! auch wenn ich Deine Loyalität zu Deiner Mutter verstehe. Deine Mutter hat Dir alles andere als Sicherheit vermittelt, sondern Dich vielmehr an sich gebunden und für die Kompensation ihrer eignen Schwächen missbraucht. Dies hat sie sicher nicht mit Absicht getan, um Dir zu schaden, sondern weil sie so gestrickt ist, wie sie es ist und an ihrer eigenen Vergangenheit zu tragen hat. Aber dies darf nicht Deine Sache sein !

Deine Ängste sind meines Erachtens der beste Kompromiss in Deiner Situation: Du spürst - ich will mein eigenes Leben leben und kommst damit in einen inneren Konflikt zu Deiner bisherigen Rolle. Du hast Schuldgefühle und traust Dich nicht, Dich wirklich zu entscheiden. Das Beste, was Du in einer solchen Situation tun kannst, ist Angst zu entwickeln, d.h. nämlich ich möchte ja, aber ich kann ja wegen meiner Ängste nicht. Und ich bin mir nicht sicher, ob Du jetzt schon bereit bist, die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Aber Achtung: manchmal verpasst man den richtigen Zeitpunkt, man hat sich geopfert und es ist zu spät. Das hat mit psychotisch aber auch gar nichts zu tun. Deine Psyche funktioniert da ganz gut.

4. Diese Frage musst Du Dir selbst beantworten. Das sprengt hier den Rahmen. Natürlich kann eine Therapie hier nützlich sein. Die Aufgabe kannst Du aber sicher nicht an eine neue Mutter (Therapeuten) abgeben. Du selbst bist gefragt.
Weshalb finanzielle Probleme bei einem Klinikaufenthalt ? Der dauert nicht ewig, wird von der Kasse bezahlt und muss von jedem Arbeitgeber hingenommen werden. Außerdem hat auch ein Arbeitgeber ein Interesse daran, dass Du voll einsatzfähig bist.
Eine ambulante Therapie könnte m.E. sowohl in einer Verhaltenstherapie als auch in einer tiefenpsychologisch orientierten Therapie bestehen. In einer klassischen Analyse würde ich dagegen eher die Gefahr sehen, dass Du lange über Deine Vergangenheit erzählen kannst, ohne wirklich Veränderungen anzugehen. Vermieden hast Du aber jetzt genug, jetzt geht es um etwas anderes.

Ich hoffe, dass meine klaren Worte Dir weiterhelfen und Du deinen Weg findest.

Ich grüße Dich herzlich

Bernd Remelius

16.09.2009 16:33 • #2





Ähnliche Themen

Hits

Antworten

Letzter Beitrag