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Ach man, momentan ist es bei mir echt übel. Aufgrund gewisser äußerer Umstände bin ich derzeit gezwungen mich mit meiner derzeitigen Situation auseinander zu setzen. Das die nicht toll ist, weiß ich schon lange, aber ich habe mich lange Zeit sehr eingegraben, vor jedem Problem die Augen geschlossen und sie von mich geschoben, mich vom Denken abgehalten und wie ich jetzt merke: aus gutem Grund.

Ich gehöre zu den Menschen, die nach außen immer die perfekte Fassade abgeben. Äußerlich nicht perfekt, aber wohl doch ganz nett anzusehen und mir wurde nicht selten gesagt, dass ich das gewisse Etwas habe. Ich habe 'ne Menge Verstand, ich kann arbeiten wie ein Tier und leiste in der gleichen Zeit weit mehr als der Durchschnitt, bin also eigentlich ein ziemliches Arbeitstier (wenn ich denn Arbeit habe -.-).

Mir wird immer wieder gesagt, dass ich liebenswert bin und ja, im Grunde genommen glaube ich das auch. Ich hätte eigentlich ein Mensch für die Überholspur sein müssen, nur muss ich im letzten Leben Massenmörder gewesen sein, wenn ich bedenke, wie oft mir das Leben in meine Planungen reinfuscht. Mal ein paar Beispiele: meine Schwester begeht kurz vor meinem Abitur ihren ersten Selbstmordversuch, anstatt zu lernen, besuche ich sie auf der intensiv, lange ist nicht klar, ob und wie sie überlebt und dann musste ich mich an den Wochenenden immer um sie kümmern, wenn sie Freigang aus der geschlossenen hatte: Ergebnis: unerwartet mieser Abi-Schnitt, welcher das angestrebte Studium verhinderte; nach Ausbildung und ner Weile arbeiten, dann doch noch das Traumstudium aufgenommen, am Tag, an dem die Hausarbeit für das erste Staatsexamen ausgegeben wird stirbt mein Vater; kurz vor'm zweiten Staatsexamen macht mein Freund nach neun Jahren Schluss...
Das waren Dinge, auf die ich keinen Einfluss nehmen konnte, die aber dramatische Auswirkungen auf mein Leben hatten. Hinzu kommt eine Kindheit, die alles andere als harmonisch war. Kennt vielleicht jemand von Euch das Buch Das Drama des begabten Kindes von Alice Miller? Das hat viele Aspekte meiner Kindheit gut wiedergegeben. Mein Vater war Alk. und im Gegensatz zu meinen älteren Geschwistern kenne ich ihn eigentlich auch nur als das im besten Fall nörgelnde, im schlimmsten Fall tobende Monster, das meine Mutter beschimpft und sie über den Balkon werfen will. Konnte er nur nicht, da wir eigentlich jede Nacht in unseren Zimmern eingeschlossen waren, damit er nicht an uns ran konnte, während er rumtobte. Naja, kein Wunder, dass ich immer wieder Schlafprobleme habe.

Aber natürlich durften wir nie darüber reden. Ich komme noch aus diesen altmodischen, stilvollen Familien, die ihre Probleme alleine lösen und nach außen immer den schönen Schein waren. Mit dem Ergebnis, dass ich heute nicht viel mehr bin als eine nett anzusehende Fassade. Die meisten, die mich sehen würden nicht im Traum darauf kommen, dass ich mich chronisch vom Denken abhalte, denn - nun schließt sich endlich der Kreis - durch die momentanen äußeren Umstände, werde ich zum Denken gezwungen und das Ergebnis ist, dass ich hier kurz vor'm Abdrehen bin. Ich hab fast drei Jahre lang nicht einmal geweint und momentan steht mir ständig die Suppe in den Augen. Unangenehmerweise in den unpassendsten Momenten.

Ach ja, soziale Kontakte bestehen bei mir auch nicht wirklich. Dabei bin ich den Leuten nicht unsympathisch und ich bin auch nicht unbeliebt. Ich bin nur den meisten Leuten zu distanziert und ich kann keine Freundschaften pflegen. Wenn es keinen äußeren Anlass gibt, der mich dazu zwingt mit anderen Leuten in Kontakt zu treten, bleibe ich halt zu hause. Ich war schon immer eher ein Einzelgänger und ich will auch nicht Everybody's Darling sein. Aber ich stoße inzwischen selbst meine wenigen Freunde, die ich noch habe, auch übelst vor den Kopf. Inzwischen ist es auch schon wieder zwei Monate her, dass ich unter Menschen war...

Ich will hier gar keine klugen Ratschläge. Ich habe im Grunde genommen schon alles versucht, was man alleine versuchen kann. Heute habe ich mich endlich überwunden bei 'nem Psychotherapeuten anzurufen und habe auch einen Termin bekommen. Aber anstatt mich zu freuen, dass ich wenigstens einsehe, dass ich Hilfe brauche und mir welche suche (was ich bei jedem anderen Menschen anerkennen würde), ärgere ich mich, dass ich es diesmal nicht geschafft habe mich wie Münchhausen am eigenen Schopf aus dem Dreck rauszuziehen (was mir bislang doch immer gelungen ist; es gab ja auch eine Zeit in meinem Leben, in der ich selbiges im Griff hatte, glücklich war und eine auch für mich liebenswerte Persönlichkeit entwickelt habe).

Aber ich renne den ganzen Tag mit dem Gefühl rum, dass mir die Kehle abgeschnürt wird, könnte ständig grundlos losheulen, als ich heimgekommen bin und der Kater nicht sofort wie sonst an der Tür war, bin ich hier echt zusammengebrochen, weil ich Panik hatte, dass er dann jawohl gestorben sein muss. Er kam im Grunde genommen nur wenige Sekunden später antapst als sonst und so wie er sich gereckt, gestreckt und gegähnt hat, war klar, dass er gerade wie ein Stein geschlafen haben muss, aber ich war echt am Ende und hab hier geheult ohne Ende. Und dann kam auf einmal wieder dieser seltsame Switch in meinem Kopf und ich starre mich von außen an und frage mich, wie lächerlich ich eigentlich bin und hör von einem Moment auf den anderen auf zu heulen und frag mich, ob ich vor mir selbst Theater spiele und ich sollte mich doch einfach mal zusammen reißen und nicht so daneben benehmen...

Kennt das vielleicht einer von Euch? Für jeden kann man Mitleid haben, nur für sich selber nicht...

01.04.2010 23:43 • 01.04.2010 #1




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