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Hallo zusammen :)

ich verfasse diesen Text hier in der Hoffnung ein paar Leuten Mut zu machen, die noch immer in der Angstspirale drinstecken - ich habe es heraus geschafft.
Ich war eine ganze Zeit lang immer stiller Mitleser hier im Forum, welches sehr zu meiner Heilung Beigetragen hat, da ich hier erfahren konnte, dass ich mit vielen Symptomen nicht alleine bin.

Ich steckte von ca. Oktober 2013 bis Februar 2015 in der Angstspirale (gen. Angststörung/Krankheitsangst mit psychosomatischen Symptomen).
Ein paar Symptome möchte ich kurz aufzählen, vielleicht erkennt der Eine oder Andere sich ja wieder :)
Schwindel, Kopfdruck, Übelkeit, Magenschmerzen, Muskelzucken (am ganzen Körper), fast unerträgliche innere Unruhe / Angstgefühl im Brustbereich, Kribbeln an verschiedenen Körperteilen, Verspannungen besonderes im Nackenbereich, Sehstörungen und überhaupt hat's hier und da immer wieder mal gezwickt ;)

Es fing alles im September 2013 an als meine mir sehr nah stehende Oma sehr plötzlich bei einer OP verstarb. Das ganze traf mich wie ein Schlag und ich kam nicht wirklich damit zurecht.
Ich versuchte mich den ganzen Tag abzulenken und nicht daran zu denken - das war mein Fehler. Durch die fehlende Verabeitung der Trauer war irgendwann das Fass voll und mein Körper wehrte sich.
Ich merkte zuerst dass ich den ganzen Tag irgendwie unruhiger war als sonst. Das ging so etwa zwei Wochen dann setzen von einem Tag auf den anderen Übelkeit und wahnsinnige Magenschmerzen ein.
An Essen war nicht mehr zu denken, zu der Zeit habe ich das nicht mit psychischen Ursachen in Verbindung gebracht weil dieses Thema für mich einfach nicht existent war.
Die Magenschmerzen gingen über knapp 2 Monate - jeden Tag und fast ununterbrochen - FAST. Ende November war ich bei einem Freund in der Schweiz zu besuch, wir hatten sehr viel Spaß und ich konnte nach langer Zeit mal wieder lachen.
Während dieser Zeit waren die Magenschmerzen wie verschwunden und setzten erst wieder zu Hause ein, das fiel mir jedoch zu dem Zeitpunkt überhaupt nicht auf.

Im Dezember hatte ich dann endlich meine Magenspiegelung. Den fast unerträglichen Schmerzen nach zu Urteilen stand für mich fest - das muss was verdammt schlimmes sein.
Mal davon abgesehen dass ich zu der Zeit schon bereits in der Dr.Google Spirale steckte und der mir sowieso zu 100% Magenkrebs oder ähnlich Schlimmes diagnostiziert hatte.
Das Ende vom Lied? Herr K. Sie sind vollkommen gesund. Da ist nichts. Nichtmal eine Reizung oder ähnliches.
Ich schaute meinen Arzt fassungslos an. Wie kann das denn sein? Ich ging ettäuscht (das muss man sich erstmal vorstellen, eine gute Nachricht vom Arzt aber man will unbedingt eine Diagnose haben) nach Hause.
Am nächsten Morgen waren zu meiner Verwunderung die Schmerzen weg. Als wäre nie etwas gewesen und das blieb auch so.
Ich erzählte das meinem Arzt, für den das mittlerweile eine klare Sache war und dieser riet mir dann das einzig Richtige. Die Suche nach einem Psychotherapeuten.

Zwischendurch kamen immer mehr Symptome dazu wie das Kribbeln und Muskelzucken und natürlich hatte ich dann laut Dr.Google ALS oder MS oder natürlich direkt alles gleichzeitig.
Ich googelte von Morgens bis Abends in jeder freien Sekunde - sogar über das Smartphone während Bahnfahrten etc.
Immer wieder hatte ich dieses Unruhegefühl, welches mein ständiger Begleiter war.
Ich machte mir einen Termin bei einem Neurologen und geriet auch da an einen hervorragenden Arzt.
Nachdem ich ihm alles erzählte, meine Symptome und Ängste war auch für ihn direkt klar was hier falsch läuft.
Das schlimmste war mittlerweile meine Angst vor ALS. Immer wieder fragte ich Ihn ob das nicht vielleicht doch sein kann, da ich doch Muskelzucken habe.
Und als einer der wenigen Ärzte kannte er jedoch BFS - Das Benign Fasziculation Sydrome. Eine Art überreaktion des Nervensystems als Folge von hohem Stress, welches jedoch auch nach Infekten (Grippe, etc.) auftreten kann.
Benign steht für GUTARTIG. Er erklärte mir dass meine generalisierte Angststörung klar auf der Hand liegt und er schon viele junge Männer in meinem Alter hatte mit diesen Muskelzuckungen.
Ohne eine wirkliche SCHWÄCHE der Muskeln liegt überhaupt kein Grund zur Sorge vor. Und mit Schwäche ist die klinische Schwäche gemeint. Dass man nicht mal mehr ein Glas Wasser halten kann etc.

Ab diesem Tag fing ein kleiner Selbstheilungsprozess bei mir an. Über ein englischsprachiges Forum erfuhr ich mehr über BFS und konnte mich 100% in den Posts der Community (die übrigens RIESIG ist. Es gibt sehr viele Menschen auf dieser Welt mit BFS) wiederfinden.
Das ganze ist jetzt über ein Jahr her und an meiner Muskelkraft hat sich nicht im geringsten etwas geändert, die Zuckungen sind sogar weniger geworden - aber noch nicht ganz weg. Aber das ist auch nicht schlimm, weil ich sie jetzt als ein Teil von mir ansehe und ich weiß,
dass sie nicht gefährlich sind. (Die Zuckungen können übrigens über viele Jahre anhalten aber auch nur über Wochen oder Monate, bei vielen fangen sie an einer Stelle an wie z.B. dem Augenlid und arbeiten sich dann über den ganzen Körper vor). Das ist normal bei BFS.
Jeder Muskel der von uns kontrollierbar ist, kann durch BFS von alleine Zucken.
Kribbeln ist übrigens auch ein Standardsymptom bei BFS und untypisch für ALS.

Ich habe das Thema Muskelzucken so ausführlich beschrieben, weil ich weiß, dass auch hier im Forum viele Menschen damit zu kämpfen haben.

Es vergingen 2 Monate bis ich einen richtigen Psychotherapeuten, meiner Meinung nach den Besten, gefunden hatte.
Über eine kognitive Verhaltenstherapie lernte ich neue Wege mit meinen Gedanken umzugehen.
Ich lernte meine Gefühle zu kontrollieren und konnte ab sofort selbst bestimmen, wie ich mich nach negativen Ereignissen fühle.
So verschwand zuerst die Unruhe, die mich so sehr quälte. Ich wurde insgesamt entspannter.

Und jetzt sitze ich hier und verfasse diesen Text fast 2 Jahre später ohne irgendwelche störenden Symptome oder Angstgefühle.

Ich hoffe ich konnte jemandem etwas Mut machen aus der Angstspirale heraus zu kommen.
Jeder kann es schaffen. Vertraut eurem Körper und an die jenigen mit Krankheitsangst und dauerndem Ärzte-Rennen - vertraut eurem Arzt.
Es bringt rein gar nichts von einem Arzt zum anderen zu rennen in der Hoffnung endlich eine körperliche Diagnose zu bekommen. (Ich glaube ich kenne mittlerweile jeden Arzt hier in Düsseldorf).
Ich habe früher auch nichts davon gehalten direkt mit psychischen Problemen beim Arzt abgestempelt zu werden - fakt ist aber:
Ärzte sehen den Unterschied zwischen Patienten mit Krankheitsangst und wirklichen Körperlichen Problemen.
Als ich angefangen habe mich darauf zu verlassen hörte dieser Ärztemarathon endlich auf und der Heilungsprozess konnte einsetzen.

Viele Symptome erzeugen wir selbst durch das ständige in uns Hineinhören. Dadurch dreht sich das Gedankenkarussell immer weiter und der Körper kommt nicht zur Ruhe.
Das Resultat ist dann wieder ein erregtes Nervensystem was z.B. zu kribbeln, Schwindel oder Übelkeit führt - was uns dann wieder Angst macht und so geht es dann immer weiter.

Wer anfängt zu akzeptieren, der hat den ersten Schritt zur Heilung gewagt.

Ich wünsche euch allen alles Gute.

(Wer Fragen haben sollte, kann mir gerne schreiben, auch wenn ich mich hier nicht oft einloggen werde.) :)

Viele Grüße
Cloudrider

20.06.2015 14:35 • 20.06.2015 x 5 #1


1 Antwort ↓

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Zitat von Cloudrider:

Viele Symptome erzeugen wir selbst durch das ständige in uns Hineinhören. Dadurch dreht sich das Gedankenkarussell immer weiter und der Körper kommt nicht zur Ruhe.
Das Resultat ist dann wieder ein erregtes Nervensystem was z.B. zu kribbeln, Schwindel oder Übelkeit führt - was uns dann wieder Angst macht und so geht es dann immer weiter.

Wer anfängt zu akzeptieren, der hat den ersten Schritt zur Heilung gewagt.


Hallo Cloudrider,

das hast Du schön auf den Punkt gebracht.

Ich war vor einiger Zeit auch genau in so einer ähnlichen Spirale drin. Und mein Weg immer weiter rein aber auch der Weg daraus lässt sich gut vergleichen. Ich hab auch einen ziemlich heftigen Ärzte- und Untersuchungsmarathon in den letzten fast zweieinhalb bis drei Jahren hinter mir. An irgendeiner Stelle wurde mir von einer Psychologin genau das mit dem hineinhören auch so beschrieben.

Vertraut auf den Tipp und macht euch nicht selber kirre durch zu viel Internetrecherche. Wenn Medizin so einfach wäre, dann müssten die ganzen Ärzte und Therapeuten nicht so lange ausgebildet werden. Vertraut den Fachleuten, akzeptiert die Angststörung für den Moment und damit ist der erste und der wichtigste Schritt in meinen Augen in die richtige Richtung getan.

Alles Gute.

20.06.2015 15:01 • #2





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