Pfeil rechts

A
Liebe Forumsgemeinde!

Hatte noch nicht die Ehre mich vorzustellen.

Mein Name ist Andi, bin 33 J, aus Österreich, hab in D studiert und bin Führungskraft in einem großen Konzern.
Und das wars auch schon im Wesentlichen - viel mehr gibt es über mich auch nicht zu berichten.

Ich merke in den letzten Jahren immer mehr, dass alle meine Freunde mir „wegsterben. Die ganze Konversation reduziert sich auf monetäre Fragestellungen. Wie kann man es sich leichter machen und dabei noch mehr Geld verdienen. Welches Konsumgut ist das noch prestigeträchtigere, wie wird man zum „Trendsetter“, wie stellt man sich von seiner besten Seite dar. Wie gelingt es sich „politisch“ durchzukämpfen und dabei möglichst smooth zu wirken um sich sozial geskilled zu präsentieren.
Es kotzt mich an – es geht nur noch um das schei. I-Phone, das größere Auto, die schönere Freundin, die größere Wohnung…..
Und zu allem Überdruss bin ich finanziell mit wirklich allem gesegnet, was ich mir je gewünscht habe.
Habe einen gut dotieren Job, ET-Whg, Studienabschluss usw. usf. Allerdings habe ich mir alles selbst erarbeitet – 60 h Job während Studium, 70 h Job jetzt….
Ich habe sozusagen „alles“. Aber von Glück kann keine Rede sein. Mir fehlen die tiefgründigen Gespräche mit Freunden, mir fehlt der Tiefgang des Lebens. Ich bin für die ganz oben zu wenig Karrierist und für die weiter unten zu intelligent – ich finde einfach keinen Anschluss.
Nichts mehr wünsche ich mir als die 8 Bahnfahrt der Gefühle wieder in Gang zu kriegen anstatt immer nur kurzfristige Befriedigungen in Konsumgüter zu erlangen – obgleich ich ohnehin recht Konsum resistent bin. Ich könnte mir aber alles das leisten mit denen die auf meiner „Ebene“ prahlen – will es nicht – ich gehöre dort auch nicht hin.

Aber wo soll ich hin? Ich wünsche mir Menschen mit denen ich mich austauschen kann – es muss wieder mehr menscheln – es menschelt nicht mehr, das ist das Problem. Wem geht es noch so ähnlich? Wie sind Eure Erfahrungen – ich werde doch nicht der Einzige sein, der so fühlt?

LG Andi

15.06.2013 17:22 • 18.06.2013 #1


6 Antworten ↓


A
Meiner Meinung nach werden die Weichen zu diesem Verhalten im Elternhaus gestellt. Ich kenne viele Kinder, die haben daheim alles, was man sich vorstellen kann. Einfach alles. Von PC und Playstation und eigenem Fernsehr ganz zu schweigen. Und Handybesitzer sind heutzutage auch schon in der Grundschule anzutreffen. Der Osterhase bringt Geschenke. Öhm...hallo? Eltern, auch die liebe Verwandschaft müssen bei dem ganzen Konsum******* nicht mitziehen. Sicher kommt heut keiner mehr an einem Computer vorbei. Aber muss ein Handy für ein Kind wirklich sein?
Bin ich da altmodisch?
Meine Tochter ist auf dem Land bzw in einer Kleinstadt aufgewachsen. Die Kinder haben sich wirklich und wahrhaftig zum Fussball spielen, zum Fahrrad fahren, zum Reiten und auf dem Spielplatz getroffen. Ich denke, genau dort haben sie Fairness, gegenseitige Hilfe, das Streiten und Vertragen, auch mal Schlagen und danach Versöhnen gelernt. Das Menscheln, wie Du so schön schreibst... In ihrer Klasse und auch Schule wurde von den Mädchen Wert auf eigenen Stil gelegt, und nicht auf Markenklamotten.
Wenn man immer alles bekommt, immer das Neueste, Beste, Schönste...woher soll man dann wissen, was wirklich zählt im Leben?
Ich bin auf einer der mittleren Stufen der Karriereleiter angelangt. Habe sowohl wenig begüterte als auch einige reiche Freunde. Macht für mich keinen Unterschied. Ich habe da wohl grosses Glück, denn Status spielt keine Rolle.
Ein Satz ist mir bei Dir aufgefallen. Den Unteren bist Du zu intelligent. Weiss nicht, ob diese Aussage von Dir oder den Unteren getroffen wurde. Intelligenz verpflichtet auch. Nicht jeder Mensch ist damit gesegnet, und niemals sollte man sich herablassend über weniger schlaue Menschen äussern. Sie haben ganz oft ihre eigenen Qualitäten und ein grosses Herz

15.06.2013 19:44 • #2


A


Oberflächlich, karrieregeil und entmenschlicht?

x 3


H
Hallo Andi,

ich glaub, ich weiß, was Du meinst. Mir geht es genauso, nur kann auch ich das Verhalten vieler Menschen nicht erklären. Was nützt alles Hab und Gut, wenn es eben nicht mehr menschelt, wie Du so treffend schreibst? In den letzten Jahren habe ich immer wieder versucht, Freundschaften aufzubauen. Es gelingt nicht mehr. Ich bin ja ein sogenanntes DDR-Kind. Damals zählten Freundschaft und Zusammenhalt unheimlich viel, weil man aufeinander angewiesen war. Das meine ich nicht nur materiell, im Gegenteil. Im Grunde genommen ist mir nur eine Freundin geblieben, diese habe ich seit 1973. Allerdings löst sich auch hier langsam das Band.

Neue Freunde messen immer wieder an materiellen Dingen. Auch ich müsste mich da nicht verstecken, hab so ziemlich alles, was man sich so wünschen kann: eine gesunde und - wie man früher sagte - wohlgeratene Tochter, einen Mann, zwei tolle Hunde, ein großes Haus mit Garten, zwei Autos... Aber Freunde? Nein, kann ich so einfach nicht mehr finden, jedenfalls nicht so, wie ich es von früher kenne.

Im Fernsehen gibt es da so eine schöne Werbung von Dacia. Ich weiß nicht, ob Du sie kennst, aber da ruft ein Mann seinen Sohn, während er vorm Tennisclub auf ihn wartet. Der Mann steht durchgestylt neben einem (ich glaube) Porsche und der Sohn kommt griesgrämig auf ihn zu. Direkt daneben steigt ein salopp gekleideter Mann aus seinem Dacia und ruft ganz viele Kinder zu sich, die johlend in seinen Dacia steigen. Das ist irgendwie bezeichnend. Man muss nicht immer viel haben, um viel geben zu können. Vielleicht können die Menschen immer weniger geben, weil sie zu viel haben?

LG

15.06.2013 20:19 • #3


P
Hallo Andi,

vielleicht findest du irgendwann für dich eine Neuorientierung. Vielleicht wirst du gar zum Aussteiger? Was hast du für Hobbys? Gäbe es da was, worauf du umsatteln könntest? Oder würde es dir vielleicht reichen, ehrenamtlich etwas anderes zu machen? Vielleicht dafür die Stundenzahl reduzieren?
Es ist schön, mal von einer Führungskraft solche Worte zu hören. Wirklich.
Ich habe erst einmal in meinem Leben einen Chef gehabt, der anders war. Menschlich, normal, verständnisvoll. Leider aber auch verkorkst und Alk..
Als ich 18 war hatte ich eine Ausbildungsstelle bei einer deutschen Bundesbehörde. Gute Vergütung, Übernahmegarantie, Aufstiegschancen. Ich habe diese Ausbildung nach nichtmal 2 Wochen abgebrochen. Ich kam nicht damit klar, mit meinem Dienstausweis rum zu rennen und morgens von einem Wachmann empfangen zu werden. Sowie überall von Überwachungskameras überwacht.
Später, nach meiner Ausbildung, hatte ich einer europaweit bekannten Medienagentur, einen Job in der Vorstandsabteilung Recht. Ich bin wieder nach nicht mal 2 Wochen ausgestiegen. Ich könnte das nicht ertragen. Die feinen Schnösel in ihrem schicken Zwirn, mit ihren Dienstwagen und ihrem hochgestochenen Gerede. Ich habe beide Male absolutes Unverständnis geerntet.
Ja. Ich könnte heute in einer Bundesbehörde hocken oder in dieser Medienagentur. Aber ich wäre daran kaputt gegangen.
In dem 1-Mann-Betrieb meines (leider) Ex-Chefs hatte ich 5 Jahre die schönste Zeit meines Lebens. Der Verdienst war nicht doll. Aber mein Chef war ein Mensch und meine Kolleginnen waren auch lieb und wir haben heute noch Kontakt. Ich hatte kein Problem damit, in einem unmodernen, teils schmutzigen Büro mit einfachsten Mitteln zu sitzen. Es war schön und ich bereue es wirklich nicht, dass ich diese beiden tollen Gelegenheiten nicht genutzt habe.
Ich hoffe, dss du irgendeine Lösung für dich findest. Geld und toller Job machen eben nicht glücklich. Es beruhigt vielleicht nur.

15.06.2013 20:23 • #4


I
Zitat von pumuckl:
Ich hoffe, dss du irgendeine Lösung für dich findest. Geld und toller Job machen eben nicht glücklich. Es beruhigt vielleicht nur.





Ich kenne beide Seiten der Medaille. Mein Mann ist Ingenieur und er hat früher viel Geld verdient und wir haben uns allerlei leisten können. Dann bekam er Depressionen und konnte eine Weile gar nicht arbeiten, so dass wir sogar Hartz 4 bekamen. Wir hatten nichts und waren unten. Heute hat er eine Teilzeitstelle und ich studiere. Finanziell kommen wir ganz gut über die Runden, auch wenn wir in den Augen vieler Leute, die wir kennen, wenig Geld haben.

Aber ich habe eins aus der ganzen Geschichte gelernt. Geld und materieller Reichtum machen nicht glücklich. Die Leute, die sich immer mehr kaufen, versuchen in meinen Augen damit ein inneres Vakuum zu füllen. Das was wirklich zählt ist Gesundheit, Liebe und Glück und das ist nicht käuflich.

16.06.2013 11:58 • #5


B
Zitat von Andreas1980:
Aber wo soll ich hin? Ich wünsche mir Menschen mit denen ich mich austauschen kann – es muss wieder mehr menscheln – es menschelt nicht mehr, das ist das Problem. Wem geht es noch so ähnlich? Wie sind Eure Erfahrungen – ich werde doch nicht der Einzige sein, der so fühlt?


Aus eigener Erfahrung würde ich sagen, dass man solche Menschen am ehesten in einer Therapie, einer Reha, einem Selbsthilfeforum oder einer Selbsthilfegruppe findet. Vielleicht auch noch bei ehrenamtlichen Tätigkeiten wie Tierheim würde ich vermuten, wobei ich damit keine persönlichen Erfahrungen habe. Habe mir zwar schon überlegt, mal ins Tierheim zu gehen und einen Hund auszuführen, nur trau ich mich alleine nicht hin.

16.06.2013 15:09 • #6


Dubist
Das frage ich mich auch manchmal, was das ist?
Ist das die heutige Spassgesellschaft? Oder die Kariere das es so wenig menschelt?
Mir fehlt diese Herzlichkeit auch ganz stark seit einigen Jahren.
Das fehlt mir so, was der Auslöser des ganzen ist weiß ich noch immer nicht so genau.
Früher war es doch so, wo es das Internet noch nicht gab.
Wo es ganz normal war, das die Frauen daheim bei den Kindern sind.
Da wo die Kinder noch draußen spielen konnten, das man sich doch von klein auf untereinander kannte.
Man brauchte keinen Fernseher und keinen Pc, auch kein Handy für ein Schwätzchen.
Pc-Sucht gab es nicht.
Man badete in der Freizeit im See, oder vertrieb sich die Zeit bei gemütlichen Abenden untereinander am Lagerfeuer.
Da gab es viel zu reden.
Auch spielen hierbei die sogenannten Grossfamilien auch eine Rolle.
Nicht nur ein-zwei Kind Familien.
Nicht die Alten ins Altenheim abschieben.
Nicht so viele Alleinerziehenden Patchworkfamilien.
Aber was will man machen?
Die heutige Zeit ist eben sehr seltsam.
Traurig, aber wohl wahr.
Lass uns das Beste draus machen!
Auch das kann Glück sein.
Sei dankbar für das was du hast, das ist doch ein Geschenk, finanziell gut dazustehen.
Wer gibt der kriegt, warum gibst du nichts ab von deinen Geschenken die du erhalten hast?

Der Mensch hat auch einen heiligen Kern in sich, er fragt dann nach dem Sinn des Lebens.
Denn er hat da eine Sehnsucht, nach Gott oder wie man es auch nennen mag,
dem göttlichen, das was hier auf der Welt alles schön ist, macht längerfristig nicht satt.
Diese Sehnsucht ist eine Sehnsucht die auf der Welt dann nicht gestillt werden kann glaube ich.
Deshalb lebten ja manche Mönche oder Nonnen, bewußt losgesagt von der Welt.
Aber das kann und muß auch nicht jeder,

so dir noch einen schönen Abend.

18.06.2013 21:07 • #7





Dr. Reinhard Pichler