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Hallo zusammen,

Ich bin 26 und leide schon seit Jahren sporadisch an ziemlicher Antriebslosigkeit. In manchen Phasen meines Lebens waren die Symptome weniger stark ausgeprägt, in anderen wiederum konnte ich mich kaum motivieren und empfand auch allgemein kaum noch Freude in meinem Leben. Ich habe schon einige psychotherapeutische Behandlungen hinter mir (aktuell probiere ich kognitive Verhaltenstherapie). Alles in allem sind meine Erfahrungen mit Psychotherapie aber relativ schlecht.

In der Vergangenheit (vor ca 5 Jahren) habe ich für mein Problem über einen Zeitraum von ca. einem Jahr Ritalin (Dosierung: 10-15mg pro Tag) verschrieben bekommen (da mein früherer Psychiater meinte, dass ich an ADHS leide). Dadurch habe ich meine Probleme teilweise etwas besser in den Griff bekommen. Unter Nebenwirkungen habe ich nicht gelitten. Als ich nach einem Jahr kaum noch Probleme mit Antriebslosigkeit hatte (was wohl auch bedingt war, dass ich ein Masterstudium begonnen habe, dass mir extrem viel Spaß und Freude bereitet hat), habe ich in Absprache mit meinem Psychiater das Medikament wieder abgesetzt.

Im Dezember letzten Jahres (2019) ist meine Antriebslosigkeit wieder massiv angestiegen und gleichzeitig verspürte ich auch kaum noch Freude im Leben. Zuerst habe ich mir von meinem Hausarzt deswegen Wellbutrin verschreiben lassen (150mg extended release). Die ersten 1-2 Wochen waren sehr positiv, dann wurden die Nebenwirkungen aber unerträglich und gleichzeitig war auch die eigentliche Wirkung nicht mehr wirklich vorhanden (ich konnte kaum länger als 4-5 Stunden schlafen und fand in diesen wenigen Stunden auch keine Erholung).

Im Januar dieses Jahres habe ich anschließend eine Psychiaterin aufgesucht (nicht die gleiche Person wie vor 5 Jahren, da mir dieser trotz guter fachlicher Qualifikation auf der persönlichen Ebene überhaupt nicht sympathisch war). Zuerst bin ich ebenfalls auf ADHS diagnostiziert worden und mir wurde Ritalin verschrieben. Gleichzeitig wurde mir eine Überweisung zu einem Psychologen gegeben, der eine Testung auf Depression und ADHS durchführen sollte. Nachdem diese Testung kein Anzeichen für ADHS ergeben hat, jedoch klare Anzeigen einer mittelschweren Depression, wurde mir anschließend statt Ritalin Escitalopram verordnet. Das half auch überraschend gut gegen Ängste und hat auch meine Stimmung klar verbessert. Und das selbst in einer Dosierung von 5mg (höhere Dosierungen haben mich nur müder gemacht).

Mein Antrieb wurde jedoch kaum verbessert und ich habe das teilweise versucht mit massivem Kaffee-Konsum auszugleichen (was geringfügig geholfen hat, aber meinen Magen massiv belastet). Gleichzeitig habe ich auch diverse Supplemente wie Vitamin D, Tyrosin oder Theanin versucht und mit Lichttherapie begonnen. Die Effekte waren aber (falls überhaupt vorhanden) bestenfalls bescheiden.

Als sich meine Symptome massiv verschlechterten und ich auch schon Probleme im normalen Arbeitsalltag hatte (oft habe ich mich sogar dabei erwischt, wie ich einfach über einen längeren Zeitraum nur auf den PC gestarrt habe, anstatt zu arbeiten), habe ich letzte Woche wieder meine Psychiaterin aufgesucht. Gleichzeitig habe ich viele Stunden damit verbracht, mich mit einzelnen Antidepressiva zu beschäftigen (dazu habe ich PubMed verwendet und mir in erster Linie Original-Studien / Reviews durchgelesen). Ich bin dann auf die Klasse der SNRIs aufmerksam geworden und habe mir gedacht, dass eine zusätzliche noradrenalinerge Komponente meine Antriebslosigkeit bekämpfen könnte. Aufgrund der Tatsache, dass Venlafaxin und Duloxetin oftmals als sehr nebenwirkungsreich und sehr schwierig im Absetzen beschrieben wurden, habe ich diese mal ausgeschlossen. In dieser Klasse blieb dann nur Milnacipran (Handelsname in Österreich: Ixel) über. Obwohl ich zu diesem Wirkstoff allgemein wenig Studien und Erfahrungsberichte finden konnte, so haben mich einige wissenschaftlichen Papers (insbesondere dieses: Kasper S, Pail G. Milnacipran: a unique antidepressant?. Neuropsychiatr Dis Treat. 2010;6(Suppl I):23-31. Published 2010 Sep 7. doi:10.2147/NDT.S11777) überzeugt, das Medikament zumindest mal zu versuchen.

Ich nehme es jetzt seit einer Woche (in einer Dosierung von 50mg, die ich individuell auf 75mg steigern kann). Ob das Medikament eine positive Wirkung hat, kann ich schwer sagen (und ist nach diesem kurzen Zeitraum wohl schwer feststellbar). Was ich allerdings merke sind massive Nebenwirkungen: Hitzewallungen, Schwindel (manchmal auch einhergehend mit Konzentrationsproblemen), Heißhunger-Attacken und starke sexuelle Funktionsstörungen (ich hatte keine erek. mehr seit ich das Medikament nehme; Sb ist dennoch möglich, aber schmerzhaft). Besonders unangenehm sind die Konzentrationsstörungen. Ich fühle mich durch Milnacipran irgendwie munterer aber nicht motivierter.

Deswegen folgende Fragen an die Community:

1, Alles in allem bin ich jetzt ernsthaft am Überlegen, ob ich das Medikament (nach Absprache mit meiner Psychiaterin) absetzen soll. Was sind eure Erfahrungen mit Milnacipran? Lohnt es sich noch ein wenig zu warten? Sind bei euch die Nebenwirkungen verschwunden. Wie fandet ihr die Wirkung bzw. wann hat diese sich bei euch eingestellt?

2, An alle, die an Antriebslosigkeit leiden: Mit welchen Medikamenten habt ihr gute Erfahrungen gemacht? Ich höre immer wieder positive Berichte von MAO-Hemmern bei Depressionen, die mit Antriebslosigkeit einhergehen. Konkret denke ich an Moclobemid, da dieses Medikament deutlich besser verträglich ist als andere MAO-Hemmern (keine spezielle Diät nötig). Eine andere Möglichkeit wäre natürlich meine Psychiaterin um eine Ritalin-Verschreibung zu bitten. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das meine Antriebslosigkeit definitiv beseitigen würde. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob sie das macht, da ich ja eigentlich negativ auf ADHS getestet wurde (wobei man ja dazu sagen muss, dass ADHS ja ein Spektrum ist und ich einige der Symptome definitiv erfülle, aber wohl besser damit umgehen kann als andere ADHS-Betroffene).

Vielen Dank für eure Unterstützung!

22.10.2020 23:09 • 22.10.2020 #1


1 Antwort ↓

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Fairerweise muss man natürlich auch dazu sagen, dass die derzeitige Situation rund um Covid19 meine Situation deutlich verschlimmert. Partys am Wochenende, ausgiebige Thermen-Besuche (Sauna-Besuche haben auf mich interessanterweise einen deutlichen antidepressiven Effekt) oder auch Reisen fehlen mir extrem.

Gleichzeitig bin ich auch mit meiner beruflichen Situation unglücklich: Arbeite jetzt zu 100% aus dem Home Office (d.h. kaum soziale Kontakte), habe i.d.R. sehr lange TODO-Listen (mit teils völlig unrealistischer Zeitplanung) und bin damit auch einem großen beruflichen Druck ausgesetzt. Ferner ist auch geplant, dass ich in den nächsten Jahren eine Führungsposition ausübe. Mein Beruf hat mir eine Zeit lang eigentlich sehr Spaß gemacht, jetzt empfinde ich ihn aber teilweise nur mehr als Qual.

22.10.2020 23:26 • #2





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Prof. Dr. med. Ulrich Hegerl