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Hallo liebes Forum,

ich glaube, ich habe eine Depression. Und ich glaube, dass ich damit falsch umgehe. Aber von vorne.

Ich bin nun 35 Jahre alt und habe seit meinem 18. Lebensjahr diese Störung. Ich erinnere mich noch, dass es damals zunächst mit einem dumpfen Gefühl im Kopf angefangen hat (so, als wäre man nicht in der Realität) und dass diese Wahrnehmungstörungen sich dann irgendwann zu etwas entwickelt hat, was wir alle unter Panikattacken kennen.
Als sich das dann aufgrund meines Vermeidungsverhaltens zu einer handfesten Agoraphobie entwickelte (weil ich 2 Jahre lang dachte, dass das schon wieder weg geht), habe ich einen Arzt aufgesucht, der mich zu einem Psychotherapeuten überwiesen hat. Mit ca. 21 Jahren wusste ich dann bescheid, was mit mir los ist und habe auch psychodynamische Zusammenhänge verstanden, sowie die Mechaniken der Angst. Dennoch war mein Leben bis zum 25. Lebensjahr zu 90% von Angst geprägt. Mein Arbeitsalltag und auch das Studium bestanden praktisch fast vollständig aus Strategien, irgendwie die Angst auszuhalten. Aber besser wurde es irgendwie nie. Jedoch konnte ich halbwegs damit leben.
Mein Arzt kam dann irgendwann auf die Idee, es mal mit Opipramol und später Citalopram zu probieren. Das Citalopram brachte den Durchbruch und binnen 6 Monaten war ich wie neu. Ich konnte endlich einen Führerschein machen und meinen Aktionsradius erheblich erweitern. Ich habe Freunde besucht, hatte einen neuen Job angenommen, bin täglich zur Arbeit gefahren. Eigentlich habe ich wieder am Leben teilgenommen. Die Angst war zwar nie weg - aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich nicht mehr so machtlos war. Es gab sogar Tage, an denen ich gar nicht mehr an die Angst dachte.

Irgendwann, knapp 1-2 Jahre später, hatte ich das Gefühl, dass das Citalopram nicht mehr so wirkte, wie am Anfang. Manchmal hatte ich sogar das Gefühl, dass es mir nach der Einnahme deutlich schlechter ging, als vorher. Und wenn ich es dann mal 2-3 Tage weggelassen hatte, dann ging es mir tatsächlich solange besser, bis die Absetzerscheinungen kamen. Dieses Hin- und Her ging so bis ca. 2012. Aufgrund der guten äußeren Umstände (Job, Teilnahme am Leben usw.) entschied mein Arzt dann damals gemeinsam mit mir, dass wir das Citalopram ganz absetzen sollten und wir hofften, dass sich das dann einschleift.
Es hat ca. 3 Monate gedauert, bis die letzten Brainzaps weggewesen sind. Ich fühlte mich zwar ein stückweit klarer, aber ich merkte, dass irgendetwas nicht stimmt. Ich habe fast jeden Tag aus heiterem Himmel geweint, hatte ständig ein flaues Gefühl im Bauch, massive Alpträume und maximal 4-5 Stunden Schlaf pro Nacht. Und auch sonst ein ganz unangenehmes Körpergefühl.
Nachdem ich dann mit Rücksprache des Arztes das Citalopram wieder nahm, legten sich die psychischen Symptome nach einer Erstverschlechterung dann innerhalb von 3-4 Monaten.
Was jedoch neu war: ich bekam immer öfter Rythmusstörungen, anfallsartig Puls von ca. 150 und einen Ruheblutdruck von 150/100. Und das jedoch völlig ohne Angstsymptome - wohl aber mit Wahrnehmungsstörungen.
Da ich Nichtraucher bin, halbwegs sportlich und auch sonst nicht zur klassischen Risikogruppe gehörte, haben die Ärzte mich auf den Kopf gestellt.
Am Ende hat niemand etwas gefunden und wir haben das Citalopram wieder abgesetzt, da einer der Kardiologen wegen meines verlängerten QT-Intervalls auf Nummer sicher gehen wollte. Dementsprechend gesellten sich zu den Kreislaufgeschichten dann auch wieder die Angst.

Seit diesem Jahr bin ich nun vermehrt zu Gast in der Notaufnahme. Meist erwischt es mich auf der Arbeit. Um niemanden zu triggern, erspare ich mir die Symptombeschreibungen.
Die Diagnose lautet dann aber meistens hypertensive Entgleisung und mir wurde - bis auf ein Mal - nur Bayotensin - zur Senkungen verabreicht.

Da das alle 3-4 Wochen passiert ist, wurde ich nun vor ein paar Monaten mit Betablockern und ACE Hemmern auf 120/70 eingestellt (was erstaunlich gut funktionierte). Ich habe Echokardiografie, Herz CT, Langzeit EKG, Langzeit Blutdruck und allerhand Untersuchungen hinter mir und der Arzt sagte: eigentlich haben wir nur gute Dinge festgestellt.
Es wurden auch exotischere Krankheiten ausgeschlossen. Bis auf erhöhte Leber- und Cholesterinwerte scheint auch alles OK zu sein.

Ich glaube nun, dass ich nichts am Herzen habe und auch, dass meine Risikofaktoren für Schlaganfall und Herzinfarkt gegen Null gehen. Vielmehr glaube ich sogar, dass die Angst davor derzeit absurd ist, da ich medizinisch verstanden habe, dass es an ein Wunder grenzen müsste, wenn mich soetwas trifft.

Und trotzdem ist irgendetwas nicht in Ordnung und ich komme nicht zur Ruhe.
Ich wache jede 2. Nacht auf. Habe Herzrasen und enorme Todesangst. Ich zittere dann am ganzen Leib. Das dauert eine Stunde. Eine Stunde, die ich kaum bei Sinnen bin. Mit dem Finger auf der Anruftaste in Richtung Notarzt. Tagsüber ist mir flau im Magen und ich fühle mich kraftlos. Ich habe ständig brennenden Durchfall, Übelkeit, Muskelschmerzen und Empfindungsstörungen.
Mein Arzt meint, dass es vielleicht Nebenwirkungen sein könnten oder aber von Innen kommt. Dagegen unternehmen müsse und könne man aber nichts.

Aus Angst vor weiteren Medikamenten traue ich mich nicht mal, soetwas wie Buscopan zu nehmen. Allein die symptomatische Linderung würde das alles vielleicht etwas erträglicher machen.

Status Quo ist, dass ich heute den 2. Tag nicht zur Arbeit gegangen bin. Ich fühle mich total schlapp und habe Mühe, morgens aufzustehen. Ich bin rational davon überzeugt, dass das ein Gesicht der Angst ist und etwas mit einer Depression zu tun hat. Und trotzdem macht mir jedes Gesicht der Angst , welches ich noch nicht mit dem Arzt besprochen habe (z.B. dieser gelbliche, brennende Durchfall), erneut Sorge, dass es ein Symptom von etwas ist, was mich jetzt doch umbringt. Ich widerstehe jedoch, meinen Arzt damit zu nerven, da ich glaube, dass es eben Teil meiner Störung ist.
Mittlerweile macht mir sogar der Gedanke an Arzt und Krankenhaus selbst Angst.

Geht es jemandem genauso? Was hat euch geholfen?

07.12.2017 17:25 • 07.12.2017 #1


1 Antwort ↓

F
Versuche es mal mit Amitriptylin,das ist ein beruhigendes Antidepressivum,nebenwirkungsarm.
Ich muss es leider wieder absetzten,weil man davon zunehmen kann aber gegen Ängste wirkt es sofort und zuverlässig.
Du schaffst das!

07.12.2017 20:37 • #2





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Prof. Dr. med. Ulrich Hegerl