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nikos
Biografie eines Depressiven in Kurzform

Im Jahr 1965 bin ich als Junge zur Welt gekommen.

Wie mir heute bewusst ist, begann meine Erkrankung schon in früher Jugend. Mit 14 Jahren hatte ich die ersten Symptome von Depressionen die mein Leben maßgeblich beeinflussten und es immer noch tun. Die Symptome verstärkten und deren Dauer verlängerten sich immer mehr. Im Alter von 16 Jahren in einer, beinahe kontinuierlichen Phase, die nur in der Intensität schwankte, verunglückte ich im Straßenverkehr mit einem motorisierten Zweirad durch überhöhte Geschwindigkeit. Nein, ich wollte mir nicht das Leben nehmen. Durch das bewusst schnelle Befahren von Kurven wollte ich meinem stets traurigen und niedergeschlagen Gefühl, so wie keine Freude verspüren mit einem positiven Glücksgefühl, zumindest für einen Augenblick verdrängen. Dieser Versuch ging gründlich daneben. Nach diesem Unfall lag ich für 10 Tage im Koma, verursacht durch ein beim Verkehrsunfall hervorgerufenes Schädel-Hirn-Trauma. Von nun an wurde die Ursache aller psychischen und neurologischen Symptome dieser Hirnverletzung zugesprochen. Dadurch wurde die Anwendung einer passenden Behandlung um viele Jahre hinausgeschoben.
Nach der Verletzung bin ich relativ zügig wieder auf die Beine gekommen. Aus heutige Sicht scheint es mir, als wenn eine Hirnverletzung in der damaligen Zeit als geheilt angesehen wurde, wenn der Patient wieder gehen und sprechen konnte. Dass jedoch dabei mein ganzes, ohnehin durch die Depression schon vorgeschädigtes Ich ob es das Selbstwertgefühl, die Orientierungslosigkeit, wer, wie, was bin ich usw. ein Scherbenhaufen war, wurde nicht nur nicht erkannt, nein es interessierte niemanden. Dieses Kind musste nur funktionieren. Was für eine Ignoranz, vor allem von meinen Eltern, die mir ohnehin nur wenig bis keine Liebe und Aufmerksamkeit schenkten. Diese spärliche Aufmerksamkeit wurde noch weiter geschmälert, in dem ich, mit Nicht-Beachten, Schelte... erzogen (bestraft) werden sollte, denn ich war ein, für meine Eltern in der Erziehung überfordert, nicht einfaches Kind. Was wie ich später im Text noch näher erläutern werde, ihre Ursache in der Vorstufe meiner depressiven Erkrankung zu haben scheint.
Wieder auf den Beinen, setzte ich meine Berufsausbildung fort und absolvierte mit viel Mühe, von den Noten mal abgesehen, die Prüfung erfolgreich. Nach 4 Jahren Arbeit auf meinem erlernten Beruf entschloss ich mich, eine weiterführende Schule zu besuchen. Die Entscheidung wurde aus dem Gedanken geboren, die Hirnleistung durch eine größere Herausforderung (Denkanstrengung)
leistungsfähiger zu machen. So zu sagen, die Leitungen mal durchspülen, um damit die erdrückenden Gefühle los zu werden. Das erste Schuljahr lief überraschend gut. Mit sehr viel Disziplin und Lernarbeit beendete ich die anstehende Prüfung recht gut. Dieses und das darauf folgende Schuljahr wurde aber mit einem allwöchentlichen Wochenendbesäufnis begleitet. Heute glaube ich, dieses Trinkverhalten diente dazu, die aufkommenden Dämonen (depressive Symptome) zu ersäufen. Um den Mut zur Aufnahme dieses zweiten Bildungsweges aufzubringen, baute ich mir wie folgt ein Gedankengerüst auf:
Die Basis dieses Gerüst bestand darin, dass ich mir immer eine Hintertür bereit hielt. Ich nahm mir stets nur die nächste Stufe (mittlere Reife) dann die nächste (Fachhochschulreife) in Angriff, um dann wieder zu leichteren Tätigkeiten zurück zu kehren. So wie ein VHS Kurs, ganz ohne Verpflichtungen. So war mein Gerüst zunächst stabil genug und die Zeitspanne, der in meinen Gedanken kaum zu leistenden Anstrengung, war begrenzt. Und plötzlich hatte ich die Lizenz, eine Fachhochschule zu besuchen. O Gott!
Die allgemeine Erwartung in meinem Umfeld erlaubte nur den Weg zum Studium und ich wagte nicht mich dagegen zu entscheiden. Die ersten Semester waren für mich gefühlt unbezwingbar, die Depression erdrückte mich nahezu und eine innere Unruhe machte sich breit. Da ich dem so entstanden Leidensdruck nicht mehr stand halten konnte, entschloss ich das Studium aufzugeben. Dieses Vorhaben scheiterte aber daran, dass ich keinen Arbeitsplatz finden konnte. Der Gedanke für unbestimmte Zeit in der Luft zu hängen, machte mich panisch und so verzweifelt, dass ich mich wieder für das nächste Semester anmeldete. Obwohl ich Semester um Semester bestanden habe wurde ich nicht zuversichtlicher. Ich fühlte mich stets von einem Damokles Schwert bedroht, das jeder Zeit auf mich niederfallen konnte. Stete Angst und Endzeitstimmung begleitete mich.

Auf Anraten meines Neurologen suchte ich über länger Zeit Hilfe bei einer Suchtberatungsstelle, um gegen eine Alk. vorzugehen. Von nun an trank ich keinen Alk. mehr, aber die Depression blieb die Alte.
Nun setzte ich das Studium gänzlich ohne Alk. fort. Sicher ist es gesundheitlich besser keinen Alk. zu konsumieren, aber seelisch war ich immer noch ein Wrack. So konnte ich zwar mit viel Anstrengung, im Ende doch erfolgreich das Studium beenden.
Weitere 7 Jahr quälte ich mich von einem Job zum nächsten, die mir auf Grund fehlender Leistung ein ums andere mal gekündigt wurden. Ich suchte wieder Rat und Hilfe bei meinem Neurologen. Der sah keine Alternative in meinem Arbeitsleben und empfahl mir, die Rente zu beantragen. Mit einer Computer Tomographie konnte dem Rententräger diese Notwendigkeit verdeutlicht werden. Nun war ich mit 40 Jahren berentet. Zunächst war ich erleichtert, dem Arbeitsdruck und dem damit stets begleitenden sozialen Leidensdruck entkommen zu sein. Aber mein auf tönernen Beinen stehendes Ego fiel in sich zusammen. Ich traute mich übertrieben gesagt nur noch nachts aus dem Hause. Meine Lebensgeister verringerten sich von Jahr zu Jahr weiter, bis ich quasi mental tot war. Meine Kraft reichte nur noch für das Nötigste. Ich verbrachte die meiste Zeit des Tages entweder im Bett oder auf dem Sofa. In meiner depressiven Stimmung war ich so gefühllos und leer, dass ich dem Neurologen nichts Brauchbares über meine Situation rüber bringen konnte. Meiner Frau war dies bewusst und sie begleitete mich fortan bei jedem Arztbesuch, um ihm die Realität zu vermitteln. Sie war es auch, die dem Neurologen eine andere Behandlungsart nahe brachte. Sie gab zur erkennen, dass nicht ausschließlich auf die Hirnverletzung hin, therapiert werden sollte. Der Arzt leitete daraufhin eine Gesprächstherapie bei einer Ergotherapeutin in die Wege. Seit 2015 werde ich von einer Ergotherapeutin durch Gespräche, deren Augenmerk sich auf die Beachtung der schönen Dinge im Leben gesetzt wurden, langsam aber stetig wieder ins Leben zurück gebracht. Bei den Gesprächen mussten zunächst vermeintliche oder auch echte Seelenbelastungen aufgearbeitet werden. Viele davon lagen in meiner Kindheit. In dieser relativ langen Zeit erkannte meine Therapeutin eine mögliche ADHS Erkrankung in meiner Kindheit, die sich im Lauf der Zeit zu einer Depression entwickelte. Folglich werde ich seit ca. 2 Monaten mit Ritalin für Erwachsene behandelt, dessen Einstellung noch in den Anfängen steckt, ich aber jetzt schon ,vorsichtig ausgesprochen, eine Verbesserung spüre. Nach gefühlt tausend anderen Medikamenten ist dies das erste, welches eine merkbare, positive Veränderung hervorgerufen hat. Ob die Medikation auf Dauer erfolgversprechend sein wird, wird sich zeigen. Übrigens, vor dieser Ergotherapie wäre ich nicht im Stande gewesen an diesem Forum teilzunehmen.

Bei einer Internetrecherche stieß ich auf dieses Forum, die logische Folgerung bei dieser Biografie, konnte nur ein Beitritt sein.

04.11.2017 19:27 • 04.11.2017 x 1 #1




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Prof. Dr. med. Ulrich Hegerl