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Im Grunde ist diese Geschichte so alt wie die Menschheit. Rudimentär gibt es sowas sogar in der Tierwelt.
Doch so allumfassend und immer wiederkehrend es auch ist, so viele Gemeinsamkeiten sich in allen Geschichten finden, so sind sie doch auch immer individuell.

Meine Geschichte beginnt vor einer Woche. Eigentlich begann sie schon eher, aber vor einer Woche nahm sie die entscheidende Wende und seitdem ist für mich nichts, wie es war. Gut, ich könnte sagen, dass nie irgenwas je ist, wie es einmal war, dass es nicht einmal Schneeflocken gibt, die komplett gleich sind, doch das würde zu Geschwafel führen, welches ich vermeiden möchte.

Vor einer Woche fuhr ich in den Urlaub zusammen mit einer Gruppe Menschen, die weiter von mir entfernt wohnen und noch Überbleibsel aus einer Beziehung sind, die ich einmal geführt habe. Einmal im Jahr findet dieser Urlaub statt und ich freue mich, dass man sich meiner dabei erinnert.

Wir waren 11 Leute und unter diesen 11 Leuten war eine Person, die ich schon lange mehr oder weniger heimlich anschmachte. Sie ist die Art von Mensch, die man im Leben nur unglaublich selten trifft und die einem sofort das Gefühl geben, es gäbe eine Art spiritulle und emotionale Verbindung vom ersten Moment an. Das ist natürlich meine subjektive Ansicht und ich kann nicht für sie sprechen, dennoch gibt es Anzeichen dafür, dass ich ihr zumindest sympathisch war.

Jedenfalls war sie auch dabei. Auch letztes Jahr schon verbrachten wir im Urlaub viel Zeit miteinander, redeten, lachten, alberten. Da sie da aber noch in einer Beziehung war und ich ein eher zurückhaltender Mensch bin, ließ ich von intensiveren Annäherungsversuchen ab. Zugegebenermaßen ärgerte ich mich über mich selbst und meine Zurückhaltung, war aber auch ein bisschen stolz auf mich, einer Frau wie ihr überhaupt soviel gemeinsame Zeit abgerungen zu haben.

Dieses Jahr sollte es anders kommen.

Am ersten Abend haben wir uns besoffen und als alle schon im Bett waren, haben wir getanzt.
Dann sagte ich zu ihr Ich habe mir vorgenommen, dich ein einziges Mal zu küssen und hab es getan. Sie hat diesen Kuss erwidert und meine Knie wurden weich. Daraufhin haben wir uns noch etwas mehr geküsst und gestreichelt und sind in mein Zimmer gegangen.
Jetzt könnte man denken
Ok, die warem besoffen und im Zustand der Ausnüchterung kommt zumindest sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurück und schämt sich dafür
Aber nein, auch die nächsten Tage haben wir geschäkert, gekuschelt, gefummelt und uns geküsst. Hauptsächlich zwar nicht vor den anderen, das fand ich aber in Ordnung, weil ich selbst nicht so ein Mensch bin, der alles jedem zeigen muss.
Es reichte trotzdem aus, damit die anderen mitbekamen, dass und was zwischen uns etwas läuft.

Und so kam es nun einmal, wie es in derartigen Konstellationen kommen musste:

Ihr bester Freund, der auch mit war, wollte dazwischengrätschen. Und das nicht mittels versteckter Intrigen und bissigen Kommentaren, sondern ganz direkt und dem absoluten Highlight des gesamten Urlaubs.

Je offensichtlicher wurde, dass wir beiden was am laufen hatten, desto offensiver wurde er. Er fummelte sie an, flirtete enorm offensiv und eines Tages,als wir im Whirlpool saßen, fing er an, ihr an den Brust zu gehen und versuchte sie zu küssen. Innerlich hab ich gekocht. Da ich aber dieses Platzhirschgetue verabscheue, bin ich rausgegangen und hab Zeit für mich gesucht. Nach einiger Zeit kam sie zu mir und fragte mich, ob ich mir einen Dreier vorstellen könne, den sie aber nur in Erwägung zöge, wenn ich dabei wäre. Grundsätzlich bin ich sowas nicht abgeneigt, da ich der Ansicht bin, dass kein Mensch dem anderen gehört und tzeksuelle Freizügigkeit nicht das Allerschlimmste ist. An diesem Abend aber und mit ihm, der sich wie ein Affe aufgeführt hat, war ich absolut dagegen. Sie küsste mich und war d'accord.
Er kam dann raus vor die Tür zu uns um den weiteren Werdegang zu erfragen und ich verlor die Maske der eisigen Höflichkeit, mit der ich die Geschichte bisher verfolgt hatte und stellte ihn zur Rede. Ich sagte ihm, ich sei absolut dagegen, er solle Zurückhaltung nicht mit Weicheiverhalten verwechseln und sagte ihm, er sei enorm kurz davor, dass ich mit ihm den Boden aufwische. Kurzum verlor ich leicht die Beherrschung und verhielt mich ähnlich affengleich wie er.
Daraufhin verlor er die Nerven und eine Operette sondergleichen trat in Gang. Er fing an zu weinen, entschuldigte sich und wurde kurzzeitig vom Platzhengst zum Schoßhündchen.
Und dann.
Dann ging er zu ihr und gestand ihr unter Tränen, theatralischem Gehabe und Armgefuchtel seine tiefe und innige Liebe. Er habe unsere Turteleien nicht mehr ausgehalten, war extrem eifersüchtig, wolle sie gern heiraten und Kinder mit ihr zeugen und wäre kurz davor, sich das Leben zu nehmen. Ferner wollte er eine Entscheidung von ihr, ob er oder ich. Zum Glück für mich sieht sie ihn nur als Freund, zum Pech für mich, wolle sie momentan keine feste Beziehung.
Nichtsdestotrotz haben wir weitergemacht wie bisher, sind sogar eine Spur öffentlicher geworden und als ich sie gestern zuhause abgesetzt habe, stimmte sie zu, als ich gefragt habe, ob wir uns wiedersehen könnten.

Soweit, so gut.
Oder doch nicht?
Ich kenne mich. In den letzten Jahren habe ich sehr viel Entwicklung durchgemacht. Vor ein paar,Jahren noch wäre ich in besagter Nacht und Situation geplatzt, wäre nachhaus gefahren und hätte nie wieder mit ihm oder ihr geredet. Jetzt war ich zwar kurz vorm Platzen, konnte mich aber noch runterregeln und fangen, konnte mit ihr sogar über meine Emotionen reden ohne zusammenzubrechen oder komplett auszuweichen. Sie meinte sogar, ich hätte unglaublich gut agiert und wie ein mittelnder Ruhepol gewirkt und es schien so, als habe ihr das imponiert.

Lirumlarum. ich weiß wie ich war, wie ich immer noch sein kann und ich hab fürchterliche Angst davor, es binnen kurzer Zeit grandios zu verkacken und eine Frau aus dem Leben zu werfen, die eine Kongruenz mit mir, meinen Neigungen, Ansichten, Interessengebieten, Humor und sogar in der Kommunikationsführung aufweist, wie ich nie für möglich gehalten hätte, dass es sowas gibt.
Hier kicken die Neurosen und auch, wenn sie nicht mehr so kicken wie dereinst, bin ich noch immer bindungsgestört.
Ich werde ihr wahrscheinlich das so niemals sagen können, aber vlt. kann ich ihr irgendwann sagen, was sie in mir auslöst.

Wer auch immer das bis zum Schluss durchgelesen hat, sei mit meinem Respekt gesegnet.

22.01.2023 16:55 • 26.01.2023 x 5 #1


6 Antworten ↓


D
oh das hört sich sehr spannend an. erlebe gerade ähnliches und kann deswegen gerade sehr mitfühlen und deine Euphorie nachempfinden. aber ich kenne auch das Gefühl wenn man im nächsten Moment wieder Zweifel hat und auch angst das es sich doch nicht so entwickelt wie man es sich gerne vorstellt. aber... Keine Rose ohne Dornen ! man muß es riskieren und in kauf nehmen daß man sich verletzt bei der Sache.
ich finde du MUSST ihr sagen was sie in dir auslöst.
ich habe gelesen dass Menschen die ihm sterben liegen mitunter bereuen dass sie in ihrem Leben zuwenig ihre Gefühle in bestimmten Situationen oder Gefühle für bestimmte Personen geäußert haben. das war so eine art Ranking liste und dieser Punkt steht sehr weit oben , neben reue zuviel gearbeitet zu haben und reue ihr Leben nicht richtig gelebt zu haben
es ist so schwer einem Menschen zu sagen was man für ihn empfindet... Aber warum? spinnt man sich im kopf eine Perfekte Liebesgeschichte zusammen und hat dann angst das diese Illusion dann weg ist und man nicht mehr davon träumen kann? Aus angst zurückgewiesen zu werden? aber wir erleben sehr oft Zurückweisungen und diese gehören so zum leben wie nicht zurückgewiesen zu werden... das macht das leben aus! wir müssen diese Erfahrungen machen, auch wenn es weh tut, aber wir wachsen an solchen Erfahrungen. wir können nicht unser ganzes leben damit verbringen diesen Erfahrungen aus dem Weg zu gehen oder unsere ganze kraft und zeit dafür aufbringen dieses Erlebnise zu umschiffen !

23.01.2023 02:15 • x 1 #2


A


Eine kleine Liebesgeschichte

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Zitat von dominik222:
oh das hört sich sehr spannend an. erlebe gerade ähnliches und kann deswegen gerade sehr mitfühlen und deine Euphorie nachempfinden. aber ich ...

Zitat von dominik222:
oh das hört sich sehr spannend an. erlebe gerade ähnliches und kann deswegen gerade sehr mitfühlen und deine Euphorie nachempfinden. aber ich ...

Zitat von dominik222:
oh das hört sich sehr spannend an. erlebe gerade ähnliches und kann deswegen gerade sehr mitfühlen und deine Euphorie nachempfinden. aber ich ...

Ich denke nicht, dass es wirklich darauf ankommt, ihr zu stecken,was und wie ich empfinde. Dieses Schwert ist zweischneidig und sehr scharf geschliffen, zumal sie es sicherlich eh weiß.

Nee, das ist auch nicht der Punkt, der mich umtreibt, weil wir auch gestern den ganzen Tag noch Kontakt hatten und ich mir zwar ihrer Ansicht zu mir nicht ganz sicher bin, dennoch nur in bestimmten Phasen, in denen ich nicht mehr rational bin, glaube, dass derart viel Zuwendung ihrerseits nichts bedeuten könnte.

Mich treibt um, dass ich es nicht in die Sheiźe reiten will.

Und nun komme ich zu den besagten Phasen.

Etwa einmal am Tag, wenn der Taumel und das schöne, leichte Gefühl der siebten Wolke sich zu einem Gewittersturm formiert, klopfen die Neurosen an die meine Tür und ich fange instant und aus dem Nichts an zu heulen und weiß ganz genau, wie es wieder enden wird. Dadurch steigen Druck und Zweifel und ein Abgrund voller Schwärze tut sich vor mir auf. Nichts ist dann von Belang. Kein Kuss, keine Zusage, keine Nähe, keine doppeldeutigen Bilder ist von tieferer Bedeutung. Nichts hat Bestand und wird eh bald enden.
Ich möchte mich nicht davon vereinnahmen lassen und eigentlich geht es immer recht schnell vorbei, aber wenn es kommt, fühlt es sich sehr entmutigend an.

Was die Zukunft bringt,weiß niemand. Pläne sind meist allein deswegen zum Scheitern verurteilt, weil ein starres Festhalten daran schon zwangsläufig zu starrem und unflexiblem Handeln und somit zu Druck führt.

Ich möchte einfach nicht irgendwann sagen, dass ich es nicht versucht und alles mögliche getan hätte, um den Teil der persönlichen Entfaltung mit der Portion Glück, Liebe und Zuwendung durch die Person erhalten zu haben, für die ein Gutteil des Herzens schlägt, und die Geschichte stattdessen an meinen Neurosen habe scheitern lassen.

Du kannst hier gern auch deine Story teilen.

23.01.2023 12:30 • #3


giesewickl
@Umgefallen : Toll, wie du dich im Urlaub im Griff hattest. Ich denke, darauf kannst du aufbauen. Und dir diese Situation wieder ins Gedächtnis rufen und dir sagen: So habe ich richtig reagiert.
Vielleicht, in einem günstigen Moment, sprichst du deine Bindungsangst an . Solltest du dann wirklich mal falsch reagieren auf sie, dann kann sie das besser einordnen. Und mit dir darüber sprechen.
Sie war ja auch offen dir gegenüber und hat gesagt, sie will momentan keine feste Beziehung. da ist sie aus sich heraus gegangen und hat sich offen gelegt. da hättest du ja auch ablassen können von ihr, weil du evtl mehr willst.
Offenheit und Ehrlichkeit sind für mich die Fundamente einer Beziehung. Je offener und ehrlicher ihr zueinander seid, desto tiefer wird die Beziehung.
Ja, das macht verletzlich. Und ist schwer. Aber es lohnt sich, meiner Meinung nach.

23.01.2023 13:20 • #4


D
@Umgefallen
aber ist es wirklich eine Neurose wenn man angst davor hat das die Liebe nicht erwidert wird? hat diese Ängste nicht jeder Mensch der sich in jemanden verliebt und nicht weiß ob der andere es auch so empfindet?
Klar jeder in unterschiedlicher Ausprägung, der eine kann gelassener sehen und die Gedanken schneller wegschieben, der andere weint deswegen einmal am Tag und wieder ein anderer ist im Stundentakt am Boden zerstört und kann nur noch an das negative denken. Ich glaube da unterscheidest du dich nicht von anderen Menschen oder?
Oder hab ich das nicht richtig verstanden und du meintest was anderes mit den Neurosen?
Einen festen Plan würde ich mir auch nicht machen und alles minutiös festlegen, weil das funktioniert wirklich nicht.
aber eine ungefähre Richtung kann man sehr wohl festlegen.
Du kannst die Geschichte drehen und wenden wie du willst. du weißt selber wenn du nichts machst und sogar noch weiter gehst und sogar Annäherungsversuche ihrerseits abblockst, aus Angst dass es sowieso nicht funktionieren wird, dann wird es auf alle Fälle so sein das du es eines Tages bereuen wirst das du nichts unternommen hast.

24.01.2023 01:33 • x 1 #5


U
Zitat von dominik222:
@Umgefallen aber ist es wirklich eine Neurose wenn man angst davor hat das die Liebe nicht erwidert wird? hat diese Ängste nicht jeder Mensch der ...

Nein, im Grunde meine ich mit den Neurosen nicht viel anderes. Sie machen die Geschichte nur noch einen Tick intensiver, da durch sie die Ängste enorm befeuert und die Stimmungsschwankungen stärker werden.
Ich denke schon, dass es in Zuständen kognitiver und emotionaler Verzerrung, zu der der jetzige in mir gehört, fast jeder Mensch ähnliche Anwandlungen zeigt und unterschiedlich damit umgeht, wie du gemeint hast.
Nur bringt mich das jetzt nicht weiter, da es die Situation nicht ändert. Das kann nur ich selbst und der Weg dahin ist steinig.

24.01.2023 09:36 • x 1 #6


U
Wenn ich mich mit anderen gestörten Menschen unterhalte, denke ich manchmal, wie normal ich eigentlich ticke.
Bis ich in eine Situation wie die jetzige gerate.
Dann merke ich erst wieder so rchtig, wie gestört ICH eigentlich bin.

26.01.2023 02:16 • #7





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