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Hallo Zusammen,

bin schon vor Monaten auf das Forum gestossen und hab immer mal wieder mitgelesen, um zu schauen ob es
ggf. auch noch andere gibt, die das gleiche haben und wie die damit umgehen.
Weil ich bisher heimlich mitgelesen habe, dacht ich wäre es nur fair, wenn ich mich auch mal vorstelle

Glaube der Grundstein für meine kleine Macke wurde schon in der Kindheit gelegt.
Bin 1976 geboren und damit heute 41 Jahre alt. Meine Mutter war damals 36 als ich als Nachzügler kam und mein Vater 56.
Ja, mein Vater war 20 Jahre älter.
Anfangs war das kein Problem für mich. Merkte aber schon der Schule, das bei mir daheim etwas anders war. Die anderen Kinder fragten mich immer,
ob mein opa mich zur Schule bringt. Das war erstmal kein Problem für mich.
Problematisch wurde es erst, als es bei meinem Vater älter und kränker wurde.
Als ich 7 Jahre alt war, mussten bei ihm 2 Bypässe gelegt werden. Heute Routine, damals noch in der Experimentierphase. Weiß noch genau, das mein
Vater mir sagte, das nur 10 % so eine Operation überleben. Von Prozentrechnung hatte ich keine Ahnung, aber nur 1 von 10 hab ich verstanden.
Da war dann die erste Angst um meinen Vater, der erste Kontakt mit dem Tod.
Glücklicherweise ging es gut. Einige Jahre. Bis die Bypässe wieder dicht waren und neue gelegt werde mussten. Da war ich dann schon 12 oder 13.
Wieder Angst. Hatten meine Eltern die OP aber so pfiffig gelegt, das ich zu der Zeit im Schullandheim war und davon nichts mitkriegen sollte.
Aber die Mutter eines Mädchens aus meiner Klasse war mit meiner Mutter befreundet und das Mädchen fragte mich, ob mein Papa sehr krank wäre, weil
Er ja diese Woche im Krankenhaus ist.
Schullandheim war für mich gelaufen. Ich war nur noch am heulen und wollte unbedingt nach Hause zu meinem Vater, weil ich ihn ja vielleicht nicht lebend wiedersehe.
Aber auch die OP ging gut.
Jedoch ging der Verfall meines Vaters stetig voran. Damals war es dann schon 68, sein ganzes Leben geraucht. Das musste ja ja irgendwann seine Folgen haben.
Als ich dann 14 war, war es dann soweit das ich mehr Aufgaben übernehmen musste..
Sind mein Vater und ich damals regelmäßig mit unsren Hunden spazierengegangen, so konnte er das schon nicht mehr und ich musste das alleine übernehmen.
Mein Freundeskreis zerlegte sich damals auch. Warren wir früher einer Clique von 5 Leuten, war ich irgendwann nur noch alleine.
Ich wollte immer daheim sein, für meinen Vater, Mutter unterstützen so gut es ging.
War mir peinlich darüber mit den Freunden zu sprechen und sie nahmen es als Anlaß mich auf einmal zu mobben.
Muttersöhnchen, Stubbenhocker und und wurde ich genannt. Ich konnte ihnen nicht sagen, warum ich nicht mehr mit ihnen was unternehmen konnte oder wollte.
Aber hätten sie es auch verstanden ?
Habe mich in der Zeit viel mehr verändert, als ich es damals war haben wollte. Meine Mutter hatte neulich alte Fotos aussortiert.
Sie ist nun auch schon 78 und wollte schon mal ihr Erbe zu Lebzeiten unter die Leute bringen.
Hab mich jedenfalls auf alten Fotos verglichen. Quasi von damals 4 Jahre alten Knirps, bis zum jungen Erwachsenen. Früher aufgewecktes, fröhliches Kind, so sah ich auf Fotos auf denen
ich schon älter war, viel ernster aus. In mich gekehrt, kaum dazu fähig zu lachen, fröhlich zu schauen. Bestenfalls war ein gequältes Grinsen möglich.

Und so gingen die Jahre ins Land und es war der 3. Oktober 1992. Ca 10 Uhr morgens. Wir haben zusammen gefrühstückt, saßen vormittags im Wohnzimmer, habe
mit meinem Vater Kreuzworträtsel gemacht und strich sich dann immer wieder über die Brust. Bis er wegsackte, Augen verdrehte und ich den Notarzt rief und nebenan bei Nachbarn einen Sanitäter weckte
der bei uns im Haus saß.
Vater wurde abgeholt, lag 2 Tage im Koma. Wurde irgendwann geweckt und am dritten Tag konnte ich ihn besuchen. Sein Hirn hatte da schon Schäden erlitten. Er dachte er ist noch in den 60ern und würde noch mit
Meiner Mutter in Berlin leben.
Aber ich war froh, mein Papa hat es wieder geschafft. Wollte nächsten Tag nach der Schule ihn direkt besuchen fahren. Irgendwann gegen 10 stand mein Onkel im Klassenzimmer. Als ich ihn sah, wusste ich was los war und mir sind die
Knie weich geworden. So verstarb er dann am 7. Oktober.

Naja, Leben ging weiter, ich machte meinen Weg. War einige Jahr bei der Bundeswehr kam gut rum. Die Zeit sollte dann auch vorbeigehen und orientierte mich dann im zivilen Leben neu um und habe nun das Glück seit 2002
In der gleichen Firma zu sein, in der ich eine gute Arbeit hab, gute Kollegen, sogar Spass bei der Arbeit und gut bezahlt wird es auch noch.

Jedenfalls hatte ich 2003 oder 2004 das erste mal Kontakt mit meiner lieben Herzneurose. War damals über beide Ohren verliebt, aber so richtig und dachte das ist die Frau fürs Leben. Aber wie es oft so ist,
ist meist ja anders und das und mit Schwierigkeiten verbunden und bekam ich zu spüren. Wie das so ist, Herzrasen. Puls von 70 auf 180 und wieder zurück. Schweissausbrüche, Todesangst, wackelige Beine, und, und, und.
Naja, am zum Arzt, ab ins Krankenhaus und da das volle Programm. Hatte damals das Glück das ich noch über die Bundeswehr krankenversichert war, obwohl bereits im zivilen Leben, und die haben mich da auf den Kopf gestellt, als wenn ich demnächst ein Space Shuttle fliegen soll
Sie sind kerngesund und mit dem Herz können sie 100 Jahre alt werden. War damals auch in der Form meines Lebens. Jeden Tag 1 bis 2h gejoggt. War gut drauf, sogar mit dem Rauchen aufgehört

Naja, nach der Diagnose war erstmal alles wieder gut und Sorgen waren wie weggeblasen. Nix mehr mit Herzrasen und dem ganzen drumherum, für ein paar Jahre.

Zwischenzeitlich, gab es aber immer wieder mal Momente, wo doch die Angst ums Herz hochkam. Kann gar nicht sagen, was die Trigger waren, aber immer wieder mal kam die Angst für ein paar Wochen oder Monate hoch und war dann wieder genauso schnell weg, wie sie gekommen ist.

Vor 4 Jahren ca kam die Angst aber wieder hoch und blieb im Grunde bis heute bestehen. Damals, auf einen Sonntag gemütlich auf der Couch gesessen und dann merkte ich, das irgendwas nicht stimmt. Hatte mir da Brustgurt angelegt (wie
Man ihn für den Sport trägt) und meine Pulsuhr zeigte sportliche 170, im Sitzen. Der Rest kam wie von selbst, Angst, Panik, Schweissausbrüche und was sonst noch dazugehört.
Also ab in Krankenhaus, EGK gemacht, Arzt konnte nix für mich tun, da sieht nichts nach einem Herzinfarkt aus. Er sieht das ich wieder ruhiger werde und solle mal eine Runde an der Weser spazierengehen, Wetter ist ja schön und mal
Zum Hausarzt gehen und Schilddrüse untersuchen lassen.
Ok, erstmal wieder etwas beruhigt, aber die Angst blieb seit dem.
Hatte dann auch mal Checkup gemacht und mir einen Hausarzt gesucht. Recht schwierig, wenn man selten bis nie zum Arzt geht. 3 Mal abgelehnt, weil man keine neuen Patienten mehr aufnimmt. Beim der 4. Praxis wurde ich
auch abgelehnt, aber Sprechstundenhilfe hatte wohl Mitleid und gab mir einen Termin.
Na denn, komplettes Programm gemacht, auch Langzeit-Ekg, Besuch beim Kardiologen. Was kam wohl raus ? Genau, ich hab nix. Gut ich hab Asthma und die Kardiologin sagte mir, das dadurch der Puls auch höher sein kann. Zudem haben die Sprays die Eigenschaft auch manchmal den Puls hochzutreiben. Jedenfalls Medikamente würde sie mir nicht verschreiben, außer es würde mich belasten, wenn der Puls höher ist.
Mein ist recht hoch ist. Um die 80, wird auch in der Nacht beim Schlafen nicht weniger. Aber ok, das waren die Werte damals und paar Tage EKB bildet ja nicht das ganze Leben ab.
War damals eh recht stressig im Job, das nahm ich vermutlich mit nach Hause.
Nahm mir auch fest vor, wieder mit Sport anzufangen. Hat bis vor paar Wochen nicht geklappt.

Hm, hm, hm. Also die letzten Jahre hab ich mir immer wieder Gedanken um mein Herz gemacht und mich da reingesteigert und viel Dr. Google befragt. Verunsicherte mich natürlich noch mehr.
Ergebnis war, das ich 30,40,50 Mal am Tag Blutdruck und Puls gemessen hab. Hab ich dann auch wieder geschafft mir abzugewöhnen, jetzt nur noch hin- und wieder.
Kam Anfang des Jahres mal auf die Idee mir einen Fitnesstracker zu kaufen. Wollte im Grund nur mal schauen, ob ich denn meine 10000 Schritte am Tag schaffe.
Das Gerät hat aber auch noch die tolle Funktion Puls zu messen, auch im Schlaf.
Keine gute Idee so ein Teil zu kaufen, wenn man eh überempfindlich reagiert.
Da sah ich dann, das beim laufen durch die Wohnung mein Puls auf 100-110 geht. Beim schnellen Spaziergang schon mal die 120 drin sind. Etwas bergauf mit dem Fahrradfahren bin ich bei 160, beim Schlafen auf 60-70 wenn es gut läuft. Auf der Couch 70-85.
Hat mich jedenfalls wieder Kirre gemacht.
Kann mich gut erinnern, das ich in einem Meeting saß und Panikattacke bekam. Saß nur rum und konnte sehen, wie mein Puls von 90 auf 130 steigt, nur vom sitzen und zuhören. Das doch nicht normal, Du musst doch gleich sterben dachte ich mir !
Aber, Überraschung, ich lebe doch noch

Naja, das nun ca 5 Monate her und hab mein Fitnesstracker in die Ecke gefeuert. Knabber aber immer noch an meiner Herzangst. Mal stärker, mal weniger. Seit diesem Montag ist wieder schlimm. War die letzten beiden Tage bis jetzt tierisch angespannt
Und hab auch gemerkt, wie mein Herz am wummern war. Aber hab nicht gemessen.
Glaube das Schreiben hier tat mir gut. Zwischendurch kamen ein paar Tränen als ich an meinen Vater dachte und hab das Gefühl, das musste mal wieder raus.

Hab mich vor 3 Wochen auch wieder im Fitnessstudio angemeldet.
War schon Überwindung, da ich überzeugt bin zu sterben, sobald ich aufs Fahrrad steige oder Laufband. Versteh es manchmal nicht, das mich das verrückt macht.
Vor ca. Jahren hat es mich nicht gejuckt wenn ich mit 170 Puls durch die Gegend gejockt bin, aber hab jetzt Schiss Sport zu machen.
Wie gesagt, hab mich angemeldet, aber war seitdem noch nicht wieder da. Aber peile diesen Samstag an. Ganz, ganz bestimmt


Sorry, wenn es so lang wurde, aber wie gesagt, tat mir gut und mal schauen, was und ob ich noch so loswerde hier

Vg
Rene

04.10.2017 18:14 • 07.10.2017 x 1 #1


1 Antwort ↓

Das ist ja eine ausführliche Beschreibung Deines Lebenslaufs...schön finde ich (Anführungsstriche bitte beachten), dass es für die heutigen Probleme in Sachen Herzphobie ja mehr als gute Gründe gibt. Das ist ja sowas von manifestiert in Deinem Leben, praktisch von Beginn an, bist Du genau damit aufgewachsen und hast praktisch alles mitgemacht, was auftauchen kann.

Ich denke, es kann gut Sinn machen, mal über fremde Hilfe nachzudenken, um von diesem Tripp herunterzukommen. Meinung dazu?

Wichtig finde ich auch immer, sich Wissen darüber anzueignen, insb. über Kardiologie/Herz etc., damit man zumindest ansatzweise auf Augenhöhe ist mit Schulmedizinern bzw. Dinge auch beurteilen kann für sich. Weil faktisch bist Du ja offensichtlich kerngesund vom Herzen her.





Dr. Matthias Nagel
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