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P
Es ist schwer, alles so halbwegs verständlich zusammen zu fassen: Habe vor einigen Wochen eine Frau im Internet kennengelernt und musste nach ein paar Tagen feststellen, dass sie ein ganzes Paket an Problemem zu bewältigen hat, was sie aber alleine niemals schaffen kann.

Zus Situation: Sie ist seit ihrer frühesten Kindheit mehrfaches Vergewaltigungsopfer geworden, hat 4 erwachsene Kinder, lebt noch zusammen mit ihnen in einer Wohnung, die sie aber in den nächsten Tagen wegen einer fristlosen Kündigung röumen muss. Eine andere Möglichkeit, irgendwo unterzukommen hat sie nicht. Sie öffnet keine Post und hat auch seit Monaten das Haus nicht verlassen. Ihre Kinder unterstützen sie zwar, aber sie haben eigentlich keine Ahnung, wie es ihr wirklich geht. Sie hat schwere Panikattacken, die sie zur Handlungsunfähigkeit verdammen. Auch hat sie in der letzten Zeit einen Selbstmordversuch unternommen und die Gedanken daran kehren fast täglich wieder - auch wenn sie im letzten Moment immer wieder sagt, dass sie für ihre KINDER UND MICH LEBEN WILL...

Ich bin allerdings etwa 3000 Km entfernt und ihre Familie kann die Situation kaum einschätzen, weil sie einfach schweigt und sich nichts anmerken lässt. Der Einzige, dem sie vertraut, bin ich und IHR HUND an den sie sich im Moment klammert.

Wir sind uns einig darüber, dass sie hier auf der Insel mit mir zusammen leben will und auch sie wünscht sich nichts weiter... Trotzdem meint sie, dass sie erst einmal dafür sorgen will, dass ihre Kinder gut untergebracht sind. D.h. eine eigene Wohnung haben.

Ich habe ihr jetzt angeboten, dass sie erst einmal zu mir kommen kann. Weg von den Problemen, die im Schnelldurchgang nicht zu lösen sind. Natürlich wäre das auch so eine Art Flucht, aber in Anbetracht der Tatsache, dass sie für sich in Deutschland sowieso keine Zukunft sieht, sehe ich keinen Grund, diesen Leidensweg auf diese Art fortzusetzen. Sie soll sich erst einmal erholen und eine positivere Sichtweise bekommen, was sie nach ihren Worten sowieso nur bei mir erreichen kann. Langfristig bleiben wir hier ohnehin zusammen und aufgrund der seit gestern geänderten Wohnungssituation bleiben ihr nicht viele Optionen. Und für ihre Kinder kann sie gar nicht da sein, wenn es ihr nicht gut geht. Sie sind ja auch volljährig und müssen ihr Leben auch selbst in die Hand nehmen.

Sie nimmt keinerlei Medikamente und lehnt diese strikt ab. Weder Antidepressiva, noch sonstige Psychopharmaka. Ich erwarte in ihrem Zustand kein rationales Denken. Aber ich kann auch nicht akzeptieren, dass sie sich komplett fallen lässt und ihre sehr ernste Situation völlig ignoriert.
Sie schwankt mehrmals täglich zwischen schizo-affektiver Psychose und Neurose. Für mich ein klarer Borderline-Fall. Aber ich bin der Meinung, dass es ihr wesentlich besser gehen würde, wenn sie erst einmal ein paar Wochen hier wäre.
Meine Frage ist nun...wie überzeuge ich sie ? Immerhin müsste sie auch ihre Flugangst überwinden...

12.02.2009 14:03 • 16.02.2009 #1


1 Antwort ↓

B
Hallo Peter,

Deine Frage kann Dir wohl niemand beantworten, auch wenn ich verstehen kann, dass Du Dich in Deiner Situation recht hilflos fühlen musst und nach Möglichkeiten suchst, Deiner Bekannten aus dem Internet zu helfen.

Du schreibst Aber ich kann auch nicht akzeptieren, dass sie sich komplett fallen lässt und ihre sehr ernste Situation völlig ignoriert.
Das genau mußt Du allerdings lernen, wenn Du nicht in eine völlige emotionale Verstrickung geraten willst, in eine Art Helfersyndrom, und Du dann Verantwortung für Dinge übernimmst, über die Du weder Macht noch genügend Einfluss hast.

Das einzige, was Du tun kannst, ist wohl, mit Deiner Bekannten offen zu reden/zu schreiben, Ihr Deine Sorgen mitzuteilen und was Du denkst, was richtig für sie wäre und Ihr Deine Hilfe anzubieten.
Dann liegt es alleine in der Verantwortung Deiner Bekannten, ob sie sich darauf einläßt. Du weisst nicht, welche Funktion Ihre Probleme in Ihrem Leben spielen. Meist ist es sehr viel komplexer, als es auf den ersten Moment aussieht. Hilfe kann heute jeder finden, meist wünscht man sich - oberflächlich - auch diese Hilfe - aber wieviele können sich auf so einen Prozess dann auch wirklich einlassen ? - Und das hat Gründe !

Lass mich noch eine ganz persönliche Anmerkung aus meiner langjährigen Erfahrung heraus machen. Es ehrt Dich, dass Du Deine Hilfe anbietest. Es schmeichelt einem sicher auch, wenn jemand anderer einem eine solche Bedeutung im Leben gibt, wie das Deine Bekannte Dir gegenüber jetzt wohl tut. Darin liegt aber schon viel Abgeben von Verantwortung. Und Du musst überlegen, ob Du einen solchen Packen Verantwortung für das Leben eines anderen Menschen wirklich übernehmen willst und vor allem kannst.
Glaube nicht, dass ein Situationswechsel allein eine Veränderung erreicht. Wir nehmen uns selbst überall hin mit !
Mir erscheint Dein Plan deshalb gewagt und auch etwas überstürzt. Wenn Deine Bekannte wirklich etwas für sich tun will, etwas nicht nur oberflächlich verändern will, dann sollte sie das jetzt und in Deutschland tun. Und dann kommt sie m.E. nicht um eine stationäre Behandlung herum. Du solltest Dir unbewußt nicht die Rolle eines Therapeuten oder guten Samariters geben.

Ich hoffe, Du empfindest dies nicht als Kritik, sondern als wohlwollendes Hinterfragen Deiner Ideen und Pläne. Ein ruhiges und tiefgehendes Nachdenken in dieser schwierigen Situation ist allemal sinnvoller, als Aktionismus - es geht schließlich auch um (Dein) Leben und (Deine) Zukunft. Und bekanntlich hat man nur ein Leben, auch wenn viele Menschen dies manchmal übersehen oder nicht so recht wahrhaben wollen.

Herzlichen Gruß

Bernd Remelius

16.02.2009 11:01 • #2





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