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A
Hallo Bernd,

ganz kurz vor dem Hauptthema...war Mitglied einer Alkohlikerfamilie (Vater). Ich wurde sehr früh in den Stand des Erwachsenen berufen, der seine Mutter unterstützt, die Alk. überspielen musste und bis heute versucht mUtter glücklich zu machen und für sie da zu sein (ich bin jetzt 31 und Mutter 52 Jahre).

Bis heute warte ich auf eine Geste, einen Blick ein Wort der Anerkennung und des Eingestehens des damaligen Lebens. Ich weiß, dass das nie geschehen wird...also kopfmäßig ist das klar.

Auch heute ist es so, dass ich das Gefühl habe, für sie dazu sein...nur wenn ich krank bin, erkundigt sie sich nach mir....aber für meine Kinder hat sie recht viel Zeit und wenn ich sehe und in stundenlangen (ok minutenlangen Telefonaten, wie schön es doch mit den Kindern war) höre, wie intensiv sie sich um die Kinder kümmert, dann bekomme ich Wut.

Ich weiß, ich bin auch nicht ihr Sellenmüllabladeplatz, aber jedesmal, wenn sie diesen bestimmten Tonfall hat, fall ich wieder darauf rein. Gebe ich ihr jedoch einen Tip, wird dieser meistens ignoriert. Bei meinem Bruder ist es genau andersherum-was er sagt ist Gesetz.

Ich weiß,dass ich ihr hinterherrenne und doch versuche ich so viel um einmal das Richtige für sie zu tun...und das macht mich so wütend, wütend auf mich selbst-weil ich es nicht schaffe mich von ihr zu lösen und wütend auf sie, weil ich für sie als Tochter nicht wichtig bin...Meistens gipfelt dieser Hass und diese Wut dann in einer Panikattacke...aber eigentlich könnte ich sie schütteln und anschreien,ob sie blind ist,ob sie überhaupt versteht,um was es geht...

Ich komme da nicht raus...

Ich weiß, dass es keine Patentlösung gibt (wäre das toll),aber vielleicht einen Schupser aus der Spirale.

Danke, dass Du Dich bis hierher durch den Artikel gekämpft hast.

Lieben Gruß

angstich

06.03.2011 19:35 • 09.03.2011 #1


1 Antwort ↓

B
Hallo angstich,

ich will versuchen, mich an Deinen Zeilen mit meiner Antwort zu orientieren. Zuvor aber das zentrale Thema: Coabhängigkeit - ein Muster, dass in den meisten Alk. entsteht, besonders wenn es in der Kindheit bereits einen Art Rollentausch gegeben hat. Das Kind wird zum Helfer der Elterngeneration, ist damit letztendlich überfordert, bleibt bei diesem Muster, weil es keine andere Möglichkeit hat, etwas Anerkennung und Nähe zu bekommen. Dieses Muster besteht wie bei Dir oft noch im Erwachsenenalter, weil man nie die Erlaubnis bekam, dass es jetzt genug ist. Diese Erlaubnis kannst und musst Du Dir aber selbst geben und nicht darauf warten, dass sie von Deiner Mutter kommt. Du bist erwachsen, Du hast einen Teil Deiner Kindheit geopfert und DU hast jetzt das Recht zu entscheiden, wann es genug ist. Dabei wirst Du das Kindgefühl (Schuld) noch eine Weile ertragen müssen, bis sich auch auf der emotionalen Ebene etwas verändert - zuerst der Kopf, die Einstellung, das Verhalten - dann mit der Zeit auch das Gefühl.

Kopfmässig ist Dir klar, dass Du das, was Du schon als Kind haben wolltest, nicht von Deiner Mutter bekommen wirst. Trotzdem bist Du wütend. Du bist wütend, weil Du noch immer an dem irrationalen Ich muss das Bekommen, sonst kann ich nicht glücklich sein unbewusst festhältst. Du bist bisher nicht bereit, Deine Forderung an Deine Mutter aufzugeben und selbst Verantwortung zu übernehmen für Dich, Dein Leben und Deine eigne Zufriedenheit. Was ist die rationale Sicht ? - Deine Mutter ist Alk., krank ! und Du erwartest etwas von ihr, was sie gerade nicht leisten kann, sonst wäre sie nämlich nicht krank. Und anstatt Dich zu freuen, dass es ihr im Abstand als Oma besser bei Deinen Kindern gelingt als es bei Dir möglich war und ist, beschwerst Du Dich und sagst letztendlich: Ich mache die Augen davor zu, dass meine Mutter so ist wie sie ist. Sie soll doch gefälligst anders sein. Sie soll keine kranke Alk. sein. Das verstehe ich aus Deiner Sicht. Es wäre aber für Dich besser, die Realität anzuerkennen und nichts zu verlangen, was Deine Mutter nicht wird leisten können - und nicht, weil sie Dich nicht lieben würde, sondern weil sie selbst so funktioniert wie sie nun mal funktioniert, auch wenn es Dir nicht gefällt und es schöner anders wäre.

Und jetzt etwas sehr Wichtiges: Erst wenn Du das akzeptieren lernst, wird es Dir möglich sein, die Schuld, wenn es Dir schlecht geht nicht bei Deiner Mutter zu suchen, sondern selbst dafür verantwortlich zu sein, dass es Dir besser geht. Wenn Du Deine Mutter nicht mehr als Deine Feindin, sondern als arme alte Frau sehen könntest, mit der ich nicht tauschen wollte, wird es Dir möglich sein, Deine eigenen Entscheidungen zu treffen - aus freien Stücken und nicht aus der alten Rolle heraus mit Schuldgefühlen und Wut im Wechsel.

Ich empfehle Dir zwei Dinge, wenn Du Dich mit meinem Ansatz weiter beschäftigen willst: Stöbere mal nach Büchern zum Thema Coabhängigkeit und beschäftige Dich ernsthaft mit diesem Thema. Zum anderen solltest Du, wenn Du mehr Verantwortung selbst übernehmen willst dafür, wie es Dir persönlich geht, den Zusammenhang zwischen Einstellungen, Verhalten und Gefühlen mehr ins Zentrum stellen. Dazu empfehle ich Dir das Buch von Merkle/Wolf, Gefühle verstehen, Probleme bewältigen aus dem PAL Verlag. Es ist nicht leicht, alte Muster abzustreifen, weil sie auch Sicherheit bieten und ein neues Weltbild hat auch seine Tücken und verlangt einiges von einem ab. Aber es lohnt sich, nicht nur zu lesen, sondern auch damit zu arbeiten, an sich selbst, nicht an Anderen.

Liebe Grüße

Bernd Remelius

09.03.2011 16:31 • #2





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