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J
Hallo ihr,

ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich anfangen soll. Vielleicht ersteinmal zu mir:

Ich heiße Jan, bin 16 Jahre alt und besuche seit einigen Tagen die Oberstufe eines Gymnasiums. Meine Kurse bestehen gemischt aus Leuten von meiner alten Schule und mehrheitlich (noch?) völlig Unbekannten. Rein schulisch gesehen läuft auch alles sehr in Ordnung, bis auf die Naturwissenschaften kann ich wie eh und je (auch mündlich) mehr als mithalten.

Wo die Probleme liegen? Ich habe extreme soziale Probleme, beziehungsweise fühle ich mich einfach irgendwie komisch in Anwesenheit anderer Menschen.
So sitze ich in den Pausen zwar (noch? :( ) nicht alleine, bin aber auch nicht wirklich Teil der Gruppe. Während die anderen reden, diskutieren und viel lachen sitze ich meist nur daneben und ringe mir häufig als Alibi ein (für mich zumindest) gequältes Lächeln ab und starre eine Menge durch die Gegend. Dabei ist es nicht so, als wenn es an den Leuten liegen würde oder dass ich nichts mit den Themen anfangen könnte. Ich mache mir nur so unglaublich viele Gedanken darüber, was ich denn einbringen könnte während die Anderen einfach losquatschen können (als wäre es das Normalste von der Welt).

Dazu kommt, dass wenn ich dann rede, häufig extrem leise bin und ein wenig nuschele. Ich komme einfach nicht aus mir heraus, was dazu führt, dass manche Kommentare von mir einfach völlig geschluckt werden. Das ist mir dann immer extrem unangenehm, was die Situation denke ich nur noch verschlimmert.

Im Unterricht ist das völlige Gegenteil der Fall, ich zeige viel auf, bringe mich ein, rede eine Menge, völlig ohne Probleme. Erst wenn es dann um größere Gruppenarbeiten geht habe ich wieder mit den beschriebenen Problemen zu kämpfen.

Die Gründe für mein Verhalten? Keine Ahnung!
Asperger?
Soziale Phobie?
Einfach sehr schüchtern?

Ersteres würde ich tatsächlich fast auschließen, einfach weil ich Gesichter und Emotionen lesen kann und keine Probleme mit Sachen wie Ironie und Redewendungen habe.
Der Verursacher des Ganzen ist denke ich zu einem großen Teil mein mangelndes Selbstwertgefühl. Ich weiß, jeder Mensch ist auf seine Weise perfekt, nur halte ich mich selbst für eine Ausnahme. (ich weiß wie komisch das klingen muss. :-/ ) Weder bin ich sportlich (trotzdem relativ dünn), noch schön (langjährige Akne, riesige Nase, ziemlich tiefe und kräftige Augenbrauen (was mich häufig ziemlich unfreundlich aussehen lassen muss)) noch habe ich sonst irgendwelche besonderen Eigenschaften. Einzig und allein bin ich redegewandt und relativ intelligent, sehe aber nicht, wie mir das bei meinen Problemen helfen soll.

Wie das ganze nach der Schule zu Hause weitergeht? Meist lege ich mich erstmal für ne halbe Stunde hin, einfach weil ich so erschöpft vom langen Schultag bin. (Bus kommt sehr früh, und ist nachmittags dementsprechend lange unterwegs.) Dannach verfalle ich in einen eigenartigen Trott, sitze entweder am Computer, gucke mir irgendwelche Dokus an oder flüchte mich in ein Buch.
Wenn der Tag dann vorbei ist, bin ich froh, mich endlich schlafen legen zu können. Am nächsten Tag das Ganze dann von vorne.

Kontakt mit Gleichaltrigen in meinem Alter habe ich nach der Schule kaum, einfach weil ich keine wirklichen Freunde habe. In Vereinen oder Organisationen bin ich nicht tätig, da unser kleiner Ort leider nichts anbietet, was mich irgendwie ansprechen würde.

Wenn es um spezielle Anlässe geht (Geburtstage, Klassen/Kursfeiern), bin ich zwar anwesend (und nehme mir vorher auch immer vor bzw. wünsche mir, endlich mal ein bisschen aus mir herauszukommen), aber so richtig dabei bin ich trotzdem nicht. Dazu muss ich sagen, dass ich keinerlei Alk. trinke, der über ein/zwei Flaschen B. hinausgeht. (hab Angst vor einem Kontrollverlust über mich selbst)
Ich merke auch, dass ich lockerer werde. Trotzdem gehen die Anderen (wie es denke ich auch völlig normal für dieses Alter ist) wesentlich weiter, sind am Ende nicht mehr wiedererkennbar.
Und dann sitze ich da, ganz der stille Beobachter, und warte nur auf eine Gelegenheit um abzuhauen. Wie gerne ich mit ihnen tauschen würde..

Soweit ich mich erinnern kann, war ich in meiner Kindergarten- und Grundschulzeit auch noch relativ normal drauf - hatte viele Kontake, Freunde, Spaß. Das ganze nahm über die Zeit ab, ich wurde ruhiger, kappte Bekanntschaften. In den letzten beiden Jahren der Unterstufe war ich dann komplett alleine.

Ich hatte es mir so unglaublich stark vorgenommen, auf der neuen Schule gleich einen so viel besseren Start hinzulegen. Neue Menschen kennenlernen und wieder Spaß am Leben finden.
Nur scheine ich dazu unfähig zu sein und bin wieder in das so verhasste Muster gefallen.

Ich habe das Gefühl, meine gesamte Jugend plätschert an mir vorbei. Ohne coole Erinnerungen, ohne Freundin. So viele Erfahrungen, die ich niemals machen werde. So viele verpasste Chancen. :(

Falls überhaupt jemand diese (viel zu langen, das kann man ja niemandem antun. Sorry dafür..) Ausführungen gelesen hat, würde ich mich über jeden Kommentar freuen. Wart ihr vielleicht einmal selber in dieser Situation? Kennt ihr jemanden, der das Gleiche durchmacht? Tipps?

Viele Grüße
Jan

20.09.2014 00:24 • 13.10.2014 #1


3 Antworten ↓


G
Moin Jan.

In vielen deiner Ausführungen kann ich mich fast eins zu eins wiederfinden. Bin z.B. auch für die Oberstufe auf eine neue Schule gegangen, fühlte mich immer fremd unter anderen und habe auch kaum Alk. getrunken, weil ich genau wie du Angst davor hatte die Kontrolle zu verlieren und mich volkommen bloß zu stellen bzw. zu blamieren. Ich wollte immer die Kontrolle behalten, was realistisch betrachtet nicht immer möglich ist .
Bin zwar mittlerweile 8 Jahre älter als du, aber habe in deinem Alter ähnliches erlebt und insbeondere die Angst meine Jugend zu verpassen, kenne ich sehr gut.

Was mir rückblickend wahrscheinlich geholfen hätte, hilft somit vielleicht auch dir.

Ich würde zu aller erst mit deinen Eltern darüber reden wenn du das kannst oder einer anderen Person der du vertraust oder einem Vertrauenslehrer. Vielleicht kannst du dir auch auf eigene Faust professionelle Beratung suchen, erstmal bei deinem Hausarzt oder einem Therapeuten (da hat man immer so 5 unverbindliche Probetermine zum kennenlernen) oder über eine Telefonseelsorge, dass ist vielleicht leichter. Denn da bekommst du meiner Meinung nach bessere Hilfe als in einem Forum, was natürlich ein erster Schritt sein kann, der schon sehr beachtenswert ist.

Ich habe das damals nicht gemacht, weil ich mich extrem geschämt habe und habe erst dann Hilfe gesucht, als ich physisch und psychisch einfach nicht mehr konnte. Diese Vorgehensweise kann ich nicht empfehlen .

Hoffe der Text hilft dir ein bisschen.

Grüße
Gwynplaine

20.09.2014 23:18 • x 1 #2


A


Extrem unsicher - wer bin ich und was möchte ich?

x 3


J
Vielen Dank für die nette Antwort.

Du hast Recht, mir ist es tatsächlich schon schwer gefallen, mir meine Probleme überhaupt einzugestehen. Bisher hatte ich es als eine Phase abgetan (Pubertät, was weiß ich) und gehofft, es würde sich mit der Zeit geben. Daran musste ich zuletzt immer stärker zweifeln und so hab ich erstmal nach einem Weg gesucht, um meine Situation zu reflektieren.

Meine Eltern wären leider so ziemlich die letzten, denen ich mich diesbezüglich anvertrauen würde. Glaube nicht, dass sie mir Verständnis entgegen bringen würden.
Werde mir aber in nächster Zeit zunächst den Tipp mit der Telefonberatung zu Herzen nehmen und mich gleichzeitig mal nach Angeboten in der Region umschauen.

Darf ich fragen, wie dir letztendlich geholfen wurde?

21.09.2014 00:10 • #3


Y
soziophobie 100%

13.10.2014 05:58 • #4





Dr. Reinhard Pichler