Pfeil rechts

M
Feigheit ... oder was sonst?

„ich bin viel zu feige es zu tun“
Das habe ich vorhin irgendwo in einem Angst-Thread gelesen. Und mit „es“ ist gemeint: sich selbst zu erlösen von all den Qualen.

Aber auch ich bin zu feige – vielleicht auch zu kraftlos, zu angstblockiert, zu resignierend -, „es“ zu tun. Ich sitze, liege oder stehe nur – voller Angst – und rede mir ein: das Einfachste ist, auf den Tod zu warten. Bis dahin nichts mehr zu tun als nur das Allernotwendigste -, wie den Gang zur Toilette, ein Bonbon zu lutschen oder sich die Nase zu putzen -, die Hände zu waschen, das Bettlaken gerade zu ziehen – oder eine Spinne zu töten.

Sterben.
Nur nicht hingehen zu jenen, die jedes Leben retten wollen, das eines Selbstmörders wie das eines mit Metastasen durchsetzen Krebskranken.

Vor vielleicht fünfundzwanzig Jahren besuchte ich eine entfernte Verwandte in einem konfessionellen Krankenhaus. Sie lag dort im Sterben wegen eines Schilddrüsen-Carcinoms, das man nicht mehr operieren konnte und das ihr – jetzt im Endstadium – heftige Atembeschwerden bereitete. Als ich kam, schlief sie. Ihr Atem rasselte. Erweckbar war sie nicht. Ich fragte den Stationsarzt, weshalb sie so tief schliefe. Er sagte, sie würden ihr so viele Beruhigungsmittel geben, daß sie unter ihrer Atemnot nicht leiden müsse. Und ich sagte: wenn ich kann, werde ich zum Sterben hierher kommen.

Habe ich neue Blutungen im Gehirn? Ich werde sterben? Heute? Morgen?

Mir werden sie – wohin ich auch zum Sterben verbracht werde – keine vielen Beruhigungsmittel geben. Sie werden mich in Maschinen stecken, um nur ja genau zu wissen, was sie in den Totenschein schreiben müssen. Sie ist tot.
Und wir sind freudig bewegt, mitteilen zu können, woran sie gestorben ist. Dazu haben wir nicht einmal einen Pathologen bemühen müssen.


Feigheit? ---- Angst!

18.07.2010 17:53 • 26.07.2010 #1


50 Antworten ↓

M
Es tut mir leid, einen solchen Text gepostet zu haben. Doch seit Tagen geht es mir wieder einmal besonders schlecht (Dauer-Angst!).

19.07.2010 16:14 • #2


A


Nahtod

x 3


P
Miss Take- bist Du in Therapie?
Lebst Du alleine? Hast Du Hobbies?

19.07.2010 17:06 • #3


M
Ich bin allein
Alt.
Krank – oder eingebildet krank.
Ich habe Angst. Ständig.
Ich kann meine Wohnung nicht mehr verlassen. Nur einmal in der Woche unter großen Antriebs-Hemmungen, wenn ich wieder Mineralwasser brauche. Ich habe versucht, um letzteres nicht so oft zu benötigen, Leitungswasser zu trinken. Aber es stinkt. Es stinkt auch, wenn es abgekocht ist. Also muß ich mich weiterhin mit jedesmal achtzehn Halbliter-Flaschen Mineralwasser abschleppen. Ein paar Sachen zum Essen dazu -, vielleicht auch etwas für den Haushalt (Putzmittel). Und dann aufatmen, tagelang wieder nicht mehr hinausgehen zu müssen.

Ich esse wenig. Aber ich nehme ständig zu. Ich esse nicht zu wenig, was den Grundumsatz herunterfahren könnte.

Ich möchte, daß mir jemand hilft. Viele Versuche, einen solchen Menschen zu finden, mußten scheitern. Diese Menschen sind teuer (Hilfs-Organisationen) oder unsympathisch.

Ich rede zu viel, wenn sich - selten - jemand mit mir unterhält. Sie sagen, man merkt mir nichts an. Nicht meine Angst, nicht meine Trauer. Nicht meine Qualen. Ich rede eben zu viel. Die Menschen sind gewohnt, daß Depressive schweigen. Und weinen. Ich habe noch nie geweint, so lange es mir schlecht geht. Jetzt denke ich manchmal, ich müßte es können. Aber dann dränge ich das Gefühl von Tränen zurück. Nur nicht weinen.

Ich weiß nicht, wie ich mich beschäftigen soll. Doch: ich wüßte einiges. Aber da kommt sofort der Gedanke: wozu? Niemand interessiert sich für mich, niemand für etwas, das ich herstelle – schriftlich oder mit bunten Farben. Meine Finger sind krumm, schwach; meine Arme müde vom Nichtstun. Manchmal nehme ich einen nassen Lappen und wische eine staubige Ecke meiner Wohnung sauber. An meinen Händen platzt die Haut zu blutigen Wunden auf. Nichts Neues -, ich hatte so etwas auch früher -, jetzt allerdings schon lange nicht mehr. Jede aufgerissene Stelle regt zum Reiben an und dazu, die Haut abzuziehen. Salben, die ich in der Hautklinik bekäme, würde ich nicht einkaufen, da sie sehr teuer sind und mit Nebenwirkungen behaftet. Ich habe nie gemacht, was die sagten. Und jetzt würde ich eine Vorstellung dort sowieso nicht mehr schaffen. Hingehen -, hinfahren -, wie schafft man das?


Und eine Therapie?
Hingehen -, hinfahren -, wie schafft man das?



Werde ich lange - so - sterben müssen?

19.07.2010 22:08 • #4


P
Zitat:
Werde ich lange - so - sterben müssen?

Wenn Du Dich nicht aufraffen kannst Dir Hilfe zu holen mit Sicherheit.
Zitat:
Sie sagen, man merkt mir nichts an

Zitat:
Ich möchte, daß mir jemand hilft. Viele Versuche, einen solchen Menschen zu finden, mußten scheitern. Diese Menschen sind teuer (Hilfs-Organisationen) oder unsympathisch.

Na ja, unsympathisch gibt es natürlich, muß aber nicht sein.
Wie wäre es denn, wenn Du selbst ein Ehrenamt (Tafel etc) machen würdest?
Ich vermute mal, durch das alleine sein tut man sich selber dann auch irgendwann mal leid, und dann wird es auch nicht besser sondern schlimmer.
Zitat:
Doch: ich wüßte einiges. Aber da kommt sofort der Gedanke: wozu? Niemand interessiert sich für mich, niemand für etwas, das ich herstelle – schriftlich oder mit bunten Farben. Meine Finger sind krumm, schwach; meine Arme müde vom Nichtstun.

Das könnte anderst werden.

20.07.2010 07:41 • #5


B
Hallo MissTake

Beim Lesen deines letzten Beitrages bin ich sehr nachdenklich geworden.

Ich bin erst gute 50 Jahre alt und bis jetzt auch noch körperlich gesund,
aber vieles von dem was du geschrieben hast, kenne ich auch von mir.

Einkaufen:
Im Eilgang nach tagelanger Überwindung, wenn alle Vorräte leer sind.
Ansonsten die Wohnung nur im Notfall verlassen.

Reden:
Bei der ebenfalls nur sehr seltenen Gelegenheit mit anderen Menschen zu reden, plappere ich auch wie ein Wasserfall (überfordere die Menschen).
Niemand käme auf den Gedanken, dass ich irgendwelche Probleme haben könnte.

Kreatives Tun:
Seit Lebens beschäftige ich mich mit Basteln und kreativen Arbeiten.
Auch Gedichte, Bilder und Kurzfilme (heute am PC) gehören mit dazu.
Natürlich ist niemand da, der diese Dinge sieht oder sich dafür interessiert.
Bisher habe ich es für mich selber tun können, aber nach so vielen Jahren verliere ich nun, Stück für Stück, die Motivation für dieses isolierte Tun.

@pax:

Eine ehrenamtliche Tätigkeit (soweit man dies überhaupt noch kann) ist eine sehr gute Idee.
Ich versuche diesen Weg auch zu gehen, man lernt neue Menschen kennen und ist wieder beschäftigt, vorausgesetzt es funktioniert.

Der Satz Das könnte anders werden ist sehr wohl richtig, aber es ist leider auch ein inhaltsloses auf den Weg schicken ohne greifbare Landkarte.

Viele nachdenkliche Grüsse, Der Beobachter

20.07.2010 10:10 • #6


P
Zitat:
Der Satz Das könnte anders werden ist sehr wohl richtig, aber es ist leider auch ein inhaltsloses auf den Weg schicken ohne greifbare Landkarte

Ich frage mich, warum man in dem Alter jemanden braucht, der einem den Weg zeigt.
Das muß man schon selber wollen, und zwar mit Blick in die Richtung wohin man eben will.

Zitat:
Eine ehrenamtliche Tätigkeit (soweit man dies überhaupt noch kann) ist eine sehr gute Idee.
Ich versuche diesen Weg auch zu gehen, man lernt neue Menschen kennen und ist wieder beschäftigt, vorausgesetzt es funktioniert.

Das wäre ein Inhalt.

20.07.2010 12:53 • #7


M
Zitat von Beobachter:
Hallo MissTake

Beim Lesen deines letzten Beitrages bin ich sehr nachdenklich geworden.

Ich bin erst gute 50 Jahre alt und bis jetzt auch noch körperlich gesund,
aber vieles von dem was du geschrieben hast, kenne ich auch von mir.

Niemand käme auf den Gedanken, dass ich irgendwelche Probleme haben könnte.

.................

Viele nachdenkliche Grüsse, Der Beobachter


Und wie hast Du Dich mit Deinen Problemen arrangiert? Gemeint ist: für Dich persönlich?

Ich kann noch so viel darüber nachdenken (grübeln), eventuell eine Persönlichkeitsstörung zu haben (Narzißmus) und im Gefolge eine reaktive Depression (über meine Störungen und über die Tatsache, natürlich keine Zuwendung erpressen zu können) -, ich kann noch so viel Selbsterkenntnis aufbringen und den guten Willen, zu der Misère meines Lebens die Fehler mit eigenem Verschulden zuzugeben -, und ich kann noch so viel guten Willen aufbringen, an mir selbst zu arbeiten -, evtl. auch mit guten Anleitungen aus Büchern ........................... -, wäre da nicht diese generalisierte Angst mit Attacken, die mich oft aus dem Schlaf hochreißen, - mit Blockaden, das Haus zu verlassen. Und wäre da nicht diese Resignation, doch nichts ändern zu können. Hier entsteht Resignation durch einen Versuch, die Angst in den Hintergrund zu drängen.

20.07.2010 13:34 • #8


B
Hallo MissTake

Meine letzten 10 bis 12 Lebensjahre habe ich mir ähnlichem Grübeln und Nachdenken zugebracht wie du auch, zeitweise nahezu rund um die Uhr.

Was ist mit mir los? Genetisch ererbte Persönlichkeitsstörung? In der Kindheit erlernte Ängste? Zuwendung/Liebe, was ist das?

Seit 2001 bin ich in medizinischer Behandlung, damals zuerst 6 Monate Krankenhaus, heute ambulant.
Mir ist dabei sehr viel bewusst geworden, aber wirklich ändern konnte ich nichts.

Vor gut zwei Jahren hatte ich dann beschlossen, mein Leben mit meinem 50sten Lebensjahr zu Ende gehen zu lassen.
Dieser Entschluss hat dann erstmals dazu geführt, dass ich innerlich zur Ruhe gekommen bin, und auch einen grossen Teil meiner Ängste verloren habe.

Durch diese Ruhe und Angstfreiheit war ich dann in der Lage, meine innere Einstellung zu mir und meinem Leben völlig zu ändern.

Ich habe aufgehört, gegen mein ICH anzukämpfen, und angefangen mein anders sein, meine Ängste und alles was daraus resultiert (Isolation etc.) völlig zu akzeptieren.
Hierbei hilft mir auch eine Meditationstechnik, und gegen die verbleibenden Depressionen nehme ich (vorübergehend) ein Medikament.

Jetzt ist der Druck weg, die Angst weniger, und ich kann so auch wieder in meine Zukunft (wenngleich auch völlig anders als früher gedacht) schauen, und positive Gedanken haben. Enttäuschung, Resignation und Frustration können im Zusammenhang mit meinen Problemen nicht mehr wirklich auftreten.

Viele Betroffene (auch hier im Forum) gehen den umgekehrten Weg.
Sie versuchen immer wieder gegen die Angst (also gegen ihr eigenes ICH) anzukämpfen (z.B. endlose Konfrontation etc.).
Im Einzelfall mag das der richtige Weg sein (z.B. bei benennbaren Phobien oder klaren Auslösetraumata etc.).
Aber in vielen Fällen führt dieser oft jahrzehntelange erfolglose Kampf nur zu weiterer Enttäuschung, und damit zu noch mehr Ängsten (Angst vor der Angst) und in Folge zu Depressionen. Bis alle Kraft zu Ende ist.

Viele Grüsse, Der Beobachter

21.07.2010 10:51 • #9


M
Und wie finde ich wieder ins Leben zurück?


Ob „De-Realisation“ oder „De-Personalisation“ ..., wie gleichgültig sind doch solche Klassifizierungen psychischer Ausnahmezustände. Ich sehe die Welt – und finde sie nicht fremd. Und ich fühle mich doch – und finde mich nicht unbekannt.
Doch was ich an mir beobachte, ist einfach nicht ‚normal’. Dieser Satz ‚ich gehöre nicht mehr in diese Welt’ fällt mir immer wieder ein. In euphorischen Zeiten würde ich mich gelobt haben für solch eine phantasievoll-literarische Formulierung. Heute meine ich: es ist keine Formulierung – ist ist Tatsache.
Denn ...,
was alles gehört dazu, in der realen Welt ein lebendiges Individuum zu sein?

Oh, man hat einen Fernseh-Apparat, den man – regelmäßig oder immer wieder – einschaltet. Man hat (erwachsene) Kinder, die man gelegentlich anruft oder ihnen eine email schickt. Man hat einen Hausarzt, den man aufsucht wegen neuer (oder alter) Beschwerden, so sie einen ängstigen. Man hat ein Telefon, das eingeschaltet ist und auf Anrufe wartet. Man hat Freunde – oder jedenfalls Bekannte -, mit denen man sich (gern) unterhält oder sie sogar manchmal sehen möchte. Man hat Hunger und ißt etwas. Man hat Durst und trinkt etwas. Man hat Bücher und liest in ihnen -, manchmal sogar öfters, wenn sie schwierige oder fachlich-sachliche Texte beinhalten. Man hat Buntstifte und kleine Vorlagen in Aquarell, die man abzeichnen kann. Man hat Stoff- oder Woll-Reste, die man zu hübschen Kissen oder Decken verarbeitet sollte. Man hat einen Photoapparat für besonders ausgefallene Aufnahmen – und einen Computer, auf dem man die Photos in Bildbearbeitungs-Programme steckt und sie dann zu individuellem Einzigartigem macht. Man hat genügend Geld im Portemonnaie, um sich eine langärmelige Bluse zum Verdecken unschöner Haut-Alterung zu leisten. Man hat eine nur kleine Wohnung, aber mit einem schönen Ausblick ins Grüne – und mit dem Singsang vieler Vögel vor dem Fenster. Man hat die Aussicht auf Vollmond und blutrote Sonnen-Untergänge ...

„Man hat ...“ – Man ist reich.

Aber man ist auch „reich“ an vielerlei Störungen – wie Trauer und Angst und Enttäuschung, an Schmerzen und taktilen Sensationen und sichtbaren Zeichen von Krankheiten. Man bemüht sich, in „dieses Leben“ zurückzukehren. Dann kommen die Erinnerungen daran, wie alles einmal früher war. Dann kommt diese Angst vor der Zukunft. Und dann kann man einfach nichts am Verlauf der Dinge ändern. ‚ich gehöre nicht mehr in diese Welt’. Der Fernseher bleibt ausgeschaltet. Das Telefon bleibt weggestellt. Die Bücher werden nicht geöffnet. Der Fotoapparat liegt irgendwo in einer Schublade. Geld wird verschenkt. Vor dem Singen der Vögel verschließt man das Apperzipieren. Man trinkt Notwendiges, aber ißt nichts.
Und man horcht vergeblich an der Tür, ob nicht jemand käme, der einen in die Welt zurückholt. Dabei ist gewiß: du kannst es nur allein.

Vielleicht schaffe ich es morgen?

22.07.2010 15:10 • #10


V
Zitat von MissTake:
Und man horcht vergeblich an der Tür, ob nicht jemand käme, der einen in die Welt zurückholt. Dabei ist gewiß: du kannst es nur allein.

Vielleicht schaffe ich es morgen?

In welche Welt möchtest du zurück? Hast du bereits eine solche erlebt, jenseits der Fernseher und Bildbearbeitungsprogramme, in die zurück zu kehren wünschenswert wäre?

22.07.2010 22:09 • #11


M
Mein Text ist ein Versuch, die reale Welt (das Leben) einer kranken Welt (eingemauert in Angst, verharren, auf der Stelle treten) gegenüberzustellen.

Das Texten an sich
ist ein Versuch der Ablenkung von sinnlosen Grübeleien über (noch) nicht existentes Bedrohliches;
der Versuch einer Angst-Überwindung - wie durch eine Atem-Übung oder eine Art Konfrontation.


Pflegen Sie Ihre Hobbys -- man liest es manchmal.

22.07.2010 22:33 • #12


G
Zitat von MissTake:
Und wie finde ich wieder ins Leben zurück?

Zitat von Robbie, Site Admin:
Altersvorsorge

[... ] Neben der finanziellen Altersvorsorge ist für mich die psychologische Altersvorsorge ebenso wichtig.

Alles Gute Robbie


selbsthilfe-ratgeber-f63/altersvorsorge-t29585.html#p251022

22.07.2010 22:50 • #13


V
Zitat:
... der Versuch einer Angst-Überwindung - wie durch eine Atem-Übung oder eine Art Konfrontation.

Leicht ist der Schmetterling
und leise der wind,
wie Worte,
die keine sind.

; )

23.07.2010 00:04 • #14


V
Zitat von GastB:

Das unmittelbare Gewahrwerden der Urphänomene versetzt uns in eine Art von Angst: wir fühlen unsere Unzulänglichkeit, nur durch das ewige Spiel der Empirie belebt, erfreuen sie uns.. .. Goethe

23.07.2010 00:06 • #15


B
Hallo

Wichtig ist, ein Interesse für die Welt beizubehalten.

Auch ein Hobby (es sollte den Interlekt herausfordern) ist wichtig.

Beides sind Dinge, die man zur Not auch ohne das Zutun der Umwelt machen kann.

Der interessierte Beobachter

23.07.2010 10:11 • #16


M
Folterkammer

Es dauerte Stunden, in denen ich mir immer wieder sagte:
geh’ heute hinaus, dann mußt du es die nächsten Wochen nicht mehr tun;
geh’ einkaufen und danach möglichst noch zur Bank; dann kannst du die nächsten Wochen zu Hause bleiben.

Und es dauerte jedesmal nur Sekunden, bis ich dachte: geh’ nicht, - wer weiß, was dir unterwegs passiert. Noch brauchst du die Butter gar nicht, die du gestern in einem seltenen Anfall von Appetit auf ein Butterbrot vermißt hast -, denn Brot hast du ja auch nicht, um eben Butter darauf zu streichen.
***

Kurz gesagt:
stundenlang nach dem Aufstehen – und schon vorher im Bett – befand ich mich wieder in dieser Folterkammer voller quälerischer Gedanken. Das Druckgefühl auf den Schläfen – eine Folter wie durch Steinwürfe. Die Unruhe hinter dem Brustbein - eine Folter wie durch die Vorboten eines Herzinfarkts. Das Verschwommensehen - eine Folter wie der Beginn der Erblindung bei epiretinaler Gliose.

Gedankensprung:
Und so fühlte ich mich wieder einmal bestätigt in meiner Ablehnung, ein von vielen Psychologen empfohlenes „Angst-Tagebuch zur Angst-Bewältigung“ zu schreiben. Meine Meinung: wozu, was dich ängstigt, auch noch aufschreiben -, etwa auch immer wieder lesen müssen? - Abgelehnt von mir auch: achte auf deine Atmung, wenn du unterwegs bist. Denn das Konzentrieren auf die eigene Person mit all ihren Schwierigkeiten empfinde ich persönlich als ein immer wieder sich zurückziehen in seine psychopathologische Folterkammer.

***
So verlief dann mein Vormittag:

Ich ging einkaufen -, vergaß aber die Butter.
Ich ging zur Bank -, konnte mich aber nicht beherrschen und hob so viel Geld ab, daß ich den Weg dorthin mindestens fünf Monate lang nicht mehr würde gehen müssen.
Ich stand an einem Kiosk wegen der Butter und bekam Margarine – und wußte im selben Moment, daß die Packung längere Zeit nach Ablauf des Haltbarkeitsdatums würde im Müll landen. Ungeöffnet. Aus Appetit-Mangel.

Die ganze Zeit war mir schwindlig und übel. Ich trug eben meine „Folter-Instrumente“ mit mir herum.
Aber e i n e s brachte ich mit nach Hause: schreib’ dir alles von der Seele -, nur erspare dir dabei, allzu viele Angst-Inhalte aufzuführen.
Schreib’ auf, was du unterwegs beobachtet hast -, oder im Hausflur – oder vor deinem Fenster. Kümmere dich um alles dabei, nur nicht um dich selbst.

Und so werde ich nun versuchen, wieder kreativ zu sein und altem Hobby nachzugehen. Ich werde eine Internet-Plattform suchen zum Veröffentlichen eigener Texte. Feedbacks werden mich herunterziehen oder erfreuen. Man wird sehen.

Nur raus aus dieser Folterkammer.

(Bin ich heute so etwas wie „manisch“?)

23.07.2010 14:36 • #17

Sponsor-Mitgliedschaft

M
Zitat von MissTake:
... ... ...
(Bin ich heute so etwas wie „manisch“?)


Nein.
Aber nach meiner Rückkehr ging es mir deutlich besser als sonst.
Es waren einfach die körperliche Betätigung, das Sehen anderer Dinge als nur die eigenen vier Wände, die Ablenkung vom Ich, der Geruch nach Regen - und die Erkenntnis: 'so schnell passiert einem unterwegs nichts Übles'.

Doch morgen

23.07.2010 21:44 • #18


V
Ich gehe jeden Tag zur gleichen Zeit durch die gleichen Straßen. Wie einige Andere auch. Man akzeptiert sich, nickt sich zu, manche grüßen vom Fenster raus, manche registrieren Vorbeigehende nicht. Trotzdem fühlt man eine gegenseitige Bestätigung: noch gehen die Anderen und Ich den gleichen Pflichten und Aufgaben nach. Noch können wir einander freundlich zuwinken.

Butter kann man übrigens erfolgreich einfrieren, Margarine vermutlich auch...

Zitat:
Feedbacks werden mich herunterziehen oder erfreuen.

Ja, daraus kann eine Folterkammer werden.
Und - nein, ich arbeite in keinem Buchverlag... ; )))

23.07.2010 22:07 • #19


M
Zitat von vent:
...

Butter kann man übrigens erfolgreich einfrieren, Margarine vermutlich auch...
...


23.07.2010 22:25 • #20


A


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