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V
Hallo,

ich stottere.
Mit ca. 3 Jahren hat es angefangen und es verläuft mit ständigem Wechsel zwischen stark und nur manchmal.
Bin jetzt fast 30.

Da hier nur flüssig-Sprechende zu finden sind, eine sehr einfache Frage ...

Was wisst ihr über das Stottern ?
Gerne auch in Verbindung mit diesem Forum setzen ...

Es sind hier viele Frauen unterwegs. Ich kann die Aktivierung verschiedener Synapsen nicht beeinflussen, aber lasst doch nur ein Mal dieses elende Gesülz von wir haben uns alle lieb etc. sein. Evtl. schafft es auch nur eine die Realiät zu beschreiben.

03.03.2015 01:26 • 18.04.2015 #1


Hotin
Hallo viva,

Zitat:
Was wisst ihr über das Stottern ?
Gerne auch in Verbindung mit diesem Forum setzen ...


So einfach finde ich Deine Frage nicht. Wie hast Du das gemeint.
Über die Ursachen des Stottern weiß ich eigentlich nichts.
Habe allerdings schon erlebt, das sich das Stottern etwas verbessert,
wenn jemand innerlich ruhiger und ausgeglichener wird.

Kannst du noch etwas genauer beschreiben, was Du wissen möchtest?

Viele Grüße

Hotin

03.03.2015 01:47 • #2


A


Die Sprechenden

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V
Evtl. ein Freudscher Versprecher von Dir
Zitat von Hotin:
Hallo viva,

Über die Ursachen des Stottern weiß ich eigentlich nichts.


Der Rest klingt nach Mutmaßung, oder ?

und was ich wissen mag, .... ganz einfach, .... was weißt du oder ihr über das Stottern.

Einem fällt gar nichts dazu ein, dem anderen sehr viel. Was genau, das ist gefragt.
Deshalb auch eine einfache Frage Was weißt du/ihr über das Stottern

Grüße

03.03.2015 02:36 • #3


P
Warum du diesen letzten Satz so klein schreiben musstest, versteh ich zwar nicht, aber in diesem Forum sind es definitiv die Männer, die nett säuseln anstatt mal tacheles zu sprechen.

Zum Thema: über das Stottern selbst weiß ich auch nichts. Da ich durch meinen behinderten Bruder oft Kontakt zu u.a. auch Stotterern. Ich habe mitbekommen, dass diese genau so wie ein Behinderter aber auch wie ein Ängstler lernen müssen, dass sie nicht in selbstmitleid zerfliesen und eben annehmen, was anzunehmen ist.

Wie ich in deinen Thread interpretiere bist du davon auch noch sehr weit weg.

Ich hatte nämlich keinerlei Bedenken, blöde Gedanken oder sonst was bei all den Stotterern mit denen ich je gesprochen habe.

03.03.2015 08:16 • #4


Schlaflose
Ich habe während meines 20jährigen Dienstes als Lehrerin am Gymnasium mehrere Fälle von Stotterern erlebt. Die haben ganz normal Abitur gemacht. Im Unterricht haben sie sich nicht allzuviel beteiligt, aber wenn sie drangenommen wurden, haben sie immer geantwortet.
Ich hatte sogar einen Kollegen, der Stotterer war. Er hat wohl durch irgendein Training sein Stottern zum großen Teil im Griff gehabt, nur manchmal hat man es ein wenig gemerkt. Er wurde sogar Studiendirektor und musste in dieser Aufgabe viel vor großem Publikum (Kollegen, Eltern) sprechen. Das Stottern hat seinem Selbstbewusstsein keinen Abbruch getan.

03.03.2015 11:56 • #5


kalina
Was ich über das Stottern weiß:

Ich kannte bisher drei Personen näher, die teilweise sehr stark gestottert haben.
Zwei davon stottern heute nicht mehr. Ohne Therapie; sie haben es irgendwie selbst überwunden. Ich glaub einfach durch viel sprechen. Aber genau weiß ich das nicht. Der dritte stotterte auch mit vierzig noch sehr stark, was ihn aber trotzdem nicht daran hinderte eine gehobene Position mit viel Menschenkontakt in einem Unternehmen inne zu haben. Fand ich sehr bewundernswert, wie er damit umging. Sehr selbstbewusst.

03.03.2015 17:56 • #6


V
@päddlmädchen:
Finde es sehr interessant, dass sofort Beleidigungen kommen.
Die Formulierung in kleiner Schrift spiegelt die Realität wieder.
Wenn man als Stotterer mit Frauen (über) das Thema an/bespricht, dann kamen bisher ständig die ist doch nicht so schlimm etc. Formulierungen. Tja und das steht eben im krassen Gegensatz zur Realität.

kurzes Beispiel:
Das Kennenlernen in einer Bar o.ä.. Frauen sprechen Männer mit non-verbalen Gesten Interesse an, worauf der Mann reagiert (=Ansprechen bzw. Anmachen). Wer da stottert, soll's bleiben lassen. Da muss alles passen (verbal + non-verbal), sonst verläuft das sehr schnell im Nichts.

Quelle(n): Eigenerfahrung(en) + Erlebnissen von Freunden.


Zitat von Schlaflose:
Ich habe während meines 20jährigen Dienstes als Lehrerin am Gymnasium mehrere Fälle von Stotterern erlebt. Die haben ganz normal Abitur gemacht. Im Unterricht haben sie sich nicht allzuviel beteiligt, aber wenn sie drangenommen wurden, haben sie immer geantwortet.
Ich hatte sogar einen Kollegen, der Stotterer war. Er hat wohl durch irgendein Training sein Stottern zum großen Teil im Griff gehabt, nur manchmal hat man es ein wenig gemerkt. Er wurde sogar Studiendirektor und musste in dieser Aufgabe viel vor großem Publikum (Kollegen, Eltern) sprechen. Das Stottern hat seinem Selbstbewusstsein keinen Abbruch getan.


Vielen Dank für diesen Beitrag. Das kann ich nur unterschreiben.
Besonders,...
Zitat von Schlaflose:
Im Unterricht haben sie sich nicht allzuviel beteiligt, aber wenn sie drangenommen wurden, haben sie immer geantwortet.

wobei allerdings die anderen Beteiligten (Schüler und Eltern der Schüler) diesen einfachen Zusammenhang kaum hinbekommen.
Da ist man komisch oder wird das Wort ruhig inflationär benutzt.
Und wenn jetzt die Mütter der anderen Schulkinder ins Spiel kommen, ... naja, der Satz in Kleinschrift wieder.

@schlaflose:
Hast du aus deiner Erfahrung eine Vermutung o.ä., ob die Stotterer ein viel höhere Selbstreflektion als die anderen haben ?


Was ich als Betroffener bisher (Privatleben,Schule,Ingenieurstudium, Arbeit) gelernt habe, ist, dass man die Nicht-Betroffenen niemals auf Zusammenhänge zwischen dem Symptom und den Auswirkungen aufmerksam machen darf. Die Reaktionen sind verheerend, nämlich..... nichts.
Leere Augen.
(z.B. einer Frau das obige Beispiel mit dem Kennenlernen versuchen zu erklären)

Evtl. kommen noch weitere Beispiele/Erzählungen usw was ihr über das Stottern wisst.

03.03.2015 20:06 • #7


Schlaflose
Zitat von viva:
@schlaflose:
Hast du aus deiner Erfahrung eine Vermutung o.ä., ob die Stotterer ein viel höhere Selbstreflektion als die anderen haben ?


Das weiß ich nicht.
Ich muss aber ehrlich gestehen, dass ich es persönlich nicht ertragen kann, Stotterern zuzuhören. Mir ist das total peinlich.
Das liegt aber wohl daran, dass ich eine soziale Phobie habe und dabei mein größtes Problem ist, vor Leuten zu sprechen, obwohl ich nicht stottere. Ich habe deswegen auch meinen Beruf als Lehrerin aufgegeben, weil die ständige Überwindung, vor den Schülern, aber vor allem vor bei Elternabenden vor Eltern reden zu müssen, extreme Schlafstörungen verursacht hat.
Und auch die Tatsache, dass in den letzten Jahren das Referatehalten von Schülern zur Pflicht geworden ist, hat mich total überfordert. Ich konnte das gar nicht ertragen, die da vorne stehen zu sehen und mitzuerleben, dass sie vor Angst zitterten, ihnen die Stimme versagte, sie ihren Text vergaßen etc.

04.03.2015 09:35 • #8


V
Hi,
Also bei meinem Bruder war das so, dass er als Kleinkind extrem gestottert hat. Er war auch extrem hyperaktiv, mit der Diagnose ADHS waren die Ärzte schnell zur Stelle und wollten Ritalin geben, aber meine Mutter wollte das nicht. Dann hatte die Mutter von ner Schulfreundin von mir damals mal den Tipp gegeben, dass es vlt der Atlaswirbel sein könnte. Meine Mutter ist dann mit meinem Bruder nochmal los, frag mich jetzt aber nicht zu welchem Facharzt oder Orthopäden oder so.. Aber der hat dann den Wirbel eingerenkt und SOFORT war das Stottern weg. Da war mein Bruder so 5 glaub ich. Und von Hyperaktivität war auch nie mehr was zu merken, heute (jetzt 19) ist das der ausgeglichenste und ruhigste Kerl, den ich kenne. Hat nie wieder gestottert.
lg

04.03.2015 09:49 • #9


P
Zitat von viva:
@päddlmädchen:
Finde es sehr interessant, dass sofort Beleidigungen kommen.



Wo liest du da eine Beleidigung? Das würde mir im Traum nicht einfallen. Warum auch?


Zum Thema Frauen: Ja. Damit muss ich dir leider recht geben. Es heißt überall, Oberflächlichkeit wäre doof und wir alle wären ja üüüüüberhaupt nicht oberflächlich, aber das ist leider! Quatsch. Gerade Frauen legen SEHR viel Wert auf die Oberfläche. Da darf der Mann gern ein A*loch sein, hauptsache er weist keinen äußerlichen Makel auf.

Aber ich möchte dir dennoch Mut machen. Auch wenn viele Menschen so sind, sind nicht Alle so. Es ist schwer, eine Partnerin zu finden, wenn man einen Makel hat, aber nicht unmöglich. Und die Partnerin, die damit klar kommt, ist genau die Richtige. Die Suche lohnt sich also.

Ich revidiere: Nicht die, die damit klar kommt, sondern die, die dich gerade deswegen und/oder eben deswegen erst Recht mag, ist die Richtige.

04.03.2015 10:19 • #10


Schlaflose
Das Kleindruckte habe ich ja jetzt erst entdeckt. Ich dachte, das sei nur so eine Signatur.
Es gibt übrigens auch stotternde Frauen. Und der Kollege, von dem ich sprach, ist verheiratet und hat 5 Kinder.

04.03.2015 13:01 • #11


V
Erstmal vielen Dank für die ganzen Meldungen bisher.

Danke auch die die glaub schon ehrlich gemeinten Beiträge (Danke Anonymität), denn falls ich mit Leuten (Mann,Frau) darüber spreche, dann kommen definitiv nicht solche Erklärungen oder Beschreibungen.
z.B. soetwas wie von paddlemädchen.

Zitat von Schlaflose:
Zitat von viva:
@schlaflose:
Ich muss aber ehrlich gestehen, dass ich es persönlich nicht ertragen kann, Stotterern zuzuhören. Mir ist das total peinlich.


Das merkt jeder der stottert sofort.
Meine alte Lehrerin in der Sprachheilschule meinte sogar, dass diese Scham für die Zuhörer im Allgemeinen größer ist als für die Betroffenen.
Ja gut, ich kann eben jetzt gut Gesichter lesen. Aber bringen tut es halt wenig, weil ich schnell weiß, dass die Mimik nicht zum Gesagten passt. (Wenn man stottert und schaut dabei dem Gegenüber ins Gesicht/die Augen erlebt man einen regelrechten Film)

Falls jemand Kontakt mit stotternden Menschen hat oder sich einfach mehr über diese Sache informieren will, dem sei diese Zusammenfassung empfohlen:
http://www.pro-voce.de/_dateien/Benecke ... uation.pdf
(Ist zu 70-80% komplett richtig)

Eine Frage mal,

-wenn jmd. im Rollstuhl sitzt und sich fortbewegen will, dann hilft man ihm mit Schieben, Türen aufhalten, Sachen tragen, etc.
-wenn jmd. blind ist, dann hilft man ihm mit Beschreibungen von Dingen, Wege erklären, etc.
-wenn jmd. stottert, dann hilft man ihm mit .......... ?

Was ist eure Meinung dazu ?

05.03.2015 09:31 • #12


R
Zitat von viva:
-wenn jmd. stottert, dann hilft man ihm mit .......... ?


Geduld haben beim Zuhören, ihn ausreden lassen.

05.03.2015 09:35 • #13


P
Mich würde jetzt von dir interessieren, wo genau du ein Problem hast?

Einerseits - verständlicherweise - wenn es um deine Außenwirkung geht. Insbesondere bei Frauen. Dass das ein Problem ist: Nachvollziehbar.

Aber erzähl uns doch mal ein bisschen von dir. Wie lebst du mit dem Stottern? Wie geht es dir damit? Wo sind deine Probleme? Welche Art von Hilfe würdest du dir wünschen?

05.03.2015 10:28 • #14


V
Zitat von Schlaflose:
Es gibt übrigens auch stotternde Frauen.

Obwohl ich mich vielen anderen Betroffen unterhalten habe (über den BVSS), war nie eine Frau dabei.
Würde ich sehr gern mal machen, nur, ... wo sind sie ?

Zitat von Schlaflose:
Und der Kollege, von dem ich sprach, ist verheiratet und hat 5 Kinder.

Der Wert eines Menschen war früher höher als heute.
Mit dem Interneteinfluss (allg. Medien) und den neuen Familienmodellen oder Möglichkeiten der Partnerschaft hat sich einiges dramatisch verändert.
So wird alles unnormale stärker als zuvor aussortiert.
Beispiel: Pflege- oder Altenheime oder Behindertenstätte/heime.

Zitat von Rohdiamant:
Zitat von viva:
-wenn jmd. stottert, dann hilft man ihm mit .......... ?


Geduld haben beim Zuhören, ihn ausreden lassen.


exakt. Danke für die treffende Antwort.
Das steht eben im totalen Widerspruch zur heutigen, schnelllebigen Welt.

Zitat von Paddlmädchen:
Mich würde jetzt von dir interessieren, wo genau du ein Problem hast?
Einerseits - verständlicherweise - wenn es um deine Außenwirkung geht. Insbesondere bei Frauen. Dass das ein Problem ist: Nachvollziehbar.
Aber erzähl uns doch mal ein bisschen von dir. Wie lebst du mit dem Stottern? Wie geht es dir damit? Wo sind deine Probleme? Welche Art von Hilfe würdest du dir wünschen?


Früher als kleines Kind dachte ich, dass ich das Problem bin (bin ja schließlich negativ aufgefallen). Wurde mir auch gesagt, dass ich komisch bin.
Was mich vom Gegenteil überzeugt hat, war einerseits mein Erfolg (Abitur geschaft, Master of Engineering in Wirtschaftsingenieurwesen, mich in Nürnberg und Berlin durchgesetzt (Studienzeit), Vorlesungen/Tutorium gehalten, Freundinnen gehabt (mit allem drum und dran ^^) und mit viel Konditionssport das Stottern in den Griff bekommen zu haben.

Bei Bewerbungen oder beim Kennenlernen von neuen Leuten sag ich oft nen kurzen Satz zu meiner Behinderung.
Aber hier kommt das Problem.
Die meisten sagen, macht nichts o.ä. 2 Tage später sind sie aber verwundert, weil ich auf eine Aussage entweder nicht antworte (Als Stotterer hat man nicht immer die Lust zu reden) oder es kommt zu der Reaktion, die Schlaflose schon erwähnte. Scham. Wegdrehen, Wegschauen, Weggehen.
Der Chef meiner letzten Arbeitstelle meinte, man hätte sich erst daran [das Stottern] gewöhnen müssen, dann war es aber nicht schlimm
D.h. die meisten lügen nur etwas vor (reales Verhalten ist ganz anders) oder können es nicht verstehen oder es ist Ihnen völlig schnuppe.

Meine letzte Freundin, der ich es anfangs sagte, lachte mich eines Tages völlig aus, weil ich an diesem Tag stärker Probleme als zuvor hatte. Das legte bei mir den Schalter um.

Hilfe ?
Nach dem Film The King's Speech war von vielen zu hören, was für ein toller Film, was für eine tolle Schauspielerleistung.
Doch es ist real, kein Film, keine Fiction.
Und das Lob hielt paar Tage, dann ging es wieder wie zuvor.
Interessant auch, dass bei Gesprächen zwischen Nichtbetroffenen ein äh,äh,...ähm, also beim Anderen als Stottern angesehen wird. Ist es aber nicht.
Eine Hilfe ist nicht möglich. Das weiß ich aus Erfarhungen. Man kann Stunden vor Leuten sitzen, ... erklären, beschreiben, etc. ...
doch wer die 1. Intelligenz, das Sprechen, kaum oder schlecht kann, wird immer an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Erklärung liegt in dem sehr einfachen fertig machen. Das Opfer kann sich ja kaum/gar nicht wehren.
Ausgenommen diejenigen, die eine andere Muttersprache haben.

Die Hilfe können sich Betroffene nur selbst geben:
Das Leben nach ihren Vorstellungen zu genießen und auf einen Großteil der anderen Menschen zu verzichten.
oder: lieber in der radikalen Realität leben als ein Leben voller Euphemismus.

Die Selbsthilfe (wenn der Betroffene zu sich selbst sagt, ich habe das und das hinbekommen o.ä.) ist viel viel mehr Wert, als die Meinung der anderen.
Falls der Betroffene das nicht schaffen sollte, dann steht es um ihn sehr schlecht.
Die anderen können die Leistung (mindestens das doppelte eines normalen) gar nicht einschätzen oder einordnen.
z.B. der erwähnte Schuldirektor
Zitat von Schlaflose:
Ich hatte sogar einen Kollegen, der Stotterer war. Er hat wohl durch irgendein Training sein Stottern zum großen Teil im Griff gehabt, nur manchmal hat man es ein wenig gemerkt. Er wurde sogar Studiendirektor und musste in dieser Aufgabe viel vor großem Publikum (Kollegen, Eltern) sprechen.

großartig, Respekt !

05.03.2015 11:38 • #15


Fantasy
Zitat von viva:
Meine letzte Freundin, der ich es anfangs sagte, lachte mich eines Tages völlig aus, weil ich an diesem Tag stärker Probleme als zuvor hatte. Das legte bei mir den Schalter um.

Wie bitte?! Also, da fehlen mir ehrlich die Worte...
Ich habe Rehabilitationspädagogik studiert (ist vergleichbar mit Heilpädagogik) und meine 2. (ergänzende) Studienrichtung ist Sprachheilpädagogik. Ich habe in dem Bereich zwar nur mal ein Praktikum in einer Praxis für Sprachheilpädagogik gemacht und sonst mehr im Bereich meines Hauptstudienschwerpunktes (Frühförderung), aber ich habe sowohl dort als auch im Privaten mit stotternden, als auch polternden (das gibt es nämlich auch noch und bereitet ähnliche Probleme) Menschen zu tun gehabt. Und gerade während meines Praktikums habe ich auch eine Frau kennengelernt, die unter Tränen berichtet hat, dass sie keine Telefonate mehr führt, weil ihre Telefonpartner einfach immer auflegen würden, weil sie sich von ihr am Telefon entweder veräppelt fühlen würden oder nicht die Geduld hätten, ihr zuzuhören. Ich finde sowas echt eine Unverschämtheit.
Ein bißchen mehr Einfühlungsvermögen und Verstand könnte man von seinen Mitmenschen schon erwarten, finde ich...

05.03.2015 12:01 • #16


P
Zitat von viva:

Die meisten sagen, macht nichts o.ä. 2 Tage später sind sie aber verwundert, weil ich auf eine Aussage entweder nicht antworte (Als Stotterer hat man nicht immer die Lust zu reden) oder es kommt zu der Reaktion, die Schlaflose schon erwähnte. Scham. Wegdrehen, Wegschauen, Weggehen.
Der Chef meiner letzten Arbeitstelle meinte, man hätte sich erst daran [das Stottern] gewöhnen müssen, dann war es aber nicht schlimm
D.h. die meisten lügen nur etwas vor (reales Verhalten ist ganz anders) oder können es nicht verstehen oder es ist Ihnen völlig schnuppe.


Hier ist das Problem wohl eher die Unwissenheit der Menschen. Ich wüsste jetzt auch nicht unbedingt auf ein Schweigen zu reagieren. Ich würde wahrscheinlich anfangs auch in's Wort fallen, Sätze beenden. Wenn ich darüber nachdenke ist das eine dämliche Reaktion, aber passieren würde es mir wahrscheinlich dennoch.


Inklusion: Ja, ich muss sagen, ich dachte auch, es würde besser werden, dass Menschen mit Handicap besser integriert werden, gerade wenn man eben keine offensichtliche Behinderung (wie der von dir erwähnte Rollstuhl) hat, ist es aber heutzutage eher echt noch schlimmer geworden. Man kann IN der Gesellschaft leben, ohne dass man - wie früher - gedemütigt und ausgelacht wird (gibt es bestimmt auch noch, aber nicht mehr so extrem, wie früher), aber man kann nicht MIT der Gesellschaft leben.

Eltern wollen, das solche Kinder auf spezielle Schulen gehen. Arbeitgeber wollen solche Menschen nicht einstellen, Partner wollen den perfekten, fehlerfreien Gegenpart. Es gibt Wohnheime und Werkstätten und Singlebörsen für Hirn- und Herzlose.

Also: JA. Ich verstehe dein Problem schon.

ABER: Einerseits hört man raus, dass du stolz auf dich bist. Was gut und wichtig ist. Andererseits hört man den Frust über die Tatsache, dass die Menschen eben so sind, wie sie sind. Das können wir leider nicht ändern. Aber ich kann dir etwas sagen: Es gibt auch normale Menschen. Verständnisvolle. Liebenswerte. Respektvolle. Nicht viele. Aber doch.

Man muss sie eben finden. Das ist bei Freunden so. Bei Partnern. Bei Arbeitgebern. Also versuche, dich darauf zu konzentrieren, die richtigen Leute zu finden und dich nicht so sehr über die vielen, vielen falschen aufzuregen. Es hat leider! eh keinen Zweck...

05.03.2015 12:32 • #17

Sponsor-Mitgliedschaft

V
Zitat von Paddlmädchen:
Zitat von viva:

....


Hier ist das Problem wohl eher die Unwissenheit der Menschen. Ich wüsste jetzt auch nicht unbedingt auf ein Schweigen zu reagieren. Ich würde wahrscheinlich anfangs auch in's Wort fallen, Sätze beenden. Wenn ich darüber nachdenke ist das eine dämliche Reaktion, aber passieren würde es mir wahrscheinlich dennoch.


Nein, nicht die Unwissenheit. So reden sich sehr viele ständig heraus.
Es fehlt schlicht an der kognitiven Fähigkeit.

Dinge mit Sinne aufnehmen - Informationsverarbeitung - Informationsausgabe

Deshalb auch weiter oben das Beispiel mit dem Rollstuhlfahrer. Das Handeln der normalen ist teilweise antrainiert (Konditionierung), teilweise schaffen es manche mit der kognitiven Fähigkeit von alleine.
Bei Sprachbehinderten (Stottern, Poltern, etc.) scheint es was völlig anderes zu sein.
In deinem Fall, paddlemädchen, ist die einzige richtige Reaktion auf den Betroffenen zuzugehen und Magst was sagen, [Name] o.ä. zu sagen.
Allerdings versagt sehr häufig die kognitive Fähigkeit der Normalen dabei, d.h. sie wissen, dass die Person sprachliche Behinderungen hat, können aber den Zusammenhang zwischen der Behinderung und der Unlust (oder Angst zu sprechen in diesem Moment) gedanklich nicht erschließen. Was als Reaktion kommt, ist der Gedanke des komischen, unnormalen.
Was aber nicht verwunderlich ist, denn das zerstörerische Denken ist viel einfacher und schneller vorhanden als das Aufbauende oder Analytische.

Zitat von Paddlmädchen:

Inklusion: Ja, ich muss sagen, ich dachte auch, es würde besser werden, dass Menschen mit Handicap besser integriert werden, gerade wenn man eben keine offensichtliche Behinderung (wie der von dir erwähnte Rollstuhl) hat, ist es aber heutzutage eher echt noch schlimmer geworden. Man kann IN der Gesellschaft leben, ohne dass man - wie früher - gedemütigt und ausgelacht wird (gibt es bestimmt auch noch, aber nicht mehr so extrem, wie früher), aber man kann nicht MIT der Gesellschaft leben.

Eltern wollen, das solche Kinder auf spezielle Schulen gehen. Arbeitgeber wollen solche Menschen nicht einstellen, Partner wollen den perfekten, fehlerfreien Gegenpart. Es gibt Wohnheime und Werkstätten und Singlebörsen für Hirn- und Herzlose.

richtig.
Wobei das mit den speziellen Schulen keine schlechte Sache ist. Dort wird intensiv das Problem analysiert und eine Lösungsvariante erarbeitet.
Falls ein sprachbehindertes Kind auf den heutigen Mob aus Internet/IPhone-abhängigen Pseudo-Gangster und -Topmodels losgelassen wird, kann er/sie ganz schnell enden wie im Fall des Films Homevideo. Es ist aber noch krasser als dort gezeigt, weil sich das Kind verbal nicht verteidigen kann.
Deshalb, um etwas Sicherheit in dem Kind aufzubauen, ist z.B. eine Sprachheilschule nicht verkehrt.
Ein anderes Problem sind dabei aber die Eltern. Das ist aber eine anderes Thema.

Zitat von Paddlmädchen:
Also: JA. Ich verstehe dein Problem schon.

ABER: Einerseits hört man raus, dass du stolz auf dich bist. Was gut und wichtig ist. Andererseits hört man den Frust über die Tatsache, dass die Menschen eben so sind, wie sie sind. Das können wir leider nicht ändern. Aber ich kann dir etwas sagen: Es gibt auch normale Menschen. Verständnisvolle. Liebenswerte. Respektvolle. Nicht viele. Aber doch.

Man muss sie eben finden. Das ist bei Freunden so. Bei Partnern. Bei Arbeitgebern. Also versuche, dich darauf zu konzentrieren, die richtigen Leute zu finden und dich nicht so sehr über die vielen, vielen falschen aufzuregen. Es hat leider! eh keinen Zweck...


Tja, das weiß man immer erst kurz vor dem Tod.
Wer war wirklich ein (guter) Freund/Parter/etc. im/für das Leben und waren die Entscheidungen gut oder schlecht ?

Wobei,
ich darf, kann, muss auf die Gesellschaft schimpfen, weil ich eine Behinderung habe, die mich im alltäglichen Leben einschränkt.
Und da jeder so sozial tut, kann ich ihm getrost den Spiegel vor die Nase setzen.

Was anderes seit ihr hier, also all diejenigen, die wohl keine sprachliche Behinderung haben, aber eine psychische Blockade/Entwicklungsverzögerung oder -störung. Bei euch allen funktioniert das Sprachzentrum, die Lautbildung- und ausgabe einwandfrei.
Ihr braucht nur (viel mehr) den Kontakt mit Gleichdenkenden.
Also,...
Das Maul aufmachen. ........ Ich stottere. ........ Du nicht.

06.03.2015 16:12 • #18


U
Hallo,
bitte hört auf mit Laienpsychologie unhaltbare Thesen aufzustellen.
Jeder Mensch, mit oder ohne Behinderung, mit oder ohne Krankheit, ist individuell. Was für den einen gilt, muss für den anderen nicht das Gleiche bedeuten. Es wird unterschieden zwischen kindlichem Stottern und Stottern im Erwachsenenalter. Van Riper war eine Koryphäe in Kindersprache und kindlichem Stottern, der sich später dem Stottern im Erwachsenenalter zugewandt hatte. Kurz vor seinem Tode sagte er, er hätte besser beim kindlichen Stottern bleiben sollen, dann hätte es keine erwachsene stotternde Menschen gegeben.
Wer Zahnschmerzen hat geht zum Zahnarzt. Wer stottert geht zum Logopäden. Stottern ist ein Fachgebiet der Logopädie. Und es gibt gute Ansätze, das Stottern in den Griff zu bekommen. Stottern kann so schlimm sein, dass betroffene Menschen niemals in eine Bäckerei gehen, sondern in den Supermarkt um nicht sprechen zu müssen. Wenn du siehst, wie sich ein stotternder Mensch bemüht in drei Minuten das Wort Brötchen zu artikulieren und seine Sekundärsymptomatik ihn zu beherrschen scheint, willst du ganz schnell raus aus dieser Situation. Diese Menschen haben kein soziales Umfeld, sie vereinsamen. Menschen, die stottern, vermeiden sprechen. In der logopädischen Therapie geht es u.a darum, das Vermeiden zu vermeiden. Im übrigen sprechen wir niemals von Stotterern. Das ist diskriminierend. Wenn tonisches Stottern zu klonischem Stottern wird ist es tatsächlich Zeit einen Logopäden aufzusuchen. Stottern zählt neben dem Poltern zu den Redeflussstörungen. Wenn der Leidensdruck hoch ist, muss die Entscheidung zum Logopäden zu gehen ganz alleine vom Betroffenen ausgehen. Aber es lohnt sich immer. Andreas Starke, einst selbst ein stotternder Mensch, erklärt im übrigen einiges auf seiner Website.
Danke für's Lesen
uRiAh

06.03.2015 17:54 • #19


V
Zitat von uRiAh:
Hallo,
bitte hört auf mit Laienpsychologie unhaltbare Thesen aufzustellen.
Jeder Mensch, mit oder ohne Behinderung, mit oder ohne Krankheit, ist individuell. Was für den einen gilt, muss für den anderen nicht das Gleiche bedeuten. Es wird unterschieden zwischen kindlichem Stottern und Stottern im Erwachsenenalter. Van Riper war eine Koryphäe in Kindersprache und kindlichem Stottern, der sich später dem Stottern im Erwachsenenalter zugewandt hatte. Kurz vor seinem Tode sagte er, er hätte besser beim kindlichen Stottern bleiben sollen, dann hätte es keine erwachsene stotternde Menschen gegeben.

und nach diesem sehr zutreffenden Absatz (erste Satz mal weggelassen) kommt die Aussage
Wer Zahnschmerzen hat geht zum Zahnarzt. Wer stottert geht zum Logopäden.
Also ich weiß jetzt nicht wer ein Laienpsychologe ist....

Zitat von uRiAh:
Wer Zahnschmerzen hat geht zum Zahnarzt. Wer stottert geht zum Logopäden.

Bitte aufpassen, so einfach ist es nicht.
Ich selbst hatte Phasen, wo es gar nicht auftrat. Tagelang, monatelang. Ansonsten hätte ich niemals das Studium geschafft.
Mein Cousin stottert auch. Er machte nach der Schule eine Ausbildung und seither hat sich sein Redefluss deutlich ! gebessert.
Er machte nie eine Therapie, nie eine Logopädie. Er hatte Erfolg und erarbeitete sich seine eigene Zukunft.
Der Erfolg (Beruf,Liebe) ist oftmals eine viel stärker wirkende Heilung als eine Therapie.
Gleichzeitg ist aber die Fallhöhe zu beachten.
Wer seinen Job verliert oder vom Partner verlassen wird, kann - obwohl er/sie niemals eine Sprachbehinderung hatte - mit dem Stottern o.ä. anfangen.
Im BVSS sprach ich mit Leuten, die Therapien machten, aber das Stottern oder Poltern nicht verbessert wurde. Ein Therapie oder Logopädie ist nicht 100% erfolgsversprechend.

Deshalb ist die Gleichung von dir auch sehr gefährlich falsch.

Es zählt der Wille des Betroffenen sich mit seiner Situation intensiv zu beschäftigen. Die Hilfe von Außen (Logopädie) kann ihm/ihr nur beim Verbesserungsprozess des Sprechens helfen.
Jeder Stotterer kann sprechen, nur der Redefluss ist unterbrochen !
Das Sympton ist keine Krankheit, die mit ein paar Mittelchen zu heilen ist.
Es begleitet die Betroffenen oftmals bis ans Lebensende.

Bitte aufpassen vor solchen einfachen Aussagen, die sehr falsche Zusammenhänge entstehen lassen.
Ich kenne solche zu Genüge, denn im Volksmund ist soetwas weit verbreitet.

Kleiner Einschub:
Nach einem Schlaganfall kann es vorkommen, dass das Sprachzentrum irreparabel geschädigt wurde. Dieser Betroffene kann dann wirklich nicht mehr sprechen (Aphasie).
≠ Stottern

Zitat von uRiAh:
Stottern ist ein Fachgebiet der Logopädie. Und es gibt gute Ansätze, das Stottern in den Griff zu bekommen. Stottern kann so schlimm sein, dass betroffene Menschen niemals in eine Bäckerei gehen, sondern in den Supermarkt um nicht sprechen zu müssen. Wenn du siehst, wie sich ein stotternder Mensch bemüht in drei Minuten das Wort Brötchen zu artikulieren und seine Sekundärsymptomatik ihn zu beherrschen scheint, willst du ganz schnell raus aus dieser Situation. Diese Menschen haben kein soziales Umfeld, sie vereinsamen. Menschen, die stottern, vermeiden sprechen. In der logopädischen Therapie geht es u.a darum, das Vermeiden zu vermeiden. Im übrigen sprechen wir niemals von Stotterern. Das ist diskriminierend.
uRiAh


Bis auf die letzten beiden Sätze alles richtig.
Wer aber Angst hat die Dinge beim Namen zu nenen, der erschafft sich eine Parallelwelt.
Es ist nicht diskriminierend einen stotternden Menschen Stotterer zu nennen, es ist diskrimierend ihn/sie falsche Hoffnungen zu machen und nicht die Realität zu zeigen oder zu beschreiben.

@uRiAh
Bist du Logopäde/Betroffener/.... ?

08.03.2015 14:01 • #20


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