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Dann sind sich stottern und Ängste in ihrer Auswirkung, wie auch in den Erfolgschancen der Heilung, anscheinend ziemlich ähnlich?!

Ich möchte außerdem noch eines sagen: einem Rollstuhlfahrer hilft man nicht. Man schiebt ihn nicht rum und hält ihm keine Türen auf. Das ist respektlos. Wenn dann hat man vorher zu fragen. Etwas was die meisten Leute leider nicht tun. Nicht aus Böswilligkeit, sondern aus Gedankenlosigkeit. Nicht mal weil sie sich vielleicht nie Gedanken drüber machen würden. Eher weil sie sich in die Situation des anderen nicht wirklich rein versetzen können.
Und derselbe Grund ist es bei den meisten, die sich Stotterern (und allen anderen Behinderten) gegenüber falsch verhalten. Sie tun das, was sie tun, spontan, ohne groß drüber nachzudenken. Und mal ehrlich, kann man ihnen das wirklich immer verübeln? Kann man wirklich erwarten, dass alle Menschen immer und ständig auf die individuellen Erfordernisse jedes anderen Menschen eingehen? Meiner Meinung nach nicht!

Ja das sage ich als Sprechende. Und gleichzeitig als Sehbehinderte, deren Mann Stotterer war als sie ihn kennen lernte.

08.03.2015 14:36 • x 1 #21


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Zitat von Odile:
Dann sind sich stottern und Ängste in ihrer Auswirkung, wie auch in den Erfolgschancen der Heilung, anscheinend ziemlich ähnlich?!


So kann man es sehen, ja.

Man könnte es so formulieren:
Der Kern der Angst lässt sich nie zu 100% besiegen.
Angst ist ein großer Antrieb für einen Menschen.

Das Problem lässt sich temporär unterdrücken oder kaschieren. Die Zeitdauer ist nicht bekannt.
Es braucht nur ein Schlüsselerlebnis, um die zuvor prägenden Erlebnisse wieder aufkommen zu lassen.
Und da ist es egal, ob soziale Phobie, Sprachstörung, etc. damit gemeint sind.

Eine 100%ige Heilung ist nur nach außen sicht- und erkennbar.
Nach Innen niemals.
Dafür ist man durch das Erlebte schon so tief beeinflusst worden.
Oftmals schlummert dann auch etwas im Unterbewusstsein.


Zitat von Odile:
Ich möchte außerdem noch eines sagen: einem Rollstuhlfahrer hilft man nicht. Man schiebt ihn nicht rum und hält ihm keine Türen auf. Das ist respektlos. Wenn dann hat man vorher zu fragen. Etwas was die meisten Leute leider nicht tun. Nicht aus Böswilligkeit, sondern aus Gedankenlosigkeit. Nicht mal weil sie sich vielleicht nie Gedanken drüber machen würden. Eher weil sie sich in die Situation des anderen nicht wirklich rein versetzen können.
Und derselbe Grund ist es bei den meisten, die sich Stotterern (und allen anderen Behinderten) gegenüber falsch verhalten. Sie tun das, was sie tun, spontan, ohne groß drüber nachzudenken. Und mal ehrlich, kann man ihnen das wirklich immer verübeln? Kann man wirklich erwarten, dass alle Menschen immer und ständig auf die individuellen Erfordernisse jedes anderen Menschen eingehen? Meiner Meinung nach nicht!

Ja das sage ich als Sprechende. Und gleichzeitig als Sehbehinderte, deren Mann Stotterer war als sie ihn kennen lernte.


Mit dem Rollstuhlfahrer, ... jein.
Ich machte ein FSJ und war für die Betreuung von Behinderte im Rollstuhl, Down-Syndrom-Betroffenen und entwicklungsverzögerten Kinder zuständig.
Bei manchen Situationen waren sie sehr glücklich, dass jmd. neben ihnen war und z.B. die Tür aufhielt oder so, aber manchmal merkte ich es, dass er/sie es auch selbst machen wollte.
Das Problem dabei war, dass sie es oft nicht davor gesagt hatten, was sie alleine erledigen wollen und wo sie Hilfe erwarteten.

Aber mal so gefragt, wer einen Rollstuhlfahrer schon mal erlebt hat, wie er sich teilweise beim Türöffnen oder ins-Gebäude-rein-kommen abplagen muss, ... ist da es nicht verwunderlich, wenn die anderen bei dieser deutlich visuellen Beinträchtigung Hilfe anbieten oder leisten ?
Der Rollstuhlfahrer (hier: kein Gendefekt o.ä., sondern Rolli durch einen Unfall [Auto, Gestürzt, etc.]) kämpft nicht gegen das Vorurteil der geringen Intelligenz.
Die Volksmeinung ist beim Stottern oder einer Sprachstörung heute immer noch, dass derjenige dumm oder geistig zurückgeblieben ist.
An diesem Zustand wird sich nie was änderen, weil dahinter ein Geschäftsmodell steckt (= Lachen über Benachteiligte in den Medien [Figuren in Filmen haben oft die gleichen Rollen, ein Stotterer ist aber niemals der Held/Frauenschwarm/Liebling der Masse/etc.]).
(The King's Speech mit einem echten Stotterer gibt einen ganz anderen Film als durch den Schauspieler)

Also geht der einfache andere davon aus, dass er dem Stotterer an Intelligenz überlegen ist, ...der Stotterer spricht ....
und dann kommt es entweder zum Abwenden (ich bin ja was besseres) oder zur Vervollständigung der Sätze.
Dem Stotterer fehlt ja nichts (im Vgl. zum Rolli), er ist ja physisch top fit, er ist einfach bisschen zurückgeblieben.

@Odile,
ähnliche Erfahrungen gemacht durch/mit deinen/m Mann ?

08.03.2015 16:26 • #22


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Die Sprechenden

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Natürlich haben mein Mann und ich solche Erfahrungen machen müssen. Ich glaube das bleibt nicht aus. Glücklicherweise war es bei ihm nicht so ausgeprägt wie bei manch anderen und es hat mit der Zeit auch gegeben. Mittlerweile stottert er nur noch seltenst. Und ja, man merkt eindeutig einen Unterschied des Verhaltens der Mitmenschen Vorher/Nachher.
Allerdings leidet er nebenbei noch unter Lese-Rechtschreibschwäche. Da sind die Reaktionen genauso wie aufs Stottern. Die Leute werden für Dumm gehalten.
Und ich mit meinen Ängsten stoße auch auf ganz ähnliche Reaktionen. Ich habe für manche nicht nur nicht alle Tassen im Schrank, sondern bin einfach zu dumm fürs Leben. Wär ich schlau, wüsste ich schließlich dass ich keine Ängste zu haben brauche...

Den Rollifahrer habe ich angeführt um aufzuzeigen, dass die Reaktion der Mitmenschen manchmal einfach unüberlegt/gedankenlos ist. Denn Du schriebst deine Mitmenschen reagieren anders als Du es gern hättest, obwohl Du ihnen alles erklärt hast. Ich wollte Dir damit zeigen, dass das auch Menschen mit offensichtlichen Handicaps passiert.
Mit den 3 Rollis die ich näher kenne, würdest Du z.B.sehr aneinander geraten, wenn Du ihnen ungefragt einfach so die Tür aufmachen würdest. Bei einem habe ich diesen Fehler einmal gemacht... Huhu, so einen vernichtenden Blick hab ich glaub ich nie davor und danach gekriegt. Ich habe dann erklärt, dass es von mir einfach Gedankenlosigkeit war, was stimmt. Und das obwohl ich ja sogar selber weiß wie das ist falsch behandelt zu werden. Und obwohl auch er gesagt hat er wolle sowenig Hilfe wie möglich. Zum Glück redet er noch mit mir, er ist einer meiner liebsten Kollegen

Man kann einfach nicht von allen Menschen immer perfektes Verhalten verlangen. Das geht nicht. Selbst ist man ja auch nicht perfekt.
Und auf der anderen Seite muss man auch mal bei sich selbst schauen. Interpretiert man vielleicht einfach zuviel in eine Situation? Hält wirklich jeder, der sich Dir gegenüber falsch verhält, Dich für Dumm? Das glaube ich nicht!
Ich versetze mich zB. gerade in die Lage Deines Gegenübers, dem Du nicht geantwortet hast. Und bei allem Verständnis für Deine Situation, aber das empfinde ich einfach als grob unhöflich. Manche würden vielleicht sogar denken Du bist Dir zu fein mit Ihnen zu reden. Klar hast Du es Ihnen erklärt. Aber erwartest Du wirklich das immer jeder richtig auf Dich reagiert? Und dann kommt der nächste Kollege mit der kranken Mutter und der andere im Rollstuhl und der nächste lebt grad in Scheidung, die das natürlich auch alle erwarten. Und bei allen soll jeder immer richtig reagieren? Das geht gar nicht. Wenn jemand nicht selbst in der Situation drin steckt ist das unmöglich.
Ich will Dich nicht angreifen, aber verstehst Du was ich meine?

08.03.2015 17:37 • #23


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@viva

Sorry, bin nur Deiner Einladung gefolgt.

Aber Du scheinst unglaublich viel und besser zu wissen.

Glaubst Du es gibt nur eine Art von Stottern. Glaubst alle Betroffenen stottern aus dem gleichen Grund?

Studien belegen, das der Begriff Stotterer von Betroffenen als dikriminierend empfunden wird. Nur weil bei Dir das nicht so ist, solltest Du meinen Aussage nicht öffentlich als falsch hinstellen.

Wenn Du von Aphasie sprichst, behauptest Du tatsächlich, wenn ein Sprachzentrum (welches meinst Du denn?) geschädigt ist sei das irreparabel. Meinst Du vielleicht irreversibel?

Diese Aussage schießt den Vogel ab!
Das ist schlichtweg falsch.

Und für mich der Grund mich zu empfehlen.

Habe die Ehre ...

08.03.2015 18:40 • #24


V
Zitat von Odile:
...
Ich will Dich nicht angreifen, aber verstehst Du was ich meine?


Ich verstehe auf was du hinaus willst.
Wenn ich an den Rolli denke,...

Falls der Rolli über seine Lage erzählen will, kann er es verbal jederzeit tun. Egal wo, wann, zu wem.
Falls ein Sprachbehinderter über seine Lage berichten will, kann er es verbal nur eingeschränkt tun. Es ist dabei sehr wichtig, wo, wann und zu wem.
Das Stottern ist teilweise abhängig von der emotionalen Lage des Betroffenen, d.h. z.B. seinen Eltern kann ein Betroffener oft sehr viel mehr erzählen (ausführlicher) als einem Fremden.
Grund: einerseits die emotionale Vebindung zu den Eltern, anderseits ist bei den Eltern im Vgl. zum Fremden ein Wissensvorsprung vorhanden. Sie begleiteten ja ihr Kind seit klein auf.
Da ist der Stotter nicht unbedingt gezwungen sich nur verbal auszudrücken, es gelingt auch non-verbal (z.B. Brief, Gedicht) [Die Eltern können die Bedeutung der Wörter besser entziffern als jmd. Fremdes]

Deshalb steht ein Sprachbehinderter beim Erzählen über seinen Zustand vor einem Paradoxum:
Er will sprechen, er darf aber nicht.
(irgendeine neurologische o.ä. Fehlfunktion liegt vor)

Gegenbeispiel: kranke Mutter
Ein nicht-Sprachbehinderter will über seine kranke Mutter mit jmd. sprechen.
Er braucht sich um die Wortbildung überhaupt keine Gedanken machen, keine Hilfstechniken einsetzten, sondern er kann einfach loslegen. Was ihm Sorgen macht, ist der Inhalt. Wie beschreibe ich xy der Person P ?

Da ein Sprachbehinderter (je nach Ausprägung) erst gar nicht zum eigentlichen Inhalt kommt - er ja ist ständig mit der Wortbildung beschäftigt - ist für ihn allgemein gesagt, jegliches Gespräch eine extreme Belastung.
Der Clou:
Selbst über dieses Gespräch, wo es sehr schlecht lief, kann er kaum sprechen, weil sich der Ablauf ja ständig gleicht/wiederholt.

Was ich von anderen erwarte ?

viva hat geschrieben:
-wenn jmd. stottert, dann hilft man ihm mit .......... ?

Rohdiamant:
Geduld haben beim Zuhören, ihn ausreden lassen.

Mehr nicht.
Das ist alles.

08.03.2015 18:57 • #25


V
Zitat von uRiAh:
@viva

Sorry, bin nur Deiner Einladung gefolgt.

Aber Du scheinst unglaublich viel und besser zu wissen.

Glaubst Du es gibt nur eine Art von Stottern. Glaubst alle Betroffenen stottern aus dem gleichen Grund?

Studien belegen, das der Begriff Stotterer von Betroffenen als dikriminierend empfunden wird. Nur weil bei Dir das nicht so ist, solltest Du meinen Aussage nicht öffentlich als falsch hinstellen.

Wenn Du von Aphasie sprichst, behauptest Du tatsächlich, wenn ein Sprachzentrum (welches meinst Du denn?) geschädigt ist sei das irreparabel. Meinst Du vielleicht irreversibel?

Diese Aussage schießt den Vogel ab!
Das ist schlichtweg falsch.

Und für mich der Grund mich zu empfehlen.

Habe die Ehre ...


Schade, dass du nicht drauf eingehst, ob du selbst Betroffener bist oder welchen Hintergrund du hast.

Beweis mir wo ich mein alles besser zu wissen. Hier kamen sehr gute Beiträge von vielen verschiedenen Leuten. Das finde ich sehr schön !
Ich berichte aus meinem Erlebten, aus der Praxis und da ich mit vielen anderen Betroffenen gesprochen habe, gebe ich deren Einschätzung auch teilweise weiter. Das ist dann ein Mix aus unterschiedlichen Formen der Sprachbehinderung, egal ob Jung oder Alt.

Eine Studie ?
Welche ?

Ich kenne eine andere Sache:
Es soll der Begriff Behinderung bei Bezeichnungen von Personengruppen vermieden werden. Political Correctness.
https://www.google.de/?gws_rd=ssl#q=beh ... orrectness
und speziell Stottern:
https://www.google.de/?gws_rd=ssl#q=sto ... orrectness

Wer sich da mitziehen lässt, dem ist nicht mehr zu helfen. Meine Meinung.
Denn da geht es um Rechthaberei und Wortklauberrei, aber niemals um Hilfe für die Betroffenen.

Wenn du es anders sieht, habe ich kein Problem damit.

Warum der Schlaganfall ?
Mein Vater hatte eines Tages Hirnblutungen. Er konnte danach nicht mehr sprechen, hat nur mit den Augen geredet. Er ist dann wenig später an den Folgen der Blutungen gestorben.
Die Ärzte meinten, durch die Blutung sind gewisse Hirnteile in Mitleidenschaft gezogen worden. Eines war das Sprachzentrum.
Ob es das Wernickesches Areal oder Brocasches Areal war, sagten sie nicht.
Heilungschancen sahen sie übrigens nicht.
Deshalb schrieb ich auch von einem nicht mehr reparierbaren Zustand.

08.03.2015 19:26 • #26


D
Mein kleiner Bruder stottert auch- die Sprachpädagogin meint, er soll viel sprechen. Würde er garnicht sprechen, würde es das nur verschlimmern. Ich habe bobachtet, dass wenn er weiß dass man geduldig ist und man ihm zuhört, er viel viel besser spricht als sonst. Ich denke auch, es hat viel mit Selbstbewusstsein zu tun- es gibt viele Leute, die, dadurch dass sie sich selbst gestärkt haben, kaum noch stottern, auch wenn es nie ganz weggeht. Haben die Leute Angst oder sind sehr nervös, ist es umso schlimmer.

Ich find das nicht schlimm, wenn jemand stottert. Die Leute finden es bei mir mit Sicherheit auch manchmal grausam, dass meine Gedanken zwischendurch einfach abbrechen und ich zu einem anderen rüberspringe und dann den anderen von davor weiterführe (schizophren)- das lässt sich vielleicht nicht ganz vergleichen. Aber ich steh drüber- egal wie sehr derjenige stottert oder ob er poltert- ich falle niemandem einfach so ins Wort oder werde ungeduldig, weil ich das einfach unhöflich und schei**e den Betroffenen gegenüber finde. Ich reagiere da selbst sehr allergisch drauf, wenn das jemand bei mir macht.

18.04.2015 14:12 • #27