Pfeil rechts

L
Seit 12 Jahren arbeite ich als einzige Vollzeitkraft in einem kleinen Büro, mit 3 halb-, 1 ¾ Kraft, 1 Vorgesetzten und 1 Chef, der ist selten da. Zu meinen Aufgaben gehören die Zentrale, Sekretariat, Verwaltungsaufgaben und alles was die anderen Teilzeitkräfte nicht schaffen.

Es ist alles sehr eingefahren, das ich mir zu viele Schuhe angezogen habe. Die anderen mit dem Argument, ich wäre den ganzen Tag da.

Ob es Kopien oder um Briefe schließen oder irgendwelche Kleinigkeiten geht, alles kann man mir auf’s Auge drücken. Auch wenn ich sage, das gehört nicht zu meinen Aufgaben. Ich komme die letzten Jahre meist morgens um 6.30 obwohl meine Arbeitszeit erst um 8 Uhr beginnt. Ohne diese Überstunden auszugleichen, dann habe ich meine Sachen so weit fertig, wenn die anderen kommen. Egal welche Argumente ich bringe, die anderen wissen es besser oder es macht mehr Sinn.

Da ist die Gruppe und da bin ich. Wie soll ich mich wehren, wenn die Kollegin Aushilfstätigkeiten über den Chef anmeldet und der Chef mir aufträgt ihre Rechnungen zu stempeln, was sie ja auch alleine könnte. Wie soll ich da nein sagen.

Urlaub soll ich nur nehmen wenn der Chef in Urlaub ist, diesen teilt er mir nicht mit weder eine Reaktion auf meine Mail oder wenn ich ihn direkt anspreche. Die Teilzeit-Kolleginnen können nicht aushelfen, aber ich helfe doch allen? Sie finden immer etwas was ich nicht vorbereitet hätte. Da kann ich machen was ich will, es ist immer etwas. Ich habe allen beim Urlaub den Vortritt zu lassen, ich kann mich doch nicht so in die Ecke drängen lassen.

Die ¾ Kraft ist 30 Jahre da und hat ein sehr gutes Verhältnis zum Chef. Sie kritisiert mich vor anderen Kolleginnen, es ist keiner mehr da zu dem ich Vertrauen hätte.

Ich habe Angst da unter zu gehen, versuche alles richtig zu machen. Oder wenn ich einen Fehler gemacht habe, korrigiere ich diesen und versuche das nicht zu sehr an mich rankommen zu lassen. Aber es wird so hochgespielt, keiner nimmt mich ernst, wenn ich mich wehre heißt es: ich hätte private Probleme oder wäre aggressiv.

Ich kann doch mit 52 Jahren und nach 12 Jahren nicht meinen Job hinschmeißen. Versuche ich etwas selbstbewusster aufzutreten, wird es sofort im Keim erstickt. Ich solle nicht egoistisch sein und auch mit an die anderen denken. Aber ich muss mich doch auch schützen, wie soll ich das allein hinbekommen. Ich bin damit überfordert. Wir haben keinen Betriebsrat, da eher ein Familienunternehmen. Ich habe eine intakte Beziehung die mir viel Kraft gibt und kann ohne Hemmungen auf Menschen zugehen, nur in der Firma lasse ich mich immer wieder klein machen.

Ich habe Ende Juni einen Termin beim Hausarzt und möchte eine Therapie machen.
Was raten Sie mir?

15.05.2010 21:46 • 20.05.2010 #1


1 Antwort ↓

B
Hallo Lena,

Du beschreibst einen Vorgang, den es in vielen Firmen (= Systemen) gibt: jemandem wird unbewusst über Jahre eine Rolle zugeschrieben, die dieser auch versucht, 100% auszufüllen.
Wichtig dabei ist, dass Du keinesfalls innerlich hierfür alleine die Verantwortung übernehmen solltest. Denn damit sorgt man schnell dafür, dass man selbst ungewollt einen beginnenden mobbing Prozess unterstützt. Mit der kann man es ja machen. Besonders Dein Chef trägt Verantwortung dafür, solche Prozesse zu unterbinden. Auch wenn er es nicht tut - er trägt die Verantwortung für seinen Teile, ebenso wie Deine Kollegen.

Gut ist, dass Du merkst: So kann es nicht weiter gehen ! Du setzt auf Dauer Deine Gesundheit aufs Spiel und niemand wird Dir dafür danken, wenn Du deshalb zusammen brichst. Allerdings musst Du Dein Verhalten auch selbst verändern und für Deine Bedürfnisse eintreten, Grenzen setzen lernen und mit (unberechtigter ) Kritik umzugehen.

Sicherlich ist es eine Möglichkeit, Dich durch eine Therapie unterstützen zu lassen. Dies kann ambulant geschehen, oder noch besser zuerst über eine Reha-Kur, damit vielleicht auch an Deiner Arbeitsstelle gesehen wird, was Sie an Dir haben.

Ich persönlich würde aber einige Schritte vorschalten:
1. Es ist wichtig, dass Du mit dem Chef ein Gespräch führt, von dem, Du denkst, dass er Verantwortung trägt und etwas ändern könnte. Dies darf nicht zwischen Tür und Angel geschehen, sondern in einem gesonderten Termin, an dem sich Dein Chef auch Zeit für Dich nimmt. Sprich offen über Deine Situation und mache klar, dass sich etwas ändern muss.
2. Falls Du Gewerkschaftsmitglied bist, kannst Du Dich auch von Deiner Gewerkschaft beraten lassen (z.B. mobbing-Beratung - d.h. nicht, dass es sich schon um mobbing handeln muss, aber es liegen beste Voraussetzungen vor, dass dies daraus werden könnte).
3. Es kann aber durchaus auch passieren, dass Du Dir einen anderen Job suchen musst, falls sich nichts ändert, also keine Bereitschaft vorhanden ist, mit Dir zusammen eine Lösung zu suchen. Das ist nicht leicht, aber möglich. Du kannst ja einfach mal parallel Deine Fühler ausstrecken, beim Arbeitsamt nachfragen, Dich arbeitssuchend melden, Dich auf Inserate bewerben u.ä.m. Das hilft auch in sofern, dass Du selbst handeln kannst und Dich nicht mehr nur als Opfer dieser Situation wahrnimmst.

Ich hoffe, Du kommst voran, es geht im Moment um Dich und Deine Gesundheit.

Liebe Grüße

Bernd Remelius

20.05.2010 10:55 • #2





Ähnliche Themen

Hits

Antworten

Letzter Beitrag