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K
Liebe Anderen,

es ist jetzt fast drei Jahre her, dass ich hier dem Forum beigetreten bin. Verzweifelt, völlig fertig, voller Angst, Panik, Sorge. Meine fast größte Angst damals war, dass das niemals vorbei gehen könnte. Ich bin frei geworden und mag mit diesem Beitrag gerne anderen, denen es vielleicht gerade so geht wie mir damals Mut machen.

Es IST möglich, aus dem Kreislauf herauszukommen! Habt keine Angst vor der Angst. Sie zeigt Euch nur, dass etwas nicht stimmt, dass etwas zuviel ist - vor allem aber dass es Eurem Nervensystem, Eurem Körper, Euch zu viel ist.

Ich konnte damals nicht mehr, hatte sogar im Bett noch Panikattacken. Ich hatte ein Therapeutin aufgesucht, die ich schon aus einer früheren Therapie kannte und diese riet mir nach ein paar Sitzungen, medikamentöse Unterstützung zu Hilfe zu nehmen. ... Davor hatte ich aber auch furchtbare Angst. Ich fand bei Freunden unterschlupf zusammen mit meiner Tochter. Ich suchte mir eine Ärztin (...TIPP: man muss direkt in der Praxis stehen und dort darauf bestehen, dass man behandelt wird. Die dürfen Notfälle nicht wegschicken. Vorher anrufen endete bei mir mit Terminvorschlägen in zwei, drei Monaten.).

Ich bekam Citalopram verschrieben. Die ersten Tage waren sehr anstrengend, weil ich sehr nervös und unruhig war und meinen Körper ständig auf Reaktionen beobachtete die im Beipackzettel standen... Ich war wie gesagt bei einer Freundin und das half sehr. Alline hätte ich das nicht geschafft. Es half auch, mich in der Zeit mir mir auseinanderzusetzen. Mir wurde bewußt, dass die Welt nicht untergeht, wenn ich mal nicht funktioniere. Es gab Menschen, die für mich da waren, Menschen die sich um meine Tochter kümmerten. Irgendwie lebte ich wohl all die Jahre zuvor mit dem Druck, dass ich alles schaffen muss, dass ich immer funktionieren muss. Und wenn das alles nicht half, dann habe ich eine halbe Beruhigungstablette genommen.

Meine THerapeutin hatte mir zuvor immer erklärt, dass die Angst ein lebensnotwendiges Gefühl sei, eine wichtige Reaktion des Körpers. Mein Körper hatte sich nun angewöhnt in allen möglichen (oder unmöglichen) Situationen Gefahr zu wittern und mit den typischen körperlichen Reaktionen zu reagieren (Adrenalinschub um flüchten, kämpfen oder anderes zu können, Aufregung, Zittern, kalte Arme weil das Blut woanders im Körper mehr gebraucht wird, usw.).
Mein Nervensystem war völlig überdreht.
Ich brauchte 1. RUHE !
Ich brauchte 2. RUHE nicht nur im Außen sondern auch in mir

Mir halfen die Tabletten (Citalopram) nach ein bis zwei Wochen. Es war seltsam. Sie unterdrückten die vorher automatischen Folgen meiner Angst. ich spürte noch meine vielen Ängste, aber es kam nicht sofort die Panik. So hatte ich zeit, mich selbst wieder zu beruhigen. Ich war sechs Wochen lang krank geschrieben und lernte gaaaanz langsam wieder aus dem Haus zu gehen. Zuerst mit komischem Gefühl um den Block eine Woche lang, dann eine Strasse weiter, usw.
Und so ging es dann in den folgenden Jahren weiter. Es gab immer wieder neue Dinge die ich zum 1. Mal wieder tat. S-Bahn fahren, ins Kino gehen, sogar in den Urlaub fahren (mit dem Auto - am Fliegen bastele ich immer noch...)

Parallel machte ich eine Gruppentherapie (nicht speziell zum Thema Ängste). UND ich lernte in vielen Kursen Entspannungsmöglichkeiten kennen und nutzen. Ich merke noch immer, dass gerade die Entspannung extrem wichtig ist. Wenn ich sehr viel Stress habe und mir keine Zeit nehme zum runter kommen, dann werde ich ängstlicher, sorgenvoller als normal. Ich mache Yoga sehr gerne und meditieren - das tut mir gut. Aber auch Qi Gong, Autogenes Training oder PME sind sehr hilfreich.

Ich kann nur jedem von Euch raten, mutig den Weg heraus zu gehen aus diesem selbst gebauten Gefängnis. Es ist möglich. Aber man braucht Geduld mit dem Heilen und vor allem mit sich selbst. Alle Ängste haben irgendeine Ursache und es lohnt sich diese herauszufinden. Für mich war diese Zeit eine sehr furchtbare und ich hätte gerne darauf verzichtet. Aber wenn ich im Nachhinein darauf blicke, dann bin ich so froh über all das, was ich gelernt habe im Zuge dieser Erkrankung. Vielleicht hätte man all das auch anders lernen können ... aber ich scheinbar nicht - da kam der Holzhammer.

Ich finde es auch wichtig, die Panikstörung wie eine Krankheit zu sehen. Das machte es mir leichter. Wenn man krank ist muss man NICHT funktionieren, darf sich viel und regelmäßig ausruhen (muss es sogar), darf man Medikamente nehmen bis es einem besser geht und muss man HIlfe in Anspruch nehmen. Es ist schön, wenn Leute es alleine schaffen, aber man muss es nicht. Geht raus und sucht Euch Hilfe. Ich hatte mich anfangs etwas geschämt für meine Panikattacken, aber das ist gar nicht nötig. Es ist nichts wöfür ihr etwas könnt, es ist kein Versagen und es gibt sooo viele Leute, die selbst schon mal mit Panikstörungen zu tun hatten - auch solche von denen man es nie denken würde.

Soweit meine Geschichte. Ich wünsche Euch alles Gute und viel Kraft.

Kolibri

28.01.2012 11:09 • 31.01.2012 #1


7 Antworten ↓


Q
Danke für den tollen Beitrag!
Das tut gut zu hören!
Ich war auch mal 2 Jahre Beschwerde frei! Hatte vorher auch vieles so erlebt wie du;-) und auch ich konnte nicht mehr das Haus verlassen usw! Dann wie gesagt, 2 Jahre nichts und jetzt? Wieder voll schlimm!

29.01.2012 01:29 • #2


A


So habe ich es geschafft ohne Panikattacken zu leben

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K
hmmm .... das ist blöd!

Das tut mir leid für Dich.
Vielleicht hast Du die KLEINEN Zeichen nicht genug beachtet. Das fällt mir spontan dazu ein.

Ich merke, dass ich gut auf mich aufpassen muss. Aber das muss jeder Mensch. Und ich weiß, dass mein Schwachpunkt die Ängste sind, bzw. wenn es ganz schlimm wird die Panikattacken. Andere Menschen bekommen bei alles zu viel Rückenprobleme, Tinitus, o.ä. Bei uns kommt die Angststörung. Wenn ich zu viel Stress habe, dann muss ich irgendwas tun, um wieder ruhiger zu werden. Meistens fällt mir dann auf, dass ich mir durch den ganzen Stress gar keine Zeit mehr für Yoga genommen habe, für Freunde, für Ruhe.

Ich bin sicher, dass Du es schaffen kannst auch jetzt wieder raus zu kommen aus der Angststörung und ich wünsche Dir, dass Du den richtigen Weg für Dich findest.

Alles Liebe,
Kolibri

29.01.2012 13:44 • #3


S
Danke für den positiven Beitrag Kolibri!!!

Nimmst Du jetzt auch noch Tabletten oder hast Du sie mittlerweile abgesetzt?

Grüße Sonnili

29.01.2012 14:40 • #4


Q
Danke Kolibri! Mal schauen. Seit Ende 2010 ist es schon wieder so schlimm! Mal mehr, mal weniger!
Ob du noch Medikamente nimmst würde mich auch interessieren.
Liebe Grüsse

29.01.2012 19:35 • #5


O
schön etwas so positives zu lesen das macht mut.. mit der ruhe.. jaaaa da hast du recht. ich denke mal das das auf alle zutrifft.. auch was du so gecshrieben hsat.. trifft sehr auf mich zu.. gerade das mit dem funktionieren ich will alles immer schnell und perfekt machen.. egal was.. setzte mich immer wieder selber unter druck.. auch wie mit dem rausgehen.. keiner zwingt mich.. es würden alle schön finden klar.. aber nur ich selber setzte mich unter druck.. und dadurch schaffe ich das auch net..

aber egal.. dank dir nochmal für deinen schönen und mutmachenden bericht ;D

29.01.2012 21:06 • #6


P
Super Beitrag !! Echt schön sowas zu lesen.

Ich hab es auch geschafft. Total ohne Medis !! Dank dem Forum und meiner Familie die mich unterstuetzt hat.

Es ist also wirklich möglich !

Also an alle Angsthasen: Augen zu und durch !!

Es wird alles gut.

In D gibt es gaaaanz viel Hilfe die man bekommen kann (wenn man sie will, und wenn man sie auch annimmt)


Ich lebe im Norden Scandinaviens... bei uns gibt es NICHTS... Hilf dir selber oder häng dich auf


Also...ran an die Mutti ...Kopf hoch !!

LG

Protos

29.01.2012 21:39 • #7


P
Das ist wirklich schön, mal die eine oder andere Erfolgsgeschichte zu lesen. Das gibt Mut und Hoffnung! Danke!

31.01.2012 20:39 • #8





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