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markttag
Hallo,

wie soll ich es schreiben, was ich meine… Eines vorweg: Es geht mir um wirklich enge soziale Bindungen, Freunde, Familienangehörige. Nicht um oberflächliche Bekanntschaften. Also um die Menschen, die ich liebe, bzw. die für mich auch emotional eine wichtige Rolle im Leben spielen. Und ich umgekehrt. Und darum, wie sie mit „uns“, mit mir und meinen Ängsten, Zweifeln und gelegentlichem Scheitern umgehen. Ich habe auch gesehen, daß es zu diesem Thema schon Einträge gibt. Ich möchte aber gerne trotzdem einen eigenen eröffnen, da auch mit direkten Fragen verbunden.

Ich denke mal, viele kennen es. Auch wenn es einem „besser“ geht, erwischen mich meine Ängste immer mal wieder. Machen mich Antriebslos, lassen mich an meinen Handlungen zweifeln, machen mich unsicher und bremsen mich bei dem was ich eigentlich gerne im Leben tun würde aus. Mir ist klar, daß dies für andere oft schwer ist (dabei „zuzusehen“). Vor allem wenn es Menschen sind, die selber mit der ganzen Thematik nichts zu tun haben. Die „fest“ im Leben stehen (soweit dies in unserer heutigen Zeit möglich ist…), die zwar auch mal unsicher sind, aber dies eben ganz normal und „gesund“ im Leben umsetzen.

Ich erwische mich selber immer mal wieder dabei, daß ich eher gute Miene mache, als nach außen zu zeigen, daß ich mich gerade in meiner Haut recht unwohl fühle. Gut, ich „reiße“ mich dann zusammen, und rede „trotzdem“ mit mir nahe stehenden Menschen über meine Ängste Co. Eben auch weil ich weiß, daß ich es bei ihnen kann/darf.

Auch wenn ich weiß, daß es von meinem Gegenüber nicht böse gemeint ist, erlebe ich in den Jahren oft eine immer wieder ähnliche Situation: Mein Gegenüber ist ab einem gewissen Punkt verunsichert, vermutlich auch überfordert mit der Situation, bzw. mir und meinen „Problemen“. Es fallen dann eben immer mal wieder Sätze wie „ Reiß dich doch mal zusammen!“, „Bekomm einfach mal den Hintern an die Wand!“, „Was ist denn jetzt bitte schön so schwer dran!“, „Ich verstehe dich zwischendurch einfach nicht…“, „Du siehst immer alles so negativ…“.

Wie gesagt, solche Sprüche kommen nicht „böse“ rüber, sind eher als die „freundschaftlichen Ratschläge“ gemeint. Eben aus Sicht von Menschen, die diese ganze Thematik selten oder nie am eigenen Leib erfuhren. Trotzdem machen mich solche Aussagen oft wütend. Oder traurig – zumindest verunsichern sie mich noch mehr, ich überlege dann dreimal, ob ich überhaupt „den Mund aufmache“, wenn es mir nicht gut geht. Ich verstecke mich dann halt wieder – zumindest meine Emotionen. Mir ist auch bewusst, daß ich mich im Grunde nur selber aus dem ganzen Mist ziehen kann. Diese Arbeit kann mir niemand abnehmen, und ich kann sie auch nicht auf andere schieben.

Versteht mich bitte nicht falsch, mir ist klar, daß weder eine Partnerschaft, noch eine enge Freundschaft Ersatz für eine Therapie sein kann/darf. Als „Ersatztherapie“ sehe ich meine sozialen Bindungen auch nicht an. Aber, mich verletzen solche Sätze einfach. Eben, oder vor allem, wenn sie von Menschen kommen die ich liebe oder zumindest emotional sehr nahe stehe. Ich versuche dann manchmal meinem Gegenüber zu erklären, daß mein gelegentliches Gefühlschaos nichts mit ihm/ihr zu tun hat. Daß sie nicht die Auslöser sind – aber ich sie auch nicht als meinen emotionalen Mülleimer betrachte. Trotzdem enden solche Gespräche dann gelegentlich mit Sätzen wie: „Weißt du, manchmal verstehe ich dich einfach nicht…“.

Langer Rede… Wie geht ihr im Leben mit solchen Sätzen wie „Reiß dich doch…“ und Co. um? Ist es Ok dann auch mal zu antworten: Sorry, macht mich gerade traurig, daß du es so siehst… Ich empfinde einfach manchmal die Kommunikation mit „gesunden“ Menschen, Freunden, Familienangehörigen einfach sehr anstrengend und fühle mich dann sehr „klein“. Auch wenn ich weiß, daß mein Gegenüber mir gar nichts böses will, sondern eben nur einen „guten Ratschlag“ geben wollte. Geht es anderen ähnlich? Wie geht ihr, ganz konkret, in solchen Situationen mit solchen „Ratschlägen“ und eurem Gegenüber um?

Grüße
Mark

14.10.2016 10:15 • 20.10.2016 #1


11 Antworten ↓

L
Also ganz ehrlich, ich ziehe mich dann verletzt zurück und betreibe weitere Konversation mit diesem Menschen dann nur noch auf betont sachlicher Ebene. Mit Gefühlen oder so komm ich denen dann nicht mehr, da sie offenbar ganz andere haben. Mit 'normalen' Leuten hab ich eh nur mehr in der Arbeit zu tun, von daher ...

14.10.2016 10:17 • x 1 #2


A


Reiß dich doch mal zusammen! Die nächste

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markttag
Ja, verletzen tut es mich natürlich. Problem eben: Es betrifft auch Menschen aus meinem engsten, sozialen Umfeld. Menschen, von denen ich im „normalen Leben“ aber auch ganz viel positives erfahre/bekomme. Teils einfach auch durch ein zusammenleben. Ich spüre und erlebe einfach trotzdem, daß sie manchmal mit mir und meinen „Problemen“ überfordert sind, eben weil sie es selber nicht kennen, andere Gefühle als ich haben, und dann so reagieren.

14.10.2016 10:30 • #3


L
Das Schwierigste, und glaub ich auch das Wichtigste dabei ist, sich selber nicht zu verlieren. Man müßte in die Lage kommen, zu sagen/denken: Ok, du siehst das jetzt so, weil du du bist, aber ich fühle dennoch so und so, weil ich ich bin.
Aber wer soweit ist, der braucht schon keine Therapie und kein Forum mehr ...
Anders zu sein in einem Kreis von Menschen ist immer problematisch.
Aber wenn die sonst echt cool sind, dann müßten sie doch WISSEN, daß die Welt für dich ganz anders ausschaut als für sie.
Da müßte es dann doch langen, ihnen das mal kurz in Erinnerung zu rufen.

14.10.2016 10:48 • #4


E
Und selbst ? Wie sollen andere nicht mit einem überfordert sein wenn man selbst mit sich überfordert ist, wie sollen andere mit etwas klar kommen mit dem man selbst nicht klar kommt ( denn sonst wär es ja kein Problem dass man hätte ).

Ich kann dir nicht sagen wie man damit umgehen kann oder soll ich kann dir nur sagen wir ich und mein Mann ( wir sind beide Angsterkrankt mehr oder weniger ).
Ja wir haben beide immer mal Momente in denen wir nicht nicht rational und angemessen sondern angstgesteuert reagieren. Mein Mann bei seiner Herzneurose ( gerne wenn er eh krank wird und dann kommt eins zum andern ) und ich wenn meine Kinder mal so richtig übel krank sind oder geimpft werden ( ich hab Panik vor Nebenwirkungen von Medikamenten resultierend aus einem allergischen Schock auf ein Schmerzmittel vor Jahren ). Wie wir dann miteinander umgehen ? Tja das wirst du nicht gerne lesen, aber wir waschen uns gegenseitig den Kopf und machen uns klar, dass wir uns gefälligst mal am Riemen reißen sollen und das sehr deutlich und nüchtern. Wir nehmen es gegenseitig nicht allzu ernst, weil wir wissen, dass es nur der Kurzschluss im Kopf ist, die unangemessene und überbordende Angst vor völlig nichtigen Dingen die uns dazu bringt so zu reagieren und zu agieren wie wir es in dem Moment eben tun. Und so ist es doch bei allen Angsterkrankungen wir reagieren absolut unangemessen auf Nichtigkeiten, auf Dinge die Millionen Menschen täglich ohne auch nur das geringste unangenehme Gefühl erleben und erfahren und schlussendlich sind wir doch tatsächlich die einzigen die etwas dafür tun können wieder normal zu werden. Es ist egal ob das Umfeld auch schonmal an Panik gelitten hat helfen kann einem niemand und durch Mitleid und ach du armes Ding ist es sehr sehr schlimm ist noch niemand geheilt worden. Da hilft einem ein deutliches jetzt hab dich nicht so es ist nur ein blöder Hustensaft der wird das Kind nicht umbringen wesentlich mehr ( zumnindest mir ).

Allerdings muss ich der Fairnisshalber auch sagen, dass wir beide Therapien gemacht haben gegen unsere Ängste und daher tatsächlich recht stabil sind, aber es ist wie es ist manchmal kommt die Panik trotzdem aber wir wissen beide, ganz grundsätzlich, wie wir mit unserer Krankheit, umgehen müssen und dass sie uns halt vermutlich lebenslang begleiten wird. Wieviel Raum man ihr gibt oder geben möchte das ist natürlich sehr individuell, wir haben für uns beschlossen ihr möglichst wenig Raum in unserem Leben zu geben.

14.10.2016 10:52 • x 2 #5


Schlaflose
Reiß dich zusammen und stell dich nicht an sind meine eigenen Lebensmottos. Ohne das wäre ich schon seit 25 Jahren ohne Arbeit, auf Hartz IV oder hätte mich schon längst umgebracht.
Ich rede nur selten mit jemandem über meine Ängste und wenn ja, dann rein informativ und erwarte nicht, dass sie mich verstehen. Mir reicht, wenn zur Kenntnis genommen wird, wenn ich etwas nicht machen kann oder will (z.B. Autofahren außerhalb meines Wohnorts) und damit ist die Sache für mich erledigt. Ich vermeide Dinge auch nur dann, wenn es Alternativen gibt wie z.B. mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Wenn etwas ansteht, wo ich keine Alternative habe, dann reiße ich mich zusammen und tue es.

14.10.2016 11:02 • x 2 #6


Icefalki
Diese Sätze hab ich mir auch selbst gesagt. Musste mir niemand sagen.

Und da ich mich selbst zusammengerissen habe, wusste eigentlich jeder, dass wenn's mal wirklich nicht ging, es wirklich nicht ging.

Und andere, mein Gott, die können nun wirklich nichts dafür, dass sie davon keine Ahnung haben.

Ich bin auch offen damit umgegangen, also in meinen Privatbereich.

Allerdings, ich glaub ich hab denen sachlich diese Unlogik erklären können, dass keiner mehr was negatives zu mir sagen konnte.

Wenn ich mich aufgeregt habe, dann definitiv über mich selbst.

14.10.2016 17:11 • x 1 #7


M
Zitat von Schlaflose:
Reiß dich zusammen und stell dich nicht an sind meine eigenen Lebensmottos. Ohne das wäre ich schon seit 25 Jahren ohne Arbeit, auf Hartz IV oder hätte mich schon längst umgebracht.

Richtig. Aber es ist ein großer Unterschied, ob ich es selbst zu mir sage, oder ob jemand anderer die Frechheit besitzt derart herzlos und respektlos mit mir umzugehen. Meine Mutter war zb so eine... Heute sehe ich meine Eltern bestenfalls einmal pro Monat, obwohl deren Verhalten sich seit meiner Kindheit sehr verändert hat mir gegenüber, viel freundlicher und respektvoller geworden ist.

Die Frage wäre doch: warum lasse ich zu, dass andere Personen mich wie den letzten Dreck behandeln? Und solche Reden sind genau das. Liebe ist das auf gar keinen Fall, auch kein Respekt, keine Freundschaft. Will ich eine solche Person in meiner Nähe dulden? Warum will ich sie in meiner Nähe haben, was gibt sie mir außer dem Schmerz? Jeder kann freundlich zu mir sein, wenn es mir gut geht, das ist keine große Kunst. Doch wozu brauche ich diese Schauspielerei, diese hinter einer lächelnden Fassade versteckte Selbstsucht? Wer nicht bereit ist durch dick und dünn mit mir zu gehen, bis zu seinem letzten Atemzug zu mir zu stehen, der ist meiner auch nicht wert! Weil er mir keine wirklichen Ewigkeitswerte zu bieten hat! Weil mein Leben durch eine solche Person nicht erfüllter wird, sondern ganz im Gegenteil, weil mir dadurch meine Lebenskraft ausgesaugt wird. Solche Menschen machen mich nur unglücklich.

Das sind meine Gedanken zu dem Thema. Bin zwar nicht psychisch krank, aber trotzdem sehr empfindlich.

14.10.2016 20:32 • x 4 #8


Schlaflose
Zitat von Maro:
Schlaflose hat geschrieben:
Reiß dich zusammen und stell dich nicht an sind meine eigenen Lebensmottos. Ohne das wäre ich schon seit 25 Jahren ohne Arbeit, auf Hartz IV oder hätte mich schon längst umgebracht.

Richtig. Aber es ist ein großer Unterschied, ob ich es selbst zu mir sage, oder ob jemand anderer die Frechheit besitzt derart herzlos und respektlos mit mir umzugehen.


Naja, gut, aber wenn man es sich nicht selbst sagt, muss es halt jemand anders tun. Es hilft einem nicht weiter, wenn immer nur gesagt bekommt, Ach du armes Häschen, du hast Angst, oje oje, wie schrecklich, streichel streichel.

Und normalerweise reagieren Leute, die einem nahe stehen, bestimmt nicht direkt mit dem Satz Reiß dich zusammen, wenn man zum ersten Mal oder nur gelgentlich über seine Ängste redet. Das werden sie erst sagen, wenn man sie andauernd damit belatschert.

16.10.2016 15:16 • x 2 #9


M
Zitat von Schlaflose:
Zitat von Maro:
Schlaflose hat geschrieben:
Reiß dich zusammen und stell dich nicht an sind meine eigenen Lebensmottos. Ohne das wäre ich schon seit 25 Jahren ohne Arbeit, auf Hartz IV oder hätte mich schon längst umgebracht.

Richtig. Aber es ist ein großer Unterschied, ob ich es selbst zu mir sage, oder ob jemand anderer die Frechheit besitzt derart herzlos und respektlos mit mir umzugehen.


Naja, gut, aber wenn man es sich nicht selbst sagt, muss es halt jemand anders tun.

Das Problem dabei ist, dass dann einem erst recht die Lust vergeht, diese Ratschläge umzusetzen. Manchmal tut man aus Trotz sogar das Gegenteil. Anstatt solche blöden Sprüche zu klopfen und emotional auszurasten, wäre es gescheiter dem Betreffenden die Notwendigkeit des Kämpfens aufzuzeigen: ruhig, sachlich und verständnisvoll.
Zum Beispiel: das Leben ist hart und brutal, wenn du nicht kämpfst, wirst du sterben, töte oder stirb, die Starken überleben, die Schwachen werden zugrunde gehen, deshalb musst du stark sein, sonst kann dich niemand retten, nur du selbst kannst dich erlösen. So sind die Naturgesetze und die Gegebenheiten. Es ist wie es ist, wir können den Wind nicht ändern, aber wir können die Segel setzen. Usw. usf.

Ich hoffe du merkst den feinen Unterschied.

16.10.2016 18:52 • #10


Schlaflose
Zitat von Maro:
Zum Beispiel: das Leben ist hart und brutal, wenn du nicht kämpfst, wirst du sterben, töte oder stirb, die Starken überleben, die Schwachen werden zugrunde gehen, deshalb musst du stark sein, sonst kann dich niemand retten, nur du selbst kannst dich erlösen. So sind die Naturgesetze und die Gegebenheiten. Es ist wie es ist, wir können den Wind nicht ändern, aber wir können die Segel setzen. Usw. usf.


Ich merke den Unterschied schon, aber ich kann es nicht nachempfinden, weil ich solchen Zuspruch nie gebraucht habe. Ich wusste immer selbst, worauf es ankam und brauchte keine Motivation von außen.

17.10.2016 09:09 • #11


Wildrose
Aus meinem engen persönlichen Umfeld kriege ich manchmal den Satz zu hören, Du
denkst immer viel zu kompliziert. Das stimmt ja auch, und ich wäre gerne anders, aber
es ist nicht so leicht, mich da zu ändern. Oder, wenn ich mal wieder Angst vor einem
Termin habe und das äußere, wird mir gesagt, Mein Gott, da tut dir doch keiner was.
Das wird aber alles mehr mit einem Augenzwinkern zu mir gesagt...daher trifft es mich
nicht so arg...

Eine Sache, die mich aber wirklich belastet, ist, daβ ich weiß, mein Vater ist traurig, wenn
er merkt, daβ es mir mal wieder nicht gutgeht. Und das macht mich dann unheimlich traurig,
denn ich möchte nicht der Grund dafür sein, daβ er traurig ist. Es ist so schön zu merken,
wie er sich freut, wenn es mal gute Neuigkeiten von mir gibt.
Aber wenn es eben mal nicht so gut läuft bei mir, ist er traurig und das Wissen, daβ er
deshalb traurig ist, schmerzt mich sehr.

20.10.2016 08:28 • #12


A


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