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N
Es ist spät und ich kann nicht schlafen. Und deswegen schreibe ich, in der Hoffnung, das ganze Gift in meiner Seele loswerden zu können.
Ich würde nicht sagen, dass ich allein bin. Ich habe immer Leute um mich herum, Familie, Freunde, Kollegen oder, wie jetzt gerade, meine Hündin, die ihren Kopf auf mein Knie gelegt hat und eine Motte beobachtet, die sich durch das Fenster zum Licht hingezogen fühlte und nun im Lampenschirm herumflattert.
Nein, allein bin ich nicht. Aber jetzt gerade fühle ich mich fürchterlich einsam. Es sind ein paar beunruhigende Dinge in meinem Leben geschehen, die ich noch nicht ganz verdaut habe.
Und jedes Mal, wenn ich denke, jetzt ist es endlich aus meinem Kopf, schlafe ich ein und habe Alptäume. Und dann ist alles wieder da.
Neulich Nacht bin ich aufgewacht und dachte, mein Herz explodiert gleich, weil es so heftig geschlagen hat.
Das reicht natürlich noch nicht. Ich schiebe eine Überstunde nach der Anderen und muss mich nebenbei noch um meine pathologisch geisteskranke Mutter kümmern, die den IQ eines zehnjährigen Kindes hat.

Manchmal denke ich fast, der Hund ist klüger sie. Ich sollte nicht so denken, aber ich kann nicht anders. Aber das ist ein Thema, das ich mit meiner Psychiaterin schon xmal durchgegangen bin.
Ich habe selber einen an der Waffel, ich leide unter einer Borderlinestörung und litt früher an einer heftigen Sozialphobie, von der momentan nicht mehr viel zu spüren ist.
Wobei ich fast glaube, das mein Umfeld manchmal mehr unter meinen Launen leidet als ich. Aber ich habe das inzwischen relativ gut im Griff.
Heute hatte ich wieder gefühlte 10000 Dinge zu erledigen, selbstverständlich nach der Arbeit.
Mein Freund fängt nächste Woche einen neuen Job an und hat den Kopf voll und so musste ich entscheiden, 1. was wir essen wollen, 2. was wir alles brauchen, 3. wohin wir fahren. Ich war müde, eigentlich wollte ich nur schlafen und als ich genervt reagierte, war er gleich eingeschnappt.
Als wir zurück waren und uns gegenseitig am liebsten geohrfeigt hätten, habe ich Wäsche gewaschen.
Danach musste ich meinen Bruder von der Arbeit abholen, sein Auto ist in der Werkstatt. Und Abends um halb 11 kam meine Mutter auf die grandiose Idee, mit einer Kettensäge einen Baum an der Terrasse umzulegen, der sie schon lange gestört hat. Man kann sie keine fünf Minuten alleine lassen und muss immer daneben stehen, sonst passieren schlimme Dinge, aber sie will keinen Vormund und in ein Heim erst recht nicht.
Ich habe die Säge jetzt in Verwahrung genommen.
So sieht ein ganz normaler Tag in meinem Leben aus und mir fällt gerade auf, dass das ganz schön viel ist.
Paradoxerweise ist es der Gedanke daran, dass das nicht gesund sein kann und ich unbedingt etwas dagegen unternehmen muss, der mich wach hält.

Alle haben den Kopf voll mit anderen Dingen, wichtigeren Dingen und ich stehe dieser Flut von negativem Input ganz allein gegenüber und versuche, den Kopf über Wasser zu halten.

So, jetzt habe ich mal den ganzen Spam ausgeschüttet, der in meinem Hirn herumschwirrt.

In diesem Sinne

Gute N8

12.08.2012 01:35 • 12.08.2012 #1


L
Wow, nicht schlecht.
So viele Herausforderungen und Überforderungen an einem Tag auf einen Menschen aufgeteilt und das täglich.
Da ist es klar, dass man nur versucht im Funktionsmodus alles hinzubekommen.

Mir kommt das, was du schreibst bekannt vor.
Man denkt, man schafft das alles. Und irgendwie schafft man es ja auch, aber der Preis, den man dafür bezahlt, kann viel höher sein.
Und irgendwann fragt man sich: Wo ist der Preis, den ich bekomme für all meine Leistungen? Wo steht am Ende von all dem das Siegertreppchen?

Ein Freund von mir hat mal zu mir gesagt: Du alleine bestimmst, wie arg du das Gaspedal durchdrückst.

Ich habe gesagt: Aber alles was ich tue, muss doch erledigt werden.

Das ist bei dir ja nicht anders. Du machst das ja nicht aus Spaß! Aber ich fand damals, dass er auch zu einem Teil damit recht hat, denn das System um dich, um mich herum funktioniert nur, weil du dich verheizt.
Was würde passieren, wenn du plötzlich nicht mehr da wärst?
Mich holt das Denken über die Antwort immer ein bisschen runter.
Es würde vieles nicht so laufen, wie es läuft, wenn du da bist. Das ist ja auch gut so. Und es ist schön, dass du gesund und lebendig bist

Ich hab mal ne Fortbildung im systemischen Coaching gemacht. Da hat mich besonders gefesselt, die Vorstellung, dass man alles als System betrachten kann.
Angefangen vom Körper bis hin zum Universum.
Und jeder Bestandteil eines Systems hat bestimmte Aufgaben zu erfüllen, damit das Gesamtsystem bestehen kann.
Interessant ist, verändert sich ein Bestandteil, so muss sich das ganze System verändern.
Manchmal gibts nen Totalcrash, manchmal schafft es ein System weiter zu laufen, aber es passiert immer eine Umstrukturierung.
Und ich denke, dass wenn sich bei dir etwas verändern soll, du das Rädchen bist, welches die Veränderung herbeirufen kann, denn für alle anderen würde es ja bedeuten, dass es unbequem wird.

Ist nur so ein Gedanke, der mir gerade einfiel, als ich deine Zeilen las.

12.08.2012 02:11 • #2


P
Ich glaube du weißt selber, dass du dein leben etwas ordnen musst und dir nur so viel aufhalsen solltest,meine du auch bewältigt bekommst ohne dich zuverlieren. Wenn deine Mutter nicht mehr selber auch sich acht geben kann, dann kann sie leider nicht mitentscheiden, ob sie eine Betreuung bekommt oder nicht. Und wenn sie alleine zu Hause nicht leben kann, dann geht nicht. Auch wenn du sicherlich ein schlechtes gewissen hast, aber du tust weder deiner Mutter noch dir einen gefallen,Minen sie bei dir wohnt. Wenn ich es richtig gelesen habe, arbeitest du viel, so dass sie eh viel zu viel alleine ist. Dann zu deinem bruder, sein Auto ist in der Werkstatt, ok, aber warum führt das dazu das du ihn fahren musst? Er ist alt genug sich selber darum zu kümmern, wie er hin kommt. Du halst dir alles auf was geht und brichst dann unter der Belastung zusammen. Du bist nicht verantwortlich für alle Menschen deiner Umgebung. Jeder ist für sich selber verantwortlich und du für dich. Kümmere dich mehr um dich und das es dir besser geht und das Sich die anderen um sich selber kümmern. Und vor allem, suche eine geeignete Unterbringung für deine Mutter. Das ist kein Zustand, weder für dich noch für deine Mutter.

12.08.2012 05:08 • #3





Dr. Reinhard Pichler