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J
Guten Abend,

ich habe mich hier angemeldet, um ein paar Antworten zu erhalten, die ich mir selbst nicht traue zu geben.

Hat meine Einsamkeit ein pathologisches, therapier-notwendiges Maß angenommen? Ich glaube es beinahe. Würde aber gerne eure Erfahrungen heranziehen:
- ich habe kürzlich spontan die Hochschule gewechselt, in eine kleine mittelalterliche Stadt, die mir weit mehr zusagt als die vormalige
- dummerweise kenne ich hier niemanden und aufgrund geringer sozialer Kompetenzen habe ich auch keinerlei Anschluss gefunden (wohne jetzt für etwa 4 Monate hier)
- Eine gewisse Soziophobie ist mir seit der Kindheit mehr oder weniger intensiv ausgeprägt gewesen.
- zunächst war meine Strategie die Soziophobie zu kultivieren und so habe ich mir die ganze Weltschmerz Kultur einverleibt.
- ich liebe ausgedehnte einsame spaziergänge, geistliche musik des frühbarock und rotwein. mit dieser kombination war mein leben bislang durchaus erträglich, ich würde es nicht glücklich nennen, aber mich quälte auch kein größeres unbehagen. das unbehagen, mich der jugendkultur anzupassen wäre weit schlimmer gewesen.
- inzwischen habe ich aber meine genussfähigkeit größtenteils verloren. meine studieninteressen sind auch keine sehr langlebigen , sodass ich schon zwei studiengänge abgebrochen habe und dem nächsten, den ich zum WS aufnehmen will, keine großen erfolgschancen einräume.
- desweiteren habe ich immer größere schwierigkeiten mit alltäglichen dingen, wie z.b einkaufen. dabei werde ich vor schier unlösbare kontingenzprobleme gestellt, ich weiß z.b. einfach nicht, welche kriterien ich anwenden soll, um mich für ein produkt entscheiden zu können.
- wenn ich mich in der öffentlichkeit bewege, was nur noch sehr selten geschieht, kann ich das nur, indem ich mir vorher genaue verhaltensregeln überlege, wie z.B. sieh niemandem ins gesicht, aber versuch auch nicht wegzuschauen, kleide dich zeitgemäß und unauffällig etc....
- das alles wäre weiter nicht tragisch, wenn ich wenigstens gut arbeiten und studieren könnte, aber meine konzentrationsfähigkeit nimmt zusehends ab, ebenso meine gedächtnisleistung, was sehr ennervierend ist. und darüberhinaus, wie schon gesagt, kann ich nichts mehr genießen, es ist mr gänzlich gleichgültig, welche weinsorte aus welchem anbaugebiet etc. ich trinke, es zählt nur noch das bloße trinkritual. das ist meiner ansicht sehr schade und indiz für mich, das eine geiwsse grenze überschritten wurde, aber jetzt würde mich eure meinung interessieren!

viele grüße,
johannes

11.07.2009 19:38 • 11.07.2009 #1


I
Zitat von Johannes Jamblich:
gewisse Soziophobie

So manche Ähäfrau wäre froh, wenn das Gespons sich eine Mindestschüchternheit bewahrt hätte.

Du gibst Antworten, was ist Deine Frage?

Therapiebedürftig... Ja, Du bist bescheuert. Nein, Du bist nicht bescheuert. Such Dir was aus. Ja, alle brauchen Therapie, schliesslich sind wir alle ein bischen bluna.

schier unlösbare Kontingenzprobleme ähm, *grübel* und du mi aa... Wenn Du Dich im Supermarkt nicht entscheiden kannst, dann hast Du eindeutig zuviel Geld. Therapie: Zuwenig Geld haben und das billigste oder besser das nützlichste kaufen, das Hungergefühl wird Dich gerne beraten. Im Klartext: Wenn Du weisst, wie Du Dich verhalten musst, wenn Du an die 'Lebensuntergrenze', finanziell oder auch anders kommst, dann hast Du einen wichtigen Erfahrungsschatz fürs Leben und bist vielen anderen voraus und damit steigt automatisch das Selbstwertgefühl und Du kannst den Rotwein und Deine anderen Interessen viel besser schätzen, weil Du nicht mehr abgehoben schwebend in der Vergeistigung verweilst. Get physical.

Tschonnie, warum? Er wusste zuviel.

11.07.2009 20:25 • #2


A


Bin ich noch ganz "normal"?

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K
habe deinen beitrag gelesen und wollte mal wissen wie das bei dir so ist? gehst du auf leute zu und redest du sie auch mal an? hab da eigentlich - ist auch schon einige monate her, ganz gute erfahrungen gemacht, keiner ist irgendwie ungut zu mir gewesen, bei mir ist halt leider eher das problem beziehungen zu halten. das in kontakt treten ist nicht so das problem sonder vielmehr dann, wenn es darum geht, nähe oder einfach ne richtige intensive freundschaft/beziehung aufkommen zu lassen. falls das bei dir auch letzeres ist dann gratuliere;-) kann dir auch nicht weiterhelfen...aber wenn man die banalsten sachen fragt ergibt sich oft ein gespräch und bin mal sogar mit nem wildfremden typen auf einen kaffee gegangen. zb fragst du irgendwen mal auf der uni nach nem skript oder wie ihm/ihr die vo so gefällt! und dann fragen was das zeug hält, dann ergibt sich schon ein gespräch! ja und zu deinem weinkonsum wollt ich noch fragen warum grad rotwein? lg

11.07.2009 20:30 • #3


J
Ich vergesse immer den Weißwein rechtzeitig in den Kühlschrank zu stellen^^ Hatte aber neulich auf einem Seminarsempfang einen vorzüglichen Rheingau Riesling, der mir ein paar glückliche Minuten geschenkt hat!

Zur anderen Sache: Wenn ich auf andere Personen zugehe, dann nur um bloße Notwendigkeiten anzusprechen. Für alle darüber hinaus gehenden Themen, die mit einer gewissen Selbstoffenbarung verbunden wären, fühle ich mich überhaupt nicht kompetent, bzw. kann die Folgen eines solchen Anbiederungsversuches nicht exakt bemessen, sodass ich es schon im Vorfeld unterlasse. Meistens mit dem Hintergedanken es gibt ohnehin keine gemeinsame Gesprächsbasis.

Danke für dein Interesse!

11.07.2009 20:39 • #4


J
Zitat von ixmugl:
Therapie: Zuwenig Geld haben und das billigste oder besser das nützlichste kaufen, das Hungergefühl wird Dich gerne beraten. Im Klartext: Wenn Du weisst, wie Du Dich verhalten musst, wenn Du an die 'Lebensuntergrenze', finanziell oder auch anders kommst, dann hast Du einen wichtigen Erfahrungsschatz fürs Leben und bist vielen anderen voraus und damit steigt automatisch das Selbstwertgefühl und Du kannst den Rotwein und Deine anderen Interessen viel besser schätzen, weil Du nicht mehr abgehoben schwebend in der Vergeistigung verweilst. Get physical.

Tschonnie, warum? Er wusste zuviel.


Ja, diese Therapie habe ich mir insofern zu eigen gemacht, als dass ich schon sehr asketisch lebe, ich trage z.B. kein Geld in Kneipen oder ins Kino oder für sonstwelche Volksbelustigungen. Die mir monatlich von Seiten meiner Eltern zukommende finazielle Unterstützung habe ich auf ein Mindestmaß begrenzt, aber auch diese lässt mich ständig ein schlechtes Gewissen im brechtschen Sinne haben: nichts, was ich tue, berechtigt mich, mich satt zu essen

11.07.2009 20:48 • #5


I
Zitat von Johannes Jamblich:
bzw. kann die Folgen eines solchen Anbiederungsversuches nicht exakt bemessen

Es ist normal, jede Kontaktaufnahme birgt Chancen und Risiken in sich. Es gibt aber auch noch eine andere Gefahr: Sich durch den neuen Kontakt überfordert fühlen und ihn nicht abbrechen/begrenzen zu können. Dein Verhalten scheint möglicherweise eine Vorsichtsmassnahme Deines Unterbewussten vor Überforderung zu sein.

Wie lernt der Fischadler das Fliegen? Indem er den anderen *beep* zusieht und irgendwann einem inneren Drang nachgibt und mit ausgebreiteten Flügeln in die Tiefe stürzt.

*hicks*

11.07.2009 20:50 • #6


K
ja, mir geht das auch oft so, dass wenn ich leute kennenlerne, dass ich mir oft überhaupt nicht vorstellen kann dass daraus mehr wird, also freundschaft. weil ich eben anders bin und mich teilweise schäme mein innerstes nach aussen zu stülpen. was auch wieder total blöd ist weil ich mir es so sehr wünsche einfach nur verstanden zu werden, egal von wem. das ich mit jemanden face to face reden kann ohne mich verstellen zu müssen. auch für mich bedeutet fortgehen nicht die welt. aber ich hätte so gerne jemanden mit dem ich über alles reden kann ohne dauernd dran denken zu müssen was sag ich im nächsten augenblick. Vielleicht ist diese angst, nur deshalb so, weil ich mich anderen nicht öffnen kann, oder viel nähe aushalte. Weil ich glaube am ende sind alle enttäuscht von mir wenn sie erst mal mein inneres kennen. Und dann lass ich niemanden an mich ran, weil wenn derjenige von mir enttäuscht wäre, mach ich lieber als erster schluss, oder entziehe mich einer gewissen freundschaftlichen verantwortung. Dabei war jetzt keiner aufgrund meiner nähe zu mir böse auf mich sondern weil ich mich dann immer entziehe, also einen auf rückzug mache. Da sind sie dann schon enttäuscht. Nicht weil sie meine nähe nicht ertragen oder so. sondern weil ich nicht da bin und mich eine gewisse weile nicht melde. Aber so mache ich das eigentlich immer. So richtig rangelassen hab ich bis jetzt noch niemanden. Weil ich könnte mit so einer enttäuschung nicht umgehen, wenn jemand mich richtig wahrhaftig kennt und dann nix mehr von mir wissen will. . Aber zum jetzigen standpunkt oder zur lage kann ich nur sagen dass ich mich nicht unbedingt der angst gegenüber geschlagen gebe. Ich kämpfe und mache trotzdem meine sachen. Auch wenn das nicht sehr viel ist, und sachen für andere leute selbstverständlich sind, sind sie für mich doch ein kleiner triumph über die schei.. Zb reisen machen, im flieger sitzen, alleine bus fahren, alleine in der stadt unterwegs sein, sich auf andere verlassen und ihnen vertrauen fällt mir auch schwer, weil dann begebe ich mich praktisch in ihre hände und wer garantiert mir dass nichts schiefgeht. Deswegen lasse ich mich ungern von freunden von zuhause abholen sondern fahr lieber selber damit ich für den fall dass mir schwindlig wird jeder zeit heim fahren kann ohne dass die anderen dann auch gehen müssen. Will denen ja nicht den abend versauen. Und solche überlegungen ja, die hast du wenn du angst hast, du schaust wie komm ich aus der und der situation raus damit ich mich oder andere nicht zu sehr belaste. Und diese beschäftigung damit belastet ja eigentlich schon.. Oder dass man den freunden sagt man geht jetzt nicht fort, weil man zu lernen hat. Dabei bleibt man daheim und sieht fern. Einfach weil man nicht kann. Weil man sich nicht gut fühlt und weiss wenn man heute geht, ist man erstens mies drauf, zweitens hat man angst dass man das einen ansieht und drittens hat man die befürchtung die miese stimmung wird sich im laufe des abend sicherlich nicht ändern und dann wäre man für die anderen wieder nur eine belastung. Wenn ich mit anderen fortgehe, bin ich fast immer bestens gelaunt, mache einen auf party. Wenn es mir mal schlecht geht, ich zum beispiel nach luft schnappe, weil irgendwie wieder die angst kommt, dann sage ich nichts. Ich bleib dann meistens irgendwo regungslos sitzten und sage fast nichts. Was auch etwas verdächtig ist, weil sonst quatsche ich in einem fort und dann wenn es mir mies geht halte ich die klappe und wird richtig wortkarg. Mir fällt es einfach sehr schwer anderen zu sagen wie ich mich fühle besonders wenn es mir nun mal beschisssen geht. Ich glaube die würden mich als depressive unlustige nicht lebensfrohe traurige schachtel ansehen. Und wenn sie dieses bild von mir hätten, also da wär ich echt nicht einverstanden damit.
Und ich muss aufhören damit dauernd so schnell vorurteile anderen gegenüber zu haben. Oft denke ich , mah was redet die oder der denn, gottes willen ist der blöd. Aber ich muss einfach anfangen das gute in den menschen zu sehen, dann bekomme ich mehr vertrauen in sie.
Ja, auch das mit der konzentration ist so ein problem. Ich kann mich einfach nicht auf den lernstoff konzentrieren, das ist einfach so viel. Und dann habe ich überhaupt keine lust mehr und leg alles zur seite. Ich weiß nicht mehr weiter. ich mein ich wollte ja immer studieren, immer schon. Aber wenn ich sehe wie sehr ich mich quäle…
Ich würde soooo gerne menschen kennen lernen denen es genauso geht, weil ich habe einfach das gefühl, selbst wenn ich es meinen freunden oder der familie sagen würde, würden sie es nicht VERSTEHEN. Und ich möchte so gerne einfach nur verstanden werden.

11.07.2009 21:58 • #7





Dr. Reinhard Pichler