Pfeil rechts

R
Hallo,

würde gerne mal ein allgemeines Thema ansprechen. Ängste entstehen in uns selbst. Auffällig finde ich dabei, dass diese Ängste gefühlsbetont sind. Aus rationalen Gedanken entspringen sie nicht. Dabei gibt es doch den allgemeinen Trend, dass Gefühle höher stehen als Rationalität. Jeder Psychologieratgeber preist Gefühle als sehr wichtig an. Und viele Menschen bekennen sich dazu, im Zweifelsfalle sich für den Bauch und gegen den Kopf zu entscheiden. Genau da sehe ich aber ein Grundübel bei der Entstehung von Ängsten. Man setzt Subjektivität über Objektivität, Bauch über Kopf, Gefühle über Rationalität.

Dabei sind Ängste nicht das Ergebnis von rein emtionslosen und rationalen Gedanken. Man würde nie solche Ängste vor einer schweren Krankheit wie Krebs oder dem Herztod haben, wenn man sich die Statistik mal anschauen würde.

Deshalb mal als provokante These, das stände Propagieren einer gefühlsbetonten Weltansicht führt letztlich in die Sackgasse und damit haben Angstpatienten ganz schön zu kämpfen.

MfG
Raj

05.10.2009 21:22 • 16.10.2009 #1


L
Ich weiß nicht...empfindest Du das so? ich hab eher das Gefühl das man heutzutage angewiesen wird seine Gefühle zu verbergen um in der Welt klar zu kommen. Aber vielleicht versteh ich das auch nur falsch?

Mein Thera sagt immer, man kann seine Gefühle nicht kontrollieren, sie sind da, man muss sie nur richtig bewerten und die Gefühle nicht als absolute realität sehen. Soviel zur Theorie...praktisch klappt das bei mir nie

06.10.2009 13:17 • #2


A


Kopfmensch vs. Gefühlsmensch

x 3


A
Ganz im Gegenteil. Ständige Kopfsteuerung lässt den emotionalen Bereich verkümmern, und daher kommen dann oft die Ängste. Eigene Erfahrung...

06.10.2009 13:27 • #3


Christina
Zitat von Raj:
Ängste entstehen in uns selbst. Auffällig finde ich dabei, dass diese Ängste gefühlsbetont sind. Aus rationalen Gedanken entspringen sie nicht.
Gefühle entstehen doch aus Gedanken, die dann aber nicht rational und korrekt bewertet werden. Z.B. ist der Gedanke, an Krebs erkrankt zu sein, zu Recht angsteinflößend. Nur hört man m.E. genau an dieser Stelle auf, klar oder rational zu denken, und versucht stattdessen alles, die aufkommende Todesangst irgendwie zu dämpfen. Dabei ist es mit der rationalen Überlegung zur Krebswahrscheinlichkeit etc. nicht getan. Denn mit dem Gedanken an Krebs ist doch auch der Gedanke an die eigene Sterblichkeit aufgekommen, und die ist Realität. Damit muss man sich auseinandersetzen, diese Angst muss man zulassen und aushalten. Und wenn man diese grundsätzliche Angst nun nicht von der konkreten Krebsangst trennen kann, fängt das Hamsterrad der Befürchtungen, Arztbesuche, Kontrollen und neuen Befürchtungen an zu laufen.

Zitat von Raj:
Dabei gibt es doch den allgemeinen Trend, dass Gefühle höher stehen als Rationalität.
Das erlebe ich nicht so. Ich habe eher im Gegenteil den Eindruck, dass Selbstkontrolle und (scheinbare) Rationalität sehr hoch im Kurs stehen, dass Gefühle zu zeigen immer noch gerne als Schwäche ausgelegt wird. Ich sehe eher eine Gefahr darin, dass (negative) Gefühle um jeden Preis unterdrückt werden und so zur Grundlage von psychischen Problemen werden.

Zitat von Raj:
Genau da sehe ich aber ein Grundübel bei der Entstehung von Ängsten. Man setzt Subjektivität über Objektivität, Bauch über Kopf, Gefühle über Rationalität.
In dem Moment, in dem man die übertriebene, krankhafte Angst bereits hat, gebe ich Dir damit völlig Recht. Da neigt man dazu, eine Gefahr anzunehmen, weil man Angst hat. Und da kann es die Angst lindern, wenn man versucht, sich auf den Boden der Realitäten zurück zu holen.

Zu Deinem Thema passend habe ich hier im Forum vor ein paar Wochen mal einen Link zur ACT (Acceptance and Commitment Therapy) gesehen: http://www.daslebenannehmen.de. Ich fand das sehr interessant und beschäftige mich zur Zeit auch damit.

Liebe Grüße
Christina

06.10.2009 16:53 • #4


J
hi,

muss christina mal recht geben, das denken beeinflusst unsere Gefühle, wir fühlen quasi, wiw wir denken.

Negative Gedanken, negative Gefühle
Positive Gedanken, positive Gefühle

Hier mal ein kurzer Ausschnitt, weiteres findes du in dem Link in dem Expertenrat unten:

Gewöhnlich beachten wir unser Denken relativ wenig. Unser Augenmerk liegt auf unseren Gefühlen. Selbst wenn wir sehr starke negative Gefühle verspüren, kommen wir häufig gar nicht auf die Idee, mal nach unseren Gedanken zu schauen. Das ist bedauerlich, denn unsere Gedanken spielen eine sehr große Rolle für unsere Gefühle. Über eine Veränderung unserer Gedanken können wir unsere Gefühle beeinflussen.



hier findet man sehr interessante Sachen, wie man die Gefühle beeinflussen kann, eben neu bewerten..

ganz lieben grüße sendet dir

JoGroHol

06.10.2009 18:19 • #5


R
Hallo,

erstmal vielen Dank für die Beiträge, die Ihr geschrieben habt. Sie haben mich zum denken angeregt. Zunächst zu der These, dass in der Öffentlichkeit Gefühle über Rationalität stehen. Das mag meine subjektive Wahrnung sein. Ich war schon immer ein ausgesprochener Kopfmensch und bekam öfters zu hören, ich soll mehr auf meine Gefühle hören und nicht so verkopft handeln. Jemand der hauptsächlich Bauchmensch ist, wird wohl genau das Gegenteil zu hören bekommen. Das ist so wie mit der Politik, der eine findet, es gibt zuviel Staat und Reglimentierungen und der andere meint, der Staat ziehe sich immer mehr zurück. Man nimmt hauptsächlich die Gegenseite wahr.

Zu dem Punkt, dass negative Gedanken negative Gefühle erzeugen. Nun, ich sehe es auch so, dass wir mit unserem Denken viel Einfluss auf unsere Gefühlswelt haben. Aber alles kann man damit nicht in Ordnung bringen. Zum Beispiel eine Depression muss man häufig mit Medikamenten behandeln, weil eine Psychotherapie alleine keinen Erfolg bringt. Für mich gibt es einen inneren Widerspruch. Momentan habe ich viele negativen Gefühle. Wenn ich nun diese Gefühle noch mehr zulasse, dann geht es mir doch noch schlechter. Also welchen Nutzen habe ich, wenn ich mehr auf diese (negativen) Gefühle höre? Wie soll man überhaupt solche Gefühle bewerten?

MfG
Raj

07.10.2009 14:58 • #6


J
Hi Raj,

du wirst dies nicht verdrängen können, Du muss die Dinge, die Situation neu bewerten. Es gibt da in der Verhaltenstherapie Werkzeuge. Ich bin auch Depressiv und war schon zur Reha, ich weiß also nur zu gut, was einem in Kopf rumschwirrt!! Ich möchte mal versuchen, Dir ein Beispiel aufzuzeigen:

A: die Situation

Du fährst mit deinem Auto durch die Stadt und musst an der Ampel halten. Plötzlich fährt Dir eine anderen hinten drauf.

B: die Bewertung

Du denkst Dir, dieser Idiot, kann der nicht aufpassen, was fährt der mir hinten drauf...

C: das Gefühl, Körperreaktion

Du bist ärgerlich, schäumst wor Wut, schreist, regst Dich auf, möchtest den Typ am liebsten umhauen

In diesen Fällen, musst Du nun die Situation neu bewerten, eine alternative suchen.....

A: die Situation bleibt die gleiche...

B: nun versuche einmal die Situation neu zu bewerten, in Frage zu stellen... sag Dir, man toll, es ist mir nichts passiert, alles noch mal gut gegangen, nur Blechschaden, Du steigst aus und fragst ob dem anderen was passiert ist, sprichst mit ihm...

C: das Gefühl wird sich ändern, du bist erleichtert, gelassener, ruhiger

Ich hoffe, das ich es ein wenig rüberbringen konnte, bin schließlich kein Therapeut Dies wird nach einiger Zeit automatisch in dir ablaufen, Du wirst plötzlich anfangen im Kopf bei negativen Gedanken, Dir erstmal die Frage stellen.. Moment mal, stimmt das jetzt und suchst Alternativen.

Hier nochnal zum nachlesen:



Ich kann Dir auch ein Buch empfehlen, wo alles nochmal ausführlich beschrieben wird und sehr viele andere Themen behandelt. Ich denke, das Du dich in diesem Buch häufig wiederfinden wirst.



Ich hoffe, ich konnte Dir weiterhelfen und sende Dir lieb Grüße und auch Du schaffst das

JoGroHol

07.10.2009 15:38 • #7


R
Hallo JoGroHol,

doch, es ist verständlicher gewurden. Neubewerten heisst dann auch, die Sache aus einem anderen Blickwinkel oder einer anderen Voraussetzung sehen (was mir persönlich schon häufig geholfen hat) und sich nicht über jede unbedeutende Sache aufzuregen.

Danke
Raj

07.10.2009 15:53 • #8


J
Hi Raj,

genauso ist es!

Zitat aus dem Expertenrat:

Schon vor 2000 Jahren lehrten die Stoiker:
Nicht die Dinge beunruhigen die Menschen, sondern ihre Meinung über die Dinge. Wenn wir also auf Schwierigkeiten stoßen, in Unruhe und Kümmernis geraten, dann wollen wir die Schuld niemals auf einen anderen schieben, sondern nur auf uns selbst, das heißt auf unsere Meinung von den Dingen.

Anders ausgedrückt: Sie fühlen, wie Sie denken.

Es ist immer Ihre ganz persönliche und subjektive Bewertung, die Sie einer Sache beimessen, die darüber entscheidet, wie Sie sich fühlen. Nur so ist es zu erklären, dass zwei Menschen ein und dieselbe Erfahrung machen und dennoch verschieden darauf reagieren.

Zitat Ende.

Lies dir die Links nochmal durch und wenn Du Fragen hast kannst Du mich gerne Fragen.

Schön, dass Du es für Dich nutzen kannst, dass freut mich sehr!!

Lieben Gruß

joGroHol

07.10.2009 16:16 • #9


Q
Hallo,

@ Raj
ich finde gut, wenn mal etwas auch in Frage gestellt wird.

@alle
Ich fühle, was ich denke ??

Wenn mir jetzt wegen der Witterung draußen mal kalt wird (Gefühl) denke ich nur das es kalt ist ?? Klar ich kann mir warme Gedanken machen aber ich ziehe einfach mich entsprechend an.
Was ist an den Gefühl Kälte anders als bei Angst ?? - oder Liebe oder Hass, Trauer.

Bin gespannt hier auf die Antworten (der Experten)

VG

07.10.2009 18:35 • #10


J
Hallo Queer Fellow,

wer sagt hier, wir wären Experten!!? Dann hast Du wohl was falsch verstanden oder gelesen.

Ich war Zur REHA und da wurde es genauso angewandt, oder möchtest Du das jetzt auch in Frage stellen, bist DU etwa Experte??

Ich empfehle Dir die in dem Beitrag genannten Links zu lesen, vllt. wird es Dir dann auch verständlicher. Ich sage nur, wer lesen kann, ist klar im Vorteil

Falls Du damit auch nicht weiterkommst, kannst Du das nochmal als extra Beitrag bei Angst und Panik Hilfe von Experten als Frage einstellen.

Lg JoGroHol

07.10.2009 19:17 • #11


Q
Hallo JoGroHol,

also mit Experten meine ich hier diejenigen, die sich fachlich intensiver mit der Psyche befassen und da scheint es schon hin und wieder einige hier zu geben.

Ich bin absoluter Laie und habe mir nichts angelesen.

Ich habe mir den Hinweis mit dem Link zu Herzen genommen (ABC der Gefühle). Das was da steht ist schon klar, bis auf die Ableitung das nun negative Gedanken (die aus negativen Gefühlen von erlebten Situationen herrühren) nun wieder losgelöst werden von den Situationen.
Der Grund dafür ist mir verborgen geblieben.

Ich habe auch bewußt so ein simples Gefühl wie frieren gewählt. Was spielt das da für eine Rolle was ich denke ? Wenn ich positiv denke wird wir warm ?? - Wenn dem so wäre würde ich mich wirklich für geisteskrank halten. Außerdem wäre es bedenklich, wenn ich solche Kräfte über Gedanken in Gange bringen würde. Das würde mir Angst machen. Da steh ich kurz vorm verrücktwerden, denke ich.
Mit Gedanken bewegt man fast gar nichts im Leben würde ich frech behaupten wollen.

Experten werde ich nicht damit beschäftigen wollen. Da fehlen mir die Argumente. Die sind so geschickt in Antworten, darauf laass ich mich nicht ein. Die wissen sowieso alles besser. Antworten suche ich in mir selbst - in meinem Körper. Und der läßt sich nicht täuschen.

Ich glaube noch nicht mal, das ich irgendein Gefühl oder Gedanke jemals erfunden oder überbewertet habe. Es ist die Folge dieser Situationen die mich zu dem machen, wie ich heute bin. Was ich denke spielt nicht so die Rolle dabei.

Sind Wünsche nicht z.B. auch Gedanken. Da würde ich mir glatt ein Lottogewinn mal wünschen. Was sind Wünsche überhaupt - oder sind das doch keine Gedanken ?!!

VG

Und nicht böse sein, wenn ich hier etwas provoziere.

07.10.2009 23:11 • #12


Christina
Zitat von Queer Fellow:
Ich habe auch bewußt so ein simples Gefühl wie frieren gewählt. Was spielt das da für eine Rolle was ich denke ?
Keine. Frieren ist ein Gefühl im Sinne einer haptischen Wahrnehmung, Angst, Trauer, Freude etc. sind Gefühle im Sinne von Emotionen. Bei der Psyche geht's um Emotionen.

Zitat von Queer Fellow:
Wenn ich positiv denke wird wir warm ??
Mit Autogenem Training soll sogar das gehen, allerdings nicht über positives Denken, sondern über intensive Vorstellungen/Autosuggestionen, die tatsächlich die Durchblutung beeinflussen können. Das hat natürlich seine Grenzen.

Zitat von Queer Fellow:
Mit Gedanken bewegt man fast gar nichts im Leben würde ich frech behaupten wollen.
Stimmt. Und diese Überzeugung bewahrt Dich vor einer der schlimmsten Störungen, vor Zwangsgedanken nämlich.

Zitat von Queer Fellow:
Sind Wünsche nicht z.B. auch Gedanken. Da würde ich mir glatt ein Lottogewinn mal wünschen. Was sind Wünsche überhaupt - oder sind das doch keine Gedanken ?!!
Doch, Wünsche sind Gedanken. Aber da Gedanken allein nichts bewegen, wird das mit dem Lottogewinn nichts. Tun musst Du auch noch was, nämlich den Lottoschein ausfüllen, abgeben und bezahlen. Reichen wird das trotzdem nicht, sogar für einen Dreier muss Dir der Zufall zu Hilfe kommen.

Liebe Grüße
Christina

08.10.2009 13:00 • #13


Q
Hallo Christina,

danke für deine Bemerkungen dazu. Da gibts nichts zu rütteln an deinen Kommentaren.
(Ich muß jetzt aufpassen, das ich nicht vom Thema hier abschweife.)
Es ging ja um das Gefühl Angst und die Gedanken.

Das Gefühl frieren ist auch nur erstmal ein Gefühl wie z.B. die Emotion Angst also. Frieren kommt durch Kälte und Angst .. woher kommt die nun. Es muss ja denke ich immer eine Gefahr hinter jeder Angst stecken. Hier spielen eigene Erlebnisse die man als gefährlich in seinem Leben erkannt hat immer eine Rolle sicher, z.B. eine erlebte PA. Das man dann davor Angst hat ist normal und nicht krank und ein Vermeidungsverhalten ist eigentlich für mich das logischste und normalste dabei. Und da brauche ich mir erstmal nicht viel Gedanken zu machen warum, der Grund ist offensichtlich diese erlebte PA.
Den Einfluss des Denkens (Gedanken) hatten wir ja schon klargemacht (gering). Wenn ich die praktizierten Therapien aber richtig verstanden habe, bauen die nun auf Gedanken auf und versuchen da was zu bewegen. Aus meiner Sicht würde ich aber nun feststellen, das das ziemlich aussichslos ist, weil die Gedanken ja kaum Einfluss darauf haben können, bestenfalls sehr begrenzten Einfluss.

Übersehe ich hier was ??
Irgendwie komm ich jetzt nicht klar, wieso positive Gedanken nun was ausrichten sollen.
Es muss doch jetzt ein Umstand zutreffen, das ich bei den Emotions-Gefühlen (Angst) einen doch deutlicheren Einfluss habe müsste mit Gedanken.

Ich denke auch, das die Ursachen immer VOR der ersten erlebten PA sein müssen, denn zuvor hat man ja immer solche Situationen (ohne sich jemals darüber Gedanken zu machen) gemeistert. Man hatte KEINE Angst davor ! Also kann hinter dem Gefühl Angst sich nicht die Lösung verbergen - oder doch ? Wieso doktort man nun an der Angst herum, sieht nur noch das Gefühl als krankhaft und als Folge falschen Denkens ?

Aber vielleicht ist hier die PA nicht das richtige Beispiel, da es ja um Zukunftsängste (generalisierte Angsstörung) geht und man sollte mal anhand eines anderen treffenderen Beispiels da mal versuchen was rauszubekommen. (Nicht umsonst hat uns die Natur mit dem Denken versehen. Hier sind Gedanken nun auch mal angebracht und sehr nützlich für uns und vielleicht eigentlich auch nur dazu da - und nicht um Gefühle zu beeinflussen). Im Moment fällt mir nichts ein, Vielleicht hat jemand hier eine Idee.
Ich persönlich kenne aber keine Angst hinter der ich nicht zumindestens heute eine Gefahr vermuten würde. Und das Gefühl Angst ist stärker als mein Verstand. Das zeigt sich schon allein bei den Körperreaktionen die darauf folgen. Und ich glaube auch, das das vernünftig so ist.

VG

08.10.2009 21:50 • #14


Christina
Zitat von Queer Fellow:
Das Gefühl frieren ist auch nur erstmal ein Gefühl wie z.B. die Emotion Angst also. Frieren kommt durch Kälte und Angst .. woher kommt die nun. Es muss ja denke ich immer eine Gefahr hinter jeder Angst stecken.
Das Entscheidende ist, dass die Gefahr hinter der Angst immer nur die wahrgenommene Gefahr sein kann. Wenn ich ein heranrasendes Auto nicht bemerke, habe ich in dem Moment auch keine Angst davor, obwohl eine reale Gefahr besteht. Wenn ein großer Hund auf mich zustürmt, der tatsächlich nur spielen will, habe ich wahrscheinlich Angst, ohne dass eine reale Gefahr besteht. Insofern ist der Einfluss des Denkens und Bewertens enorm.

Zitat von Queer Fellow:
Hier spielen eigene Erlebnisse die man als gefährlich in seinem Leben erkannt hat immer eine Rolle sicher, z.B. eine erlebte PA. Das man dann davor Angst hat ist normal und nicht krank und ein Vermeidungsverhalten ist eigentlich für mich das logischste und normalste dabei. Und da brauche ich mir erstmal nicht viel Gedanken zu machen warum, der Grund ist offensichtlich diese erlebte PA.
Angst und Vermeidung als Konsequenzen einer PA sind logisch, die wahrgenommene Gefahr ist schließlich groß. Aber wie groß ist die reale Gefahr?

Zitat von Queer Fellow:
Wenn ich die praktizierten Therapien aber richtig verstanden habe, bauen die nun auf Gedanken auf und versuchen da was zu bewegen. Aus meiner Sicht würde ich aber nun feststellen, das das ziemlich aussichslos ist, weil die Gedanken ja kaum Einfluss darauf haben können, bestenfalls sehr begrenzten Einfluss.
Die Therapien setzen bei der Bewertung der Gedanken an. Ist die wahrgenommene Gefahr tatsächlich so groß, oder ist da vielleicht gar keine reale Gefahr? Mit der Bewertung allein ist es natürlich nicht getan, man muss auch klären, ob eine Gefahr besteht, wie groß sie ist, ob man sie verringern kann und wie man mit Restrisiken umgeht. Es muss z.B. mal abgeklärt werden, ob man organisch gesund ist. Wenn man Angst hat, ohnmächtig zu werden, kann man üben, den Kreislauf z.B. auch bei längerem Stehen stabil zu halten, und man kann sich damit auseinander setzen, dass von einer Ohnmacht i.d.R. keine Gefahr ausgeht. Sie ist vielleicht peinlich und unangenehm, mehr aber nicht. Wenn man befürchtet, verrückt zu werden, muss man schauen, wie das eigentlich aussehen soll und wie wahrscheinlich es ist. Bei einer Hundephobie muss man sich klar machen, dass nur die wenigsten Hunde bissig sind, außerdem kann man üben, mit Hunden umzugehen.

Das ist aber längst nicht alles. Im Moment der Angst ist die Angst immer schneller als jeder klare Gedanke und erst recht viel schneller als korrigierte Bewertungen, die erst eingeübt werden müssen. Das ist aus evolutionären Gründen so, es ist nunmal sicherer fürs Überleben und die Gesundheit, einmal zuviel aus Angst wegzulaufen, als eine reale Gefahr zu übersehen. Nur ist es natürlich unangenehm, jedesmal an der Supermarktkasse, beim Spaziergang im Park oder sogar daheim auf dem Sofa einen gigantischen Fehlalarm zu erleben.

Deshalb macht man in der VT Folgendes: Erstens muss man das Korrigieren der Bewertungen üben, üben und nochmals üben. Man sammelt (natürlich in ruhigen Momenten) alle Befürchtungen, die so auftreten, und überprüft sie auf tatsächliche Gefahren. Dabei kann man sich auch Spickzettel machen, damit man die realistische Einschätzung auch im Ernstfall dabei hat. Im Ernstfall einer PA wird das aber noch nicht reichen. Deshalb muss man - wenigstens zu Anfang - die bewusste Entscheidung treffen, sich der Angst zu stellen, sich also zu konfrontieren. Das hat den Vorteil, dass man nicht kalt von einer PA erwischt wird, so dass die Korrektur der Bewertungen diesmal greifen kann. Außerdem wird das normalerweise durch Techniken ergänzt, mit denen man die Angst während der Konfrontation besser durchstehen kann. Damit macht man die Erfahrung, dass keine reale Gefahr besteht. Und wenn man diese Erfahrung oft genug macht, setzt sich mit der Zeit auch wieder die automatische Bewertung ungefährlich durch.

Zitat von Queer Fellow:
Irgendwie komm ich jetzt nicht klar, wieso positive Gedanken nun was ausrichten sollen.
Es geht nicht um positive Gedanken, sondern um realistische Bewertungen. Und es gehört auch dazu, abzuwägen, wieviel Risiko man einzugehen bereit ist. Das muss man immer selbst entscheiden. Wer auch nach reiflicher Überlegung absolut sicher gehen will, niemals in der Öffentlichkeit ohnmächtig zu werden, weil er das persönlich unerträglich fände, kann tatsächlich die eigenen vier Wände nicht mehr verlassen. Es gibt bissige Hunde, und wer absolut sicher sein will, niemals mit einem solchen in Kontakt zu kommen, muss Hunde und alle Orte, wo sich welche aufhalten könnten, komplett meiden. Es ist realistisch, dass Menschen einen Herzinfarkt erleiden können und dass dieser oft mit Schmerzen im linken Brustbereich einher geht. Aber es ist extrem unwahrscheinlich, dass einigermaßen junge, gesunde (und meist top-untersuchte) Menschen einen Herzinfarkt bekommen, und Herzstiche sind auch kein Symptom dafür. Komplett meiden lässt sich das Risiko eines Herzinfarktes auf das ganze Leben gesehen aber nicht.

Zitat von Queer Fellow:
Ich denke auch, das die Ursachen immer VOR der ersten erlebten PA sein müssen, denn zuvor hat man ja immer solche Situationen (ohne sich jemals darüber Gedanken zu machen) gemeistert. Man hatte KEINE Angst davor ! Also kann hinter dem Gefühl Angst sich nicht die Lösung verbergen - oder doch ? Wieso doktort man nun an der Angst herum, sieht nur noch das Gefühl als krankhaft und als Folge falschen Denkens ?
In der VT unterscheidet man da mehrere Dinge: die Auslöser der Angst (1), die allgemeine Lebenssituation (2), in der die Angst dann erstmals akut geworden ist, grundlegende Überzeugungen (3), die man immer schon mit sich rumgeschleppt hat, und Bedingungen (4), die die Angst aufrecht erhalten.

Ad (1): Ein Auslöser kann ganz popelig sein - eine Körperwahrnehmung z.B., der man bisher nie Beachtung geschenkt hat. Man bemerkt einen Stich in der Herzgegend, denkt erstmals in diesem Zusammenhang an Herzinfarkt (womit man sich noch nie beschäftigt hatte) und steigert sich ruckzuck in die erste PA hinein.

Ad (2): Die meisten Menschen bekommen wegen (1) keine PA. Das wird so erklärt, dass normalerweise die Angstschwelle höher liegt. Wenn man aber schon ganz allgemein in irgendeiner Form unter Stress steht, braucht es nicht mehr viel (mehr), um richtig Angst zu bekommen. So, wie Hochwasser vom Deich zurück gehalten wird, aber eine einzelne Welle trotzdem mal drüber schwappen kann. Und zum Stress gehören auch durchaus positive Dinge, wie z.B. ein Schulabschluss (der ja mit massiven Veränderungen im Leben einher geht), ein Umzug, Heirat, Familienzuwachs etc.

Ad (3): Alle Menschen haben grundlegende Überzeugungen, die ihre Bewertungen von Situationen beeinflussen. Wenn man die Grundüberzeugung mitbekommen hat, dass man keine Schwäche zeigen darf, ist eine Ohnmacht in der Öffentlichkeit etwas Bedrohliches. Deshalb muss man an solchen schädlichen Überzeugungen (die ja auch Gedanken sind) arbeiten, sonst wird man seines Lebens nicht mehr froh.

Ad (4): Wenn man mal auf den Geschmack (der Vermeidung) gekommen ist, kann die einige nützliche Effekte haben. Vielleicht wird man bedauert, umsorgt und versorgt, findet Beachtung, wo man sonst keine fände. Vielleicht kann man wegen der Angst sehr schmerzhafte Konflikte nicht mehr angehen, wie z.B. die eigentlich fällige Trennung vom Partner. Vielleicht erspart die Angst vor der Busfahrt zur Uni die Auseinandersetzung mit einer größeren Angst, der Angst dort zu versagen. Nun hat das mit Gedanken und Bewertungen nicht so viel zu tun. Man muss sich trotzdem drum kümmern, weil man sonst an Gedanken und Bewertungen inklusive Konfrontation arbeiten kann, bis man schwarz wird...

Zitat von Queer Fellow:
Aber vielleicht ist hier die PA nicht das richtige Beispiel, da es ja um Zukunftsängste (generalisierte Angsstörung) geht
Doch, doch, PAs sind m.E. geeignete Beispiele. Das Prinzip ist mehr oder weniger immer das Gleiche.

Liebe Grüße
Christina

09.10.2009 12:09 • #15


Q
Danke für die Antwort

werde mal darüber nachdenken und mich dann vielleicht noch mal hierzu melden.

VG

09.10.2009 22:09 • #16


Q
Hallo,

was Christina hierzu sagt finde ich alles auch richtig soweit.

Nach meinen bisherigen Überlegungen komme ich für mich zu keiner Erkenntnis, die mir weiterhilft.
Ich kenne Situationen, wo meine Gedanken Gefühle (Emotionen) erzeugen oder verstärken und auch mein Verhalten bestimmen, genauso wie ich in manchen Situationen nur nach Emotionen handle.
Ich messe Gedanken eigentlich wenig Bedeutung bei, andererseits haben Gedanken vermutlich auch bei mir zu den psych. Beschwerden geführt und damit doch einen riesigen Einfluss.

Ich glaube, ich komm hier nicht weiter und könnte endlos über das Thema Gefühl-Gedanken diskutieren. Das bringt nichts.
Ich zerbrech mir jetzt nicht den Kopf weiter darüber.

@Christina,

danke nochmal für die ausführlichen Antworten. Haben zum Nachdenken angeregt, aber ist leider nichts Neues raus gekommen bei mir. Daher will ich das hier nicht in die Länge ziehen.
Die einzige Erkenntnis (für mich) daraus ist, das ein anderer Ansatz vielleicht her müsste.

VG

14.10.2009 22:32 • #17

Sponsor-Mitgliedschaft

G
Zitat von Christina:
Wenn man Angst hat, ohnmächtig zu werden, kann man üben, den Kreislauf z.B. auch bei längerem Stehen stabil zu halten, und man kann sich damit auseinander setzen, dass von einer Ohnmacht i.d.R. keine Gefahr ausgeht. Sie ist vielleicht peinlich und unangenehm, mehr aber nicht.

Naja, wenn es irgendwo auf einer Straße o.ä. passiert, kann es sein, dass man keine Handtasche und damit keine Ausweise, kein Geld und keine Wohnungsschlüssel mehr hat, wenn man wieder aufwacht - der Dieb einem aber stattdessen womöglich noch die Wohnung ausräumt. Das ist dabei meine Angst. Wenn man Pech hat, kann man mit dem Kopf auf etwas Hartes fallen und sich erheblich verletzen.

In den Fällen, in denen ich bisher ohnmächtig geworden bin, ist zum Glück nichts passiert und die Leute waren sehr hilfsbereit. Aber die Zeiten werden leider offensichtlich härter.

Wie kann man denn üben, seinen Kreislauf auch bei längerem Stehen stabil zu halten?

15.10.2009 00:06 • #18


Christina
Zitat von GastB:
Wenn man Pech hat, kann man mit dem Kopf auf etwas Hartes fallen und sich erheblich verletzen.
Ist meiner Mutter mal passiert. Sie hatte krampfhaft versucht, sich auf den Beinen zu halten, statt sich dem Boden schon mal anzunähern. Man fällt ja normalerweise nicht um wie ein Stein. Sie hatte eine Gehirnerschütterung, diese aber auch folgenlos verkraftet. In der Klinik, im Anti-Angsttraining, haben wir tatsächlich geübt, im Fall des Falles sanft zu Boden zu gleiten. Das kann man, indem man zuerst auf die Knie fällt und dann quasi zur Seite abrollt.

Zitat von GastB:
Wie kann man denn üben, seinen Kreislauf auch bei längerem Stehen stabil zu halten? ), auf die Zehenspitzen gehen - jedenfalls die Beinmuskulatur aktiv halten, denn das Versacken von Blut ist der Grund für die Ohnmacht. Das sind Tipps, die z.B. OP-Schwestern oder Zahnarzthelferinnen bekommen, die oft lange stehen müssen, ohne dabei wirklich körperlich aktiv sein zu können. Und da ist es nicht der Hit, wenn die neben dem Patienten zusammen sacken. Und für die Fälle, in denen man wirklich still stehen muss, der Tipp für Soldaten z.B. beim Gelöbnis (da stehen die auch ziemlich lange und komplett unbeweglich): Zehen in den Schuhen bewegen.

Liebe Grüße
Christina

15.10.2009 12:02 • #19


R
Hallo GastB,

Zitat von GastB:
Naja, wenn es irgendwo auf einer Straße o.ä. passiert, kann es sein, dass man keine Handtasche und damit keine Ausweise, kein Geld und keine Wohnungsschlüssel mehr hat, wenn man wieder aufwacht - der Dieb einem aber stattdessen womöglich noch die Wohnung ausräumt. Das ist dabei meine Angst. Wenn man Pech hat, kann man mit dem Kopf auf etwas Hartes fallen und sich erheblich verletzen.


Im Zweifelsfalle sollte man sich zuerst über seine Gesundheit Gedanken machen, als über materielle Verluste. Letztere sind ersetzbar, die Gesundheit in manchen Fällen nicht mehr. Ausserdem halte ich für unwahrscheinlich, dass jemand bei einer bewusstlosen Person den Versuch unternimmt, die Handtasche zu stehlen oder ähnliches. Häufig wird man dann auf der Strasse unmächtig, wenn einige Leute zugegen sind.

Gruss
Raj

16.10.2009 20:35 • #20


A


x 4





Mira Weyer