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Hallöchen!
Ich habe mich heute hier angemeldet, um mich mit Gleichgesinnten austauschen zu können.
Ihr wisst wenigstens alle, dass man sich nicht einfach mal zusammenreißen kann, wenn man an Ängsten leidet.
In so einem Umfeld bin ich leider groß geworden. Ich hatte eine wunderschöne Kindheit, eigentlich alles perfekt, nur über psychische Krankheiten wurde nicht geredet bzw. wurden diese nicht ernst genommen oder gar belächelt.

Deshalb habe ich wohl auch so lange gebraucht, um mir eingestehen zu können, dass ich auch so eine bin, die offenbar daran erkrankt ist.

Ich bin Ende 30.
Meine erste Panikattacke hatte ich vor 14 Jahren. Seit diesem Tag habe ich mein altes, sorgloses Ich verloren.
Ich hatte eine Freundin besucht, hatte den ganzen Tag dort verbracht mit meinem Baby, es gab aber bei ihr nichts zu essen und demnach war ich völlig unterzuckert, als ich abends nach Hause fuhr. Noch dazu war diese (ehemalige) Freundin eine Person, die ihr Leben nicht im Griff hatte und Vieles ganz dramatisch und schlimm fand. Ich hatte das Gefühl, sie saugt mich aus, also alle positiven Gefühle raus aus mir.
Es war Dezember, stockdunkel auf der Autobahn und irgendwann fiel mir auf, dass ich meine Augen nicht mehr offen halten konnte. Mir wurde ganz komisch, wie im Film, und ab da ging es klassisch los mit Herzrasen, Schweißausbrüchen, Zittern von Armen und Beinen und dem Gefühl, ohnmächtig zu werden.
Gott sei Dank war da ein Rasthof, an dem ich halten konnte. Ich war fix und fertig und dachte, ich werde jetzt ohnmächtig, mein Baby wird im Auto erfrieren o.Ä.
Ich traute mich aber nicht, andere Leute um Hilfe zu bitten.
Irgendwann konnte ich dann aussteigen, habe mir einen Kakao geholt und mich dann abholen lassen.
Lange Vorgeschichte, kurze Fortführung: seit diesem Tag konnte ich nicht mehr auf der Autobahn fahren, ohne Panik zu kriegen.
Zum Glück war ich beruflich nicht mehr darauf angewiesen, vorher bin ich täglich 60 Kilometer auf der Autobahn unterwegs gewesen...

Bis heute schaffe ich es nicht, auf der Autobahn zu fahren.

Dann breitete sich dieses Gefühl aus, kam auch im Alltag immer wieder mal. Zum Beispiel beim Einkaufen, in der langen Kassenschlange... Es wurde fast nie eine richtige Panikattacke daraus, aber immer kurz davor, und das war schon schlimm genug für mich.

Die Situation verbesserte sich etwas, als ich mein zweites Kind bekam.
Jedoch war ich nie wieder so sorglos und unbeschwert wie vorher.

So, vor vier Jahren dann ein neuer Tiefpunkt. Wir waren im Urlaub, im Restaurant, zusammen mit meinen Eltern. Mitten beim Essen konnte ich plötzlich nicht mehr schlucken. Das war bis dato NIE auch nur ansatzweise ein Problem.
Plötzlich wurde es ein riesiges, ich konnte von jetzt auf gleich nicht mehr vor anderen Leuten essen.
Inzwischen ist es so, dass ich zwar wieder vor anderen Leuten essen kann, aber nur sehr langsam und mit ganz viel Wasser dazu. Und JEDES Schlucken geschieht bewusst und es gelingt mir auch nicht immer.
Beim Essen mit Fremden oder Arbeitskollegen ist es immernoch ein Problem.
Ich gehe inzwischen nicht mehr ins Restaurant, weil ich die riesen Portionen nie in einer normalen Zeit schaffen würde. Schon gar nicht, wenn mich jemand dabei beobachten kann. Dann kriege ich fast nix runter.

Dann kam vor rund einem Jahr ein neues Problem: ich konnte in Situationen, die ich nicht jederzeit verlassen kann, meinen Speichel nicht mehr schlucken. Ich hab dann auf Fortbildungen usw. immer ne riesen Ladung Spucke im Mund gehabt und gebetet, dass mich niemand anspricht.
Kino, Planetarium... Nix zu machen. Ich hab dann immer alles diskret in ein Taschentuch gespuckt.
War aber sowieso zu 90% mit mir selbst beschäftigt, statt mich auf den Film oder die Vorstellung im Planetarium konzentrieren zu können.

Das Speichelproblem hat sich inzwischen gegeben, dafür habe ich nun seit vier Wochen einen neuen Schub: ich habe immer mehr Schwierigkeiten beim Autofahren. Ich fahre teilweise nur noch Schleichwege, weil ich größere Straßen oder die Schlange an einer roten Ampel nicht ertragen kann. Ganz schlimm ist die Linksabbiegerspur, da kann man nicht mal eben wegfahren.
Ich bekomme dann ein ganz starkes ich bin in einem Film-Gefühl (nennt sich das Depersonalisierung?!), habe das Gefühl, zu wenig Sauerstoff atmen zu können, ich kriege Sehstörungen, zittere an Armen und Beinen...

Kürzlich erwischte mich dieses Gefühl auch beim normalen Gassi gehen. Seitdem beobachte ich meinen Körper auch draußen extrem genau.

Sicher kennt Ihr das- dieses Achten auf jede Kleinigkeit, ob vielleicht die nächste Panikattacke wartet.
Zwei Mal hatte ich jetzt draußen eine richtige in den letzten vier Wochen. Außerdem ertrage ich immer mehr Situationen nicht, aus denen ich nicht fliehen kann. Auf der Autobahn im Stau stehen (als Beifahrer)=Grund zur Panik, die Kassenschlange ist auch wieder ein Problem, usw.
Auch zu helles Licht oder Dämmerung führt zu Unwohlsein in Richtung Panik, wenn ich draußen bin.

Ich habe die Schnauze voll davon! Ich will wieder normal Auto fahren können, ins Kino und Restaurant gehen und mir nicht immer vorstellen müssen, dass ich ohnmächtig werde.
Ich will mein normales Leben zurück haben!

Und nicht immer das Gefühl haben was denken die Leute denn von dir, wenn du jetzt raus läufst!.

Heute war ich beim Arzt und habe mir auf eigenen Wunsch Opipramol verschreiben lassen. Ich habe die 100mg Tabletten bekommen. Leider war es nur ein Vertretungsarzt.
Ich sollte mit 100 mg abends anfangen.
Da ich jedoch auch extreme Angst vor Nebenwirkungen habe, habe ich mich nicht getraut, sie zu nehmen, und habe mir nur 1/8 Stückchen raus gebrochen. Also ca. 12,5 mg...

Bis jetzt merke ich nichts. Aber bei der Babydosis ist das sicher normal.

Soweit meine Geschichte. Ich muss wohl jetzt einsehen, eine Angstpatientin zu sein. Finde ich doof!

Wenn mein Hausarzt wieder aus dem Urlaub zurück ist, werde ich mich erstmal mit ihm unterhalten, dass ich jetzt diese Medis nehme.

Und um eine Therapie werde ich wohl nicht herum kommen...

Ich hoffe, irgendwann wieder mehr ich zu sein. Das wünsche ich euch auch!

31.08.2017 23:01 • 31.08.2017 #1


Hallo Angsthäsin,

willkommen im Forum. Sei mir nicht böse, aber auch so eine wie ihr klingt trotz der Anführungszeichen ein wenig abwertend, zumal hier ja nicht nur Menschen mit Panikattacken sind, sondern auch Leute mit anderen Problemen oder Leute, die anderen Menschen helfen möchten.
Du scheinst dich inzwischen sehr über deine Ängste zu definieren (Ich muss wohl jetzt einsehen, eine Angstpatientin zu sein.), je mehr Raum du solchen Ängsten gibst, desto mächtiger werden sie. Und wie du selber schon gemerkt hast: Die Ängste kommen und gehen, das heißt du bist nicht deine Ängste. Häufig sind Ängste eher ein Ventil, ein Zeichen für eine Überforderungssituation und ich denke da macht es Sinn anzusetzen.

Gleichgesinnte findest du hier bestimmt und dir wird auch keiner sagen, dass du dich einfach nur zusammenreißen musst. Leider gibt es immer noch zu viele Menschen die meinen psychische Erkrankungen hätten was mit Schwäche oder Faulheit zu tun.
Darf ich fragen wie du aufgewachsen bist? Spielten Leistungen und Außendarstellung eine wichtige Rolle in deinem Umfeld?





Dr. Christina Wiesemann
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