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ophelia
. plötzlich über den eigenen schatten springen.

liebe mitleidende/r,

heute abend - bei sonnigen über 22° - fand bei uns ein stadtlauf statt. so stand ich auf meinem balkon und spendete motivierend beifall, während frau/mann, jung/alt, blessiert/topfit an mir vorüberrannten. ein leicht schmerzliches lächeln zierte mein gesicht, da ich wegen emetophobie/agoraphobie einen so eingeschränkten bewegungsfreiraum habe und nicht auch einfach mal so locker und spontan wie diese jogger sein konnte. aber du kennst das sicher auch.

nun denn. als ich eine frau mittleren alters kommen sah, bemerkte ich, wie sie mit rotem kopf (es war ja auch ganz schön warm) sich an die brust fasste. okay, sie hat sich sicherlich verausgabt und hat nun mühe mit atmen, dachte ich. sie wurde langsamer. gegenüber unseres hauses wird gerade gebaut und auf grund dessen steht dort ein tixi-klo. sie steuerte dies an. schaute nach rechts und links. öffnete die tür und verschwand. ich hörte. ja, ich hab gehört wie sie w***. sofort klingelten bei mir die alarmglocken - gremlin, du verdammtes biest, hattest wieder deine freude daran, mir angst einzujagen!

trotzdessen wurde mein helfersyndrom geweckt. ganz spontan, ohne benzo-vorsprung, rannte ich ins bad, befeuchtete ein tuch, tauchte dies in einen wassergefüllten beutel, schnappte mir eine flasche wasser, eine tüte, meinen sos-spagyrikspray und schritt die treppen hinunter zum häuschen. die hürde überwunden, klopfte ich an, rief ein paar mal hallo!? und als ich nichts hörte übernahm die courage die szenerie. ich malte mir aus, dass diese arme frau ja ohnmächtig da liegen könnte und so öffnete ich die tür.

da jedoch zwischen der zeit, wo sich die frau ins klo begab und ich bepackt mit dem sos-set dort ankam, einige minuten vergangen sind, war das häuschen leer. sie war wieder weitergegangen. einfach so.

ich machte mir sorgen. stieg die stufen hinauf zurück in meine wohnung und tränen liefen mir die wangen runter. ich hatte einen nach-schock - keine panikattacke. nur einfach überwältigt durch die tatsache, dass ich - wie ich später während eines kurzen telefons mit meiner ambulanten psychiatrischen bezugsfrau gelobt wurde - zivilcourage zeigen konnte. über die eigenen hemmschwellen gestiegen bin, trotz der tatsache, dass ich massivst angst vor dem e*** habe. und immer im hintergrund die sorge um diese frau, ob sie's denn auch nach hause schaffte. da macht sich schon bewunderung breit

im titel nannte ich diese sogenannte zivilcourage missglückt, weil ich eben jene (jetzt muss ich wirklich schmunzeln) doch etwas zu spät zeigte. aber hey, ich hab's gemacht! ich habe gehandelt! egal was mich dort beim tixi-klo erwartete - ich bin die herausforderung angegangen! und du, du kannst das auch!

mit motivierenden grüssen,
ophelia

24.08.2019 21:51 • 29.08.2019 x 3 #1


ophelia
mir ist wichtig, richtig zu stellen, dass es mir bei diesem beitrag nicht um belobigungen geht. er ist vielmehr eine anekdote die euch auch mut machen soll

24.08.2019 23:32 • x 1 #2


A


Eine nicht planmässige "missglückte Zivilcourage"

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Hotin
Hallo ophelia,

eine schöne und gleichzeitig sehr hilfreiche Beschreibung hast Du hier niedergeschrieben.

Zitat:
da ich wegen emetophobie/agoraphobie einen so eingeschränkten bewegungsfreiraum habe und nicht auch
einfach mal so locker und spontan wie diese jogger sein konnte.


Durch diesen Zufall kannst Du erkennen, dass Dein eingeschränkter Bewegungsfreiraum
leider überwiegend von Dir selbst gewählt ist.
Trainierst Du nun täglich so oft wie es Dir möglich ist, gedanklich Deine bisherigen Grenzen leicht zu überschreiten,
kannst Du Dich dadurch ganz langsam wieder befreien.
Denn beim Überschreiten der eigenen Grenzen passiert meistens kaum etwas Negatives.

Dabei wünsche ich Dir viel Erfolg

Einen schönen Sonntag für Dich

Bernhard

25.08.2019 11:05 • x 2 #3


ophelia
lieber bernhard,

es geht bei allen angststörungen und phobien darum, die eigenen blockaden (von mir vormals beschrieben als grenzen) zu durchbrechen. ich weiss auch, dass es alleine an uns allen - an mir selbst - liegt, dies zu tun. act now sollte die devise sein. ich arbeite daran, jedoch noch mit unterstützung von aussen. ich hatte vorgestern ein interessantes treffen mit einer pensionierten frau, die sich während der letzten berufsjahre als gewerbeschullehrerin in nlp und hypnose hat weiterbilden lassen. sie hat mit mir das score-modell gemacht (http://www.nlp-core.ch/nlp_master_schwe...stein.html). ich erhielt 5 blätter mit den darin beschriebenen begriffen, die ich dann in ihrer anleitung step-by-step durchlief. so kann ich nun dieses modell täglich für mich anwenden, um meine grenzen auszudehnen.

leider tendiert der mensch dazu, negatives (sprich erfolglose challenges) stärker und langhaltender zu speichern, als positives. die benzo-einnahme, wie ich von einer fachperson gehört habe, führt eben dazu, erfolge nicht richtig zu verankern. dies ist auch eine herausforderung, die ich angehen will: einen sanften entzug, um wieder frei zu sein für positive ankerplätze.

wünsche dir einen guten start in den donnerstag,
ophelia

29.08.2019 08:34 • x 1 #4





Dr. Christina Wiesemann