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TaraLu
Hallo ihr Lieben,

ich leide seit einigen Jahren an einer Agoraphobie. Durch langjährige Psychotherapie und der Einnahme von Paroxetin kann ich wieder fast normal leben, mache seit August 2019 eine Ausbildung und kann sogar weitere Reisen alleine unternehmen.
Jedoch bin ich seit bereits 5 Tagen aufgrund des Coronavirus in Quarantäne. Der Vater von meinem Freund wurde positiv auf das Virus getestet und ich hatte in den Tagen, wo er bereits ansteckend war, Kontakt zu ihm.

Ich habe bisher keine Symptome, jedoch wurde mir vom Gesundheitsamt befohlen, nicht außer Haus zu gehen.
Auch wenn ich nicht alleine zuhause bin (meine Eltern und meine Schwester sind auch bei mir), habe ich seit 3 Tagen etwa immer wieder starken Schwindel und das Gefühl, jeden Moment eine Panikattacke zu bekommen.
Ich habe das Gefühl, derzeit wieder in die Zeit zurückversetzt geworden zu sein, in der ich das Haus aufgrund der Agoraphobie nicht verlassen konnte.
Obwohl ich weiß, dass ich nur zuhause sitze, weil ich das Haus nicht verlassen darf, aber verlassen kann, habe ich die gleichen Symptome, wie in der Zeit, wo ich das Haus nicht verlassen konnte.

Macht jemand von euch derzeit die gleichen Erfahrungen, und wenn ja, was tut ihr dagegen?

Ich fühle mich mittlerweile so schlapp, dass ich nur noch im Bett liegen kann. Nicht einmal mit meinem Freund kann ich richtig telefonieren, da ich gleich nervös werde und das Gefühl habe, Ruhe zu brauchen. Und wenn ich aufstehe, wird mir so schwindelig, bekomme Herstolpern, zittere am ganzen Körper und stehe kurz vor einer Panikattacke.

29.03.2020 12:11 • 07.04.2020 x 1 #1


8 Antworten ↓


angstrabe
Hallo TaraLu,

ich habe ein sehr ähnliches Problem. Ich soll - da ich zur Risikogruppe gehöre (bin schon 67) - nach Möglichkeit nicht mit Bus/Straßenbahn fahren, welche ich wg. meiner Angststörung (vor allem Angst vor Entfernung von zuhause) sowieso nur sehr eingeschränkt auf den von mir oft benutzten Strecken fahren kann. Für Lebensmittel brauche ich nicht zu sorgen, da ich in einer WG für psychisch Kranke lebe und unsere Betreuer wg der akt. Situation diese aufgrund der strengen Regeln für Wohnheime besorgen müssen.

Gottseidank kann ich mich recht gut selber beschäftigen (bspw. durch Lesen, eigene Fotos im PC bearbeiten, für diverse Foren Beiträge schreiben). Nun fühle ich mich jedoch nicht nur durch meine Panikstörung eingeschränkt, sondern auch noch durch diese verdammte Krise. (Immerhin konnte ich zuletzt wenigstens einige außerhäusliche Aktivitäten durchführen (Fotografieren), welche jetzt aber auch noch wegfallen - und keiner weiß ja, wie lange die Krise noch anhält.)

Nun habe ich Angst, dass ich mich eines Tages gar nicht mehr aus dem Haus traue und es mir so geht wie Dir. Außerdem habe ich leichte Schuldgefühle, wenn draußen schön die Sonne scheint und ich dermaßen eingeschränkt bin. Ich merke auch, dass ich von Tag zu Tag immer unruhiger werde. Deshalb höre ich zur Ablenkung zeitweise gerne Rockmusik (aber nicht mit negativen Texten !). Danach fühle ich mich etwas besser, aber ich weiß: Eine Dauerlösung ist das natürlich nicht, allerhöchstens vorübergehende Symptombekämpfung!

Zum Thema Paroxetin:
Zum Verständnis muss ich hierzu einige persönliche Erläuterungen anmerken.
Diverse Psychotherapien in meiner Jugend- und frühen Erwachsenenzeit haben mir leider nicht weitergeholfen. Allerdings war ich damals (ca. 1970 bis 1985) auch nicht wegen Angststörungen, sondern wg leichten/mittelschweren Depressionen in Behandlungen. Das Paroxetin hat mir vor 2012 hervorragend (!) gegen die Panikattacken bzw. Wegfahrängste geholfen. Ich konnte auf einmal wieder mit Bus und Bahn bis zu einem Umkreis von immerhin cirka 100 km wegfahren und mir ging es bis auf die bis dahin diagnostizierte Borderline-Störung recht gut. Nach dem dummerweise unkontrollierten Absetzen des Paroxetin 2012 erlitt ich einen psychotischen Zusammenbruch mit neuer Diagnose Bipolare Störung. Vor ca. 6 Monaten bat ich meine mich schon jahrelang behandelnde Psychiaterin mir als Behandlungsversuch nochmals das Paroxetin gegen meine Angststörung zu verschreiben. Leider half es mir dieses Mal überhaupt nicht (nur Nebenwirkung: starker Tremor an der linken Hand) bei einer Tablette täglich (10 mg). Auf die Frage nach einem anderen Medikament meinte sie nur lapidar, dass sich auch andere Antidepressiva bei mir nicht mit Lithium, welches ich wg meiner Bipolar-Störung ja unbedingt nehmen muss (damit ich nicht abdrehe, d.h. Reinrutsche in eine Manie), verträgt.

Soviel für heute. Ich würde so gerne ein paar tröstende Worte schreiben. Aber vielleicht soviel: Diese Krise geht vorbei!
Wissenschaftler arbeiten mit Hochdruck (!) an medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten.
Mehr möchte ich nicht zu Corona schreiben. Es gibt hier im Forum ja einen sehr umfangreichen Sammelthread

Fragen beantworte ich selbstverständlich gerne!

Alles Gute vom
angstraben

29.03.2020 14:24 • #2


A


Agoraphobie und Coronavirus

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4_0_4
Zitat von TaraLu:
Ich habe das Gefühl, derzeit wieder in die Zeit zurückversetzt geworden zu sein, in der ich das Haus aufgrund der
Agoraphobie nicht verlassen konnte.

Hallo,

ein Stück weit ist es ja auch so, nur der Grund ist jedoch ein anderer.
Ich selbst habe keine Agoraphobie, kenne das aber ein Stück weit.

Es ist eine Ausnahmesituation, sprich nicht der Alltag, sondern eine Einschänkung. Eine die Du überwunden hast. Das Angstzentrum versucht dich vor Leid zu bewahren. Erinnerungen der Isolation, Machtlosigkeit können hochkommen, inkl. der Emotionen und des Belastungsgefühls. Erschöpfung kann aus dieser gefühlten Überforderung entstehen.

Jeder der in Quarantäne ist und psychisch daran zu knabbern hat, kann ich nur raten sich an seine elementarsten Grundfunktionen, Strukturen und Ressourcen zu halten, soweit das im Haus möglich ist.
Die Bewertung der Situation ist dabei ein erheblicher Faktor.
Du hast deine Agoraphobie überwunden und das was gerade ist, wurde von aussen bestimmt. Es ist also nicht deine Diagnose die zurückgekommen ist, sondern eine Anweisung durch dritte.

Auch wenn 14 Tage sich wie eine unüberwindbare Ewigkeit anfühlen, es hat erst einmal ein absehbares Ende.
Und so lange man keine positives Testergebnis hat, ändert sich daran auch nichts. Grundsatz - Keine Kriege im vorraus führen.
So sind es geschätzt noch um die 9 Tage wo Du mutig sein solltest.

Mir ist bewusst das dies in der Theorie leichter gesagt als getan ist und das Umzusetzen eine Herrausforderung sein kann.
Nichts desto trotz - Damit habe ich gute Erfahrungen.

29.03.2020 16:05 • x 2 #3


Icefalki
Zitat von TaraLu:
und wenn ja, was tut ihr dagegen?


Sowas nennt sich Trigger. Agoraphobie hat damit zu tun, dass man mit einem Eingesperrtgefühl nicht klar kommt. Allerdings hat das mehr mit einer inneren Einstellung zu tun.

Ich denke folgendes, dass Menschen mit Agoraphobie sehr viel Freiheit brauchen. Freie Geister sind, relativ klug und nicht begriffen haben, dass wahre Freiheit im Kopf stattfindet. Deine Quarantäne ist auch nur eine Anweisung von oben. Natürlich macht sie zur Zeit Sinn. Wenn man aber Probleme hat, sich Anweisungen zu beugen, weil ein MUSS als Stress empfunden wird, kommt es natürlich wieder zu Problemen.

Insofern mach aus deinem Muss eine Geste der Einverständnis, um niemanden zu schaden. Ist also kein Rückschritt sondern ein Üben in Akzeptanz. Akzeptanz zu unseren Problemen ist das Wichtigste, das wir alle lernen müssen. Insofern sehe als ein weiterer Schritt in deiner Therapie.

Und bleib gesund.

29.03.2020 16:19 • x 2 #4


S

07.04.2020 08:50 • #5


L
Guten Morgen,

5 Abstriche? Beim selben Frauenarzt?


Ich denke das es für dich gerade eine gute Übung ist, nicht jede Woche zum Arzt zu gehen.

Was macht deine Therapie, gibt es da was neues?

07.04.2020 10:07 • x 1 #6


S
Zitat von Lara1204:
Guten Morgen,5 Abstriche? Beim selben Frauenarzt?Ich denke das es für dich gerade eine gute Übung ist, nicht jede Woche zum Arzt zu gehen. Was macht deine Therapie, gibt es da was neues?

Guten Morgen Lara, ja für mich ist es gerade super meine Ängste zu überwinden oder einfach aushalten zu müssen...Ich habe telefonische Gesprächstherapie momentan. Das andere weiß ich nicht. Da steh ich ja auf der Warteliste...

07.04.2020 10:36 • #7


Luna70
Zitat von Sarahh:
Bezogen auf den Virus habe ich normale Ängste, also nicht übertrieben aber auch nicht unrealistisch.


Ja, das geht mir auch so, ich wundere mich da selbst drüber. Ich sehe mich vor und halte alle Vorsichtsmaßnahmen ein, bin aber sonst wirklich gelassen.

07.04.2020 11:08 • x 1 #8


C
Tja, der Unterschied zwischen Realangst und Angsterkrankung.....

07.04.2020 11:14 • x 1 #9





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