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DepriMan
Hallo,

ich hoffe, es ist in Ordnung, dass ich meinen nachstehenden Kommentar ebenfalls auch auf hilferuf.de (https://www.hilferuf.de/forum/ich/25694 ... ifelt.html) am 04.09. veröffentlichte.
Ich habe hier bereits vor einigen Jahren geschrieben und dachte mir, dass es nicht schadet, meine Problematik auch hier zu beschreiben und die Wahrscheinlichkeit von Kontakten zu erhöhen.
Eigentlich passt dieser Beitrag auch in die Sparte Einsamkeit, aber da Depressionen ja auch Einsamkeit implizieren...

So, hier nun der Haupttext:

Ich bin männlich, 45, sozial isoliert, leide unter Depris, sozialer Phobie und hege seit einigen Tagen wieder verstärkt Suizidgedanken - die ich aber erst mal eh nicht in die Tat umsetzen werde, weil mir der Mut dazu fehlt.

Schon als Kind war ich irgendwie anders als andere, ein Außenseiter, der eigentlich von Kindergarten bis Grundschule nur einen einzigen Freund hatte, dessen Freundschaft in dieser Zeit auch langsam zugrunde ging. Ich war in der Grundschule ein Musterschüler und habe mir damit - und weil ich auch so lieb war - den Zorn anderer Mitschüler auf mich gezogen, was zu Raufereien außerhalb der Schule führte. Meine Angst muss sich hier wohl langsam entwickelt haben.

Nach der Grundschule kam ich aufs Gymnasium, mitsamt meinem bisherigen Sandkasten- und Grundschul-Freund, mit dem mich zu dieser Zeit aber nichts mehr verband. Ich hielt dem Druck nicht stand, meine Noten verschlechterten sich, weswegen ich dann auf die Realschule kam, wo ich mich dann zum absoluten Außenseiter entwickelte, der eine willkommene Projektionsfläche für die Gehässigkeiten anderer war. Es war die Hölle - wie auch die Zeit auf der Hauptschule, auf die ich dann wiederum nach einer Zeit wechselte, weil... genau, meine Noten nicht die besten waren. Auf der Hauptschule wurde ich dann auch gemobbt, als gleichgeschlechtlich tituliert - ich hatte immer Angst, zur Schule zu fahren; wenn ich mit dem Fahrrad fuhr, hatte ich beim Zurückkommen von der Schule immer einen Platten, auch wenn ich das Rad weiter weg von der Schule parkte. Ich fälschte Entschuldigungen und hatte viele Fehlstunden.
Ein einziger Lichtblick war jemand, der ein totaler Frauenheld war und ziemlich gut aussah. Ich war auch öfters bei ihm zu Hause, hatte an seiner Seite aber totale Komplexe - eben auch wegen meiner Problematik, die es mir unmöglich machte, so kontaktfreudig wie er zu sein und seine Sexualität auszuleben.
Meine Mutter hat sich im Grunde nie dafür interessiert, wie es mir ging, ob mit mir alles in Ordnung ist. Mein Stiefvater schon gar nicht. Mein Verhältnis zu ihm war bis kürzlich sozusagen neutral - bis kürzlich deswegen, weil er in ziemlich hohem Alter verstorben ist und die Beerdigung demnächst stattfindet, was für mich wieder eine Belastung ist wegen der zahlreichen Verwandten und anderen Gäste, die kommen werden. Früher habe ich meinen Stiefvater gehasst, weil er mich immer spüren ließ, wertlos zu sein und seine Macht an mir ausübte. Vergessen kann ich das nicht, aber ich habe es ihm irgendwann verziehen; nur war unser Verhältnis halt - wie schon erwähnt - neutral.
Meine Mutter trennte sich früh von meinem Vater, weil er Alk. war. Da war ich drei Jahre alt, meine Schwester acht Jahre älter. Mein Vater starb bereits vor neun Jahren, die Gäste auf seiner Beerdigung waren neben mir und meiner Schwester noch eine Russin, die er beim Gassigehen mit seinem Hund kennenlernte.
Nach der Hauptschule kam ich auf die Handelsschule, wo ich dann wundersamerweise die Fachoberschulreife erlangte - dafür hätte ich mich bei einigen Lehrern bedanken müssen, die mir das mit besseren Noten auf dem Zeugnis ermöglichten.
Meine Mitschüler waren übrigens sehr nett - leider war ich zu diesem Zeitpunkt schon ein psychischer Krüppel, der nicht fähig war, auf andere zuzugehen und unter allen möglichen Störungen litt. Deswegen machte ich Anfang der 90er auch eine Therapie in Bad Berleburg in der Klinik Wittgenstein, wo ich einige Monate war. Gebracht hat mir die aber letztendlich nichts. Es war übrigens bis dato nicht die einzige und erste Therapie, die ich machte - und obwohl ich früher von Psychoanalyse nichts hielt, überlege ich, so schnell wie möglich doch eine zu machen und hoffe, auf einen guten Analytiker zu treffen.
Nach der Therapie in Bad Berleburg damals fing ich eine Lehre als Justizfachangestellter an - bei meinem Glück kam ich in eine Gruppe mit lauter Mädchen, bei denen ich mich dann auch recht schnell zum Außenseiter entwickelte. Sicherlich lag das wohl auch an meiner Art, aber ich merkte förmlich, was für eine Lust zumindest eine dieser Zicken empfand, mich niederzudrücken - auch in dem Wissen, dass ich völlig gehemmt war. Die Oberzicke wohnte übrigens damals noch mit ihrer Familie in dem Haus, in dem meine Mutter heute noch wohnt.

Ich weiß nicht, ob ich hetero, bi oder gleichgeschlechtlich bin - ein einziges Mal hatte ich mit einem Mädchen sexuelle Erfahrungen gesammelt (wenn auch nur sehr kurz, worauf ich hier aber nicht näher eingehen möchte). Dieses Mädchen lernte ich Ende der 90er über das Internet in einem Selbsthilfeforum kennen, und ich konnte es kaum fassen, als sie sich dazu entschlossen hatte, zu mir zu fahren, zumal die Entfernung auch einige hundert Kilometer war. Trotz meiner Ängste und Komplexe, die mich damals begleiteten, hatte ich damals das erste und bis dato einzige Mal Zärtlichkeiten mit einer Frau erfahren, die zudem auch noch sehr hübsch war. Und weil ich ihr offenbar auch gefiel, besuchte ich sie irgendwann mal bei ihr zu Hause - aber auch da konnte ich natürlich meine Probleme nicht abstreifen und fühlte mich trotz ihrer Nähe oft schlecht. Trotzdem war es eine mit Abstrichen schöne Phase meines Lebens, wenn sie auch nur bis zum November 2000 hielt.
Ebenfalls Ende der 90er lernte ich über das Internet in einer Mailingliste für Depressive einen guten Freund kennen, den ich sehr schnell wertgeschätzt hatte. Wir besuchten uns bald gegenseitig und kommunizierten sonst auch fast jeden Tag über das Internet. Soweit ich mich erinnern kann, hatte ich noch nie so einen guten Freund gehabt - und dann kam 2013 der Schock: Er erlitt zu Hause einen Hirnschlag (aufgrund seines Stresses auf der Arbeit) und wurde zu spät gefunden, so dass sein Hirn teilweise irreparabel zerstört wurde. Bald besuchte ich ihn ihm Pflegeheim und brach in Tränen aus, als ich ihn sah. Ich war mir nicht sicher, ob er wusste, wer ich bin - und auch wenn seine Schwester das meinte und er selbst auch bejahte, zu wissen, wer ich sei, zweifelte ich daran. Er kam mir wie ein Fremder vor. Bis Anfang 2016 hatte ich mit seiner Schwester per Mail noch Kontakt, dann kam von ihrer Seite nichts mehr.
2009 habe ich in einem P. einen Freund kennengelernt, mit dem ich bis heute befreundet bin. Kurioserweise habe ich da aber nicht das gemacht, was man vor der Cam eben üblicherweise macht, sondern einfach zu Musik gesungen, weil ich auch gern singe. Natürlich hat mich die Einsamkeit in dieses Portal gebracht, und ich hatte nicht wirklich daran gedacht, dass man da jemanden trifft, mit dem man tatsächlich eine Freundschaft aufbauen könnte. Ich weiß noch, wie er ständig als einer von wenigen im Gästebereich auftauchte und mir offenbar zusah...Nun, wir sind heute nach wie vor befreundet, und auch wenn er zwanzig Jahre älter ist als ich, bin ich froh, dass ich ihn als Freund habe.
Als ich kürzlich krank war und nach einer OP im Bett lag, war er der einzige, mit dem ich täglich Kontakt hatte. Er selbst ist gleichgeschlechtlich, hat seinen Partner vor langer Zeit verloren, aber - auch wegen seinem Hund - ziemlich auf Achse. Leider ist er auch ziemlich krank, leidet unter Herzschmerzen und COPD; ich weiß nicht, was ich machen werde, wenn er stirbt. So viele Rückschläge verkrafte ich nicht.

Thema gleichgeschlechtlich: Ich halte mich letzte Zeit vermehrt auf gleichgeschlechtlich auf. Es ist eine Mischung aus Selbstbestätigung, Suche nach erfüllender Sexualität und Liebe. Ich weiß, dass das ziemlich naiv ist, aber ich sehe momentan keine andere Möglichkeit. Der Frustpegel ist hier hoch, da es viele Faker gibt und ich meistens Angebote von Männern bekomme, die viel Übergewicht haben, um einiges älter sind als ich oder aber von solchen, die sich nur einmal melden.
gleichgeschlechtlich Erfahrungen habe ich schon einige gemacht, aber ich kann nicht sagen, dass sie mich in irgendeiner Weise erfüllten. Selbst wenn ich gleichgeschlechtlich sein sollte, wäre es mir egal, da mir wichtig ist, dass ich einen Partner habe, der mich liebt und mir das auch deutlich zeigt.
Die letzte Zeit heule ich besonders abends und nachts viel und denke an Suizid - auch wenn ich mich nicht traue. Wegen meiner OP kürzlich bin ich krankgeschrieben, weil ich seit Ende Juli als 1-Euro-Jobber angestellt bin. Ich möchte aber nicht mehr die Stelle antreten, weil ich nach 6 Stunden nicht nur physisch, sondern auch psychisch völlig ausgelaugt bin.
Wie es weitergehen wird, weiß ich nicht. Ich werde mich von meiner Hausärztin erst mal weiter krankschreiben lassen, auch wenn sie das nur bis 2 Wochen machen kann, und währenddessen versuchen, eine Krankschreibung von meiner Neurologin zu erwirken, bei der ich gut 10 Jahre nicht mehr war und die mich möglicherweise nicht mehr behandeln wollen wird - behandeln im Sinne von Verabreichen von Psychopharmaka (Fluoxetin), die ich damals nach kurzer Zeit absetzte, weil ich keinen Sinn darin sah, die Tabletten einzunehmen und ich Angst hatte, mich zu einem Zombie zu entwickeln.
Weil ich wegen meiner OP und dem Krankenhausaufenthalt einige Kilo abgenommen habe, ist mein Ansporn, mein jetziges Gewicht von etwa 88kg weiterhin zu halten und noch mehr abzunehmen. Das Äußere zählt nun mal im Leben (und gerade auch bei gleichgeschlechtlich) - und wer etwas anderes erzählt, der weiß es nicht besser oder lügt. Jedenfalls hoffe ich auf diese Weise, anziehender auf andere zu wirken (von meiner Rosacea auf der Stirn mal abgesehen).

Ich bin gespannt, wer von den Angemeldeten hier bis hierhin durchgehalten hat und würde mich auf Reaktionen freuen. Wenn sich wieder mal eine Freundschaft entwickeln würde, wie es mir schon wenige Male passiert ist, wäre das die Krönung, aber ich denke, dazu gehört auch Glück.

PS. Es gibt noch jemanden, den ich bereits seit etwa 30 Jahren kenne. Obwohl wir uns - nach einer längeren Pause - wieder hin und wieder gegenseitig besuchen, verbindet uns nicht besonders viel. Auch, dass er mich nicht im Krankenhaus besuchte, obwohl er davon wusste, enttäuscht mich. Aber vielleicht erwarte ich auch zu viel von einer Freundschaft...

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Nachtrag:

Ich nehme seit einigen Tagen Citalopram und meine, bereits eine Wirkung feststellen zu können. Als ich gestern einen Film anschaute, konnte ich an einigen Stellen nicht weinen, obwohl ich es normalerweise an den Stellen getan hätte. Auch sonst musste ich nicht (mehr) heulen wie die Tage zuvor, die Suizidgedanken sind auch nicht mehr vorherrschend.
Ab heute nehme ich eine ganze Tablette und hoffe, dass sich die Wirkung noch verstärken wird. Vielleicht war es ein Fehler, dass ich nicht schon viel früher Antidepressiva genommen habe.

10.09.2018 11:53 • 13.09.2018 x 1 #1


7 Antworten ↓


Icefalki
Hallo, ich würde mal abwarten, wie die AD noch so wirken. Liest sich zumindest sehr erfolgversprechend.

Und über eine veränderte Grundstimmung kann sich wieder vieles Neues ergeben, wenn sich die Antriebslosigkeit verringert hat.

10.09.2018 12:53 • #2


A


45 Jahre, sozial isoliert und verzweifelt

x 3


DepriMan
Hallo, ja, ich harre der Dinge, die da kommen.

10.09.2018 13:47 • #3


J
Uff ,langer Text...der schulische Werdegang erinnert mich ein bisschen an mich.

Freue mich zu lesen ,dass es dir nun bereits anfängt besser zu gehen

10.09.2018 14:03 • #4


C
Vorübergehende medikamentöse Hilfe kann bei so etwas, was sich derart festgesetzt hat wie bei Dir, hilfreich sein.

Aber auf jeden Fall auch therapeutische Begleitung und Maßnahmen wären notwendig, und zwar im Laufe einer gründlichen und deshalb auch längeren Therapie, die sowohl an den Grundproblemen als auch an Verhaltensänderungen arbeitet.

13.09.2018 14:42 • #5


Orcus
Echte Stärcke
Du machst immer weiter.
Glaube nicht das di jenigen die dich gequält dise inere Kraft häten. Wahre Stärcke ist weiter zu machen obwohl die Welt schlecht zu dir ist und du scheinst nicht auf zu geben und dafür muss man dich Respecktieren vergiss das nicht.
Die Seelen der Menschen sind verckümmert und es gibt immer weniger Liebe auf der Welt erlebe ich selber immer wider jeder versucht den anderen möglichst klein zu halten mach dir nichts draus. Ich weis es ist schwer ich kann es auch nicht aber lerne dich selbst zu Liben dan mögen dich die andern auch aber ist es überhaupt wichtig was di anderen dencken.
Das mit den 1euro Jobs ist einfach nur Skla. und da nicht mit machen zu wohlen ist keine Schande man läst sich nicht für 1Euro demütigen das ist Menschen unwürdig.

13.09.2018 16:24 • #6


C
Zitat:
es gibt immer weniger Liebe auf der Welt erlebe ich selber immer wider jeder versucht den anderen möglichst klein zu halten
Das erlebe ich nicht so. Natürlich ist die Selbstsucht weit verbreitet, aber früher war es nicht besser, weil leider die menschliche Seele Abgründe hat, früher wie heute. Es gibt auch immer noch uneigennützige Liebe und die Bereitschaft zu helfen.

13.09.2018 16:40 • #7


DepriMan
Hallo,

danke für eure Antworten. Ich würde gern eine analytische Psychoanalyse machen, aber mit den Kapazitäten in den Praxen sieht es derzeit schlecht aus.

13.09.2018 17:03 • #8





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Prof. Dr. med. Ulrich Hegerl