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fellowes
Hallo zusammen

Ich würde Euch gerne meine Tipps Tricks mitgeben, die mir im Alltag sehr helfen meine generalisierte Angststörung mit Panikattacken zu meistern. Ich war über zwei Jahre in therapeutischer Behandlung und konnte da sehr viel mitnehmen. Ich bin nicht komplett geheilt, aber die Ausbrüche haben sich extrem reduziert und auch die generalisierte Angst ist besser geworden. Vielleicht könnt Ihr Eure Erfahrungen ergänzen.

Zitat:
Ich höre extrem auf mein Bauchgefühl, welches vom Unterbewusstsein gesteuert wird, und wenn es mir signalisiert dass mich etwas zu fest belastet, dann ändere ich es. Auf das Bauchgefühl ist immer Verlass, da es aus zahlreichen Informationen vom Gehirn gefüttert wird. Beispiel: Mir geht es gerade nicht gut und ein Familienfest ist angesagt. Ich hatte da immer zwei «Parteien», die gegeneinander gekämpft haben. Mein Bewusstsein - also das Hirn - signalisierte mir, dass ich da unbedingt hin muss. Es ist ja nur einmal im Jahr und da muss man hingehen und so schlimm kann es nicht sein. Mein Bauchgefühl signalisiert mir aber ganz klar NEIN. Man muss sich dann auch nicht fragen wieso. Das Bauchgefühl wertet nie und wägt nicht ab. Es signalisiert nur JA oder NEIN. Ihr werdet merken es gibt dann auch Situationen, wo Ihr früher Angst hattet aber der Bauch Euch plötzlich ein JA-Gefühl gibt und Ihr meistert die Situation ohne Probleme. Er signalisiert wann Du zu etwas bereit bist. Höre auf Dein Unterbewusstsein.


Zitat:
Ihr kennt es: Plötzlich kommen extrem viele negative Gefühle hoch, ihr seid im Alltag und die Angst- und Panikgefühle sind da. Ich habe das Glück, dass ich zwar im Alltag manchmal ängstlich bin, aber die Panikattacken eigentlich immer auf Ereignisse zurückzuführen sind, die zwar nicht spezifisch sind (Bahnfahren oder so), aber immer den gleichen Kern haben (Interaktion mit fremden Menschen, etc.). Was mache ich in diesem Zustand? Ich freue mich auf den Abend. Ich habe zuhause meine vertraute «Homebase». Ich schaue am Abend einen Film und gönne mir Ruhe. Egal was tagsüber passiert, am Abend habe ich Zeit für mich und das hilft enorm. Ich lege mich hin und signalisiere meinem Körper bewusst dass jetzt Zeit für Erholung ist. Es braucht Übung, aber mittlerweile kann ich mich hinlegen und die innere Anspannung verschwindet so, dass ich wieder Bäume ausreissen könnte. Es hilft mir enorm.


Zitat:
Was mache ich, wenn ich vor einer Situation in der Zukunft panische Angst habe? Gerade das scheint manchmal extrem schwierig. Ich denke an eine Situation und sofort kommen die Angst- und Panikgefühle hoch. Sehr mühsam. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man sich meistens zu wenig mit der Situation beschäftigt. Man hat Angst vor der Situation, diese Gefühle kommen hoch und man belässt es so, ohne sich mit der Situation auseinanderzusetzen. Wenn ein für mich belastendes Ereignis bevorsteht, beispielsweise eine Woche bevor, lege ich mich am Abend hin und lasse mir die Situation durch den Kopf gehen. Ich beschäftige mich damit und frage mich wovor habe ich eigentlich Angst? Habe ich wirklich vor etwas Angst, oder habe ich es einfach, weil mein Körper mir die Angst symbolisiert? Ich gehe die Situation durch wie diese verlaufen könnte, sogar mit der schlimmsten Befürchtung. Dabei kommt die Panik, die man einfach zulassen muss, man ist ja im vertrauten Bett. Irgendwann merkt Dein Körper, dass diese Situation gar nicht schlimm ist und Du kannst mit viel weniger Angst hingehen. Konfrontation hilft.


Zitat:
Die Situation steht gerade bevor, ich bin total nervös und könnte davonrennen. Ihr kennt es bestimmt auch. Ich sage mir dann immer «lass die Angst und die Nervosität einfach zu». Ich fordere meinen Körper dazu auf, mir noch mehr davon zu geben, ich will es aushalten. Plötzlich merke ich, wie es zur positiven Anspannung kommt.


Zitat:
Erzählt den Leuten von Eurer Krankheit, die Euch das Leben verschönern können. Es soll kein Mitleid auslösen, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich mir dadurch extrem Druck nehmen kann. Ich habe meiner Freundin von Anfang an davon erzählt. Meine erste Beziehung ging daran in die Brüche. Sie reagierte mit extremem Verständnis und ich kann dadurch viel mehr machen als zuvor. Wenn das gegenüber nichts davon weiss, malen wir uns ständig aus was passiert, wenn wir gemeinsam ins Kino gehen und ich plötzliche diese Attacke habe. Die Person weiss ja nichts davon und kann es dann auch nicht einordnen. Also habe ich zu Beginn der Situation noch mehr Angst und mache es vielleicht gar nicht erst. Weiss aber meine Begleitperson davon und ich kann ihr jederzeit sagen, dass ich den Saal verlassen muss, dann nimmt mir das extrem Druck und meistens wird die Attacke dann nicht kommen. Das ist wichtig. Ihr müsst nur den Leuten davon erzählen, die es wirklich wissen müssen und ihr auch Vertrauen habt, dass ihr nicht als «Gaga» abgestempelt werdet. Es bereichert Euer Leben dann extrem.


Zitat:
Traumreisen oder progressive Muskelentspannung nach Jacobson: Wenn ich im Alltag angespannt und unruhig bin, nehme ich mir 20 Minuten Zeit und entspanne mich. Schaut mal bei YouTube nach. Ich mache diese geführten Meditationen und das hilft zur Entspannung, auch wenn nur für den Moment. Immerhin hilft es.


Zitat:
Versucht zu verstehen, was bei der Angst- und Panik bei Euch im Körper vorgeht. Bei einer Panikattacke schüttet der Körper sehr viel Adrenalin aus, eine Reaktion um Euch für eine Flucht vorzubereiten. Ich spreche dann immer vom Tiger, der mich jagt. Dabei wird die ganze Energie in die Beine gesteckt, dass Ihr möglichst schnell fliehen könntet. Der Fluchtgedanke, der vom Hirn kommt, ist vergleichbar damit. Weil unser Hirn «kaputtes» Hirn nicht zwischen realer und irrealer Angst unterscheiden kann sind die Symptome identisch. Es signalisiert uns echt es ist Gefahr da und fliehe so schnell Du kannst. So könnt Ihr die Symptome besser einordnen und mir hat das extrem geholfen, da ich merkt, dass diese Symptome eigentlich vom Körper gut gemeint sind und es ist schön, dass ich korrekt funktioniere.


Zitat:
Wie wird eine Panikattacke überhaupt ausgelöst? Die Trigger-Methode: Wenn ich Angst habe schliesse ich meine Augen und ich stelle mir dann eine imaginäre Linie vor. Alles was unter dieser Linie ist, ist zwar Angst, löst aber die Panik noch nicht aus. Ich versuche mich so zu entspannen, dass der Pegel unter dieser imaginären Linie liegt. So quasi ich darf diese Linie nicht überschreiten, da sonst die Panik kommt. Hilft mir persönlich.


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Meine Panikattacken sind immer mit starker Übelkeit, vielfach mit Übergeben verbunden und glaubt mir, ich habe mich schon paar Mal in der Öffentlichkeit übergeben müssen, was sehr unangenehm ist, aber zu mir dazu gehört. Bei mir ist dieses Ende immer die Horrorvorstellung, die Angst an sich ist weniger schlimm als die Angst vor dem Übergeben, was bei mir so das Endstadium ist. Diese Angst habe ich meist nur in Situationen, wo ich das Gefühl habe, die Kontrolle nicht zu haben. Also stellt es Euch so vor: Wenn ich alleine im Berg unterwegs bin macht es mir nichts aus. Die Angst ist weg und ich kann ja alles selber bestimmen und sollte was auftauchen merkt es niemand. In Paniksituationen bin ich auch immer gerne alleine. Wenn ich aber daran denke, dass ich dies allenfalls mit Freunden mache, habe ich Angst. Ich kann nicht alles selber bestimmen, muss mich fügen. Gleich ist es unterwegs mit der Freundin. Auch hier hilft darüber reden, ich habe Ihr von Anfang an gesagt was Sache ist, dass ich mich auch schon öffentlich übergeben musste. Sie sagte nur «Und das soll mich jetzt abschrecken»? Diese Antwort tat extrem gut und nimmt wieder hin Druck.


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Atmung ist das A und O – Eine gute und kontrollierte Atmung ist der halbe Gewinn. Versucht einmal wenn ihr Angst habt sämtliche Gefühl auszublenden und Euch nur auf die Atmung zu konzentrieren und versucht so zu atmen, dass Eure Gliedmassen warm werden. Dann nämlich pumpt der Körper das Blut wieder da hinein und die Angst nimmt ab. Das nennt man Blutumverteilung. Gerade das löst den Schwindel und die Benommenheit aus. Denkt dabei an Eure Finger und Ihr werdet merken, wie die Wärme ausstrahlt.


Zitat:
Geht step by step vor. Je nach Ausprägung Eurer Krankheit fühlt Ihr Euch hilflos und habt gar keinen Mut mehr, es gelingt ja eh nix. Stellt Euch mal vor, Ihr könntet alles auf Null stellen. Setzt Euch kleine Ziele und wiederholt diese, bis Ihr einen Erfolg spürt und geht immer weiter. Ihr werdet sehen - so war es bei mir - irgendwann stellt sich so eine Art «Challenge-Gedanke» ein. Ich bekam richtigen Mut immer mehr zu machen und es durchzustehen. Wenn es nicht ging, habe ich es ein zweites Mal gemacht. Stellt Euch eine Everest-Begehung vor. Jeder Bergsteiger braucht Akklimationszeit und geht mehrere Male in ein Zwischenlager hoch und geht dann wieder ins Basislager. Das, weil er den Körper akklimatisieren muss. Auch wenn bei Euch einmal etwas nicht gelingt, geht wieder ins Basislager runter und versucht es erneut. Irgendwann ist Euer Ausgangsort nicht mehr das Basislager, sondern das Zwischenlager 1 und so geht es immer weiter, bis Ihr oben seid. Versucht es einmal, macht Euch eine Liste mit den Dingen, auch wenn diese ganz klein sind.


Zitat:
Was machen während Panikattacken? Ich hatte letztens beim Essen mit einem Geschäftskontakt plötzlich eine Panikattacke, die wirklich aus heiterem Himmel kam. Was habe ich dann gemacht? Ich habe mich entschuldigt und bin aufs Klo und habe mich dort eingeschlossen. Ich wusste, dass diese Angst jetzt da ist aufgrund des hohen Pulses. Ich bin hingesessen und habe die Augen geschlossen, bis der Puls wieder besser war. Dann habe ich diese vorerst überstanden. Auf dem Bahnsteig kam diese dann nochmals und noch viel schlimmer, da ich wusste, dass ich den Zug dann nicht verlassen kann. Was habe ich gemacht? Ich habe ihm gesagt, dass es mir gerade nicht gut ginge und mir total schlecht sei. Es liege aber nicht am Essen. Ich habe ihm gesagt, ich müsste ihm zum kurz wieder runterfahren und er soll es mir nicht böse nehmen, wenn ich nicht mit ihm rede. Auch hier hat mir das den Druck genommen. Ich bin hingesessen und habe meine Augen geschlossen, bis die Angst weg war. Ihr müsst niemandem direkt sagen den Ihr zu wenig kennt, dass Ihr gerade Panik habt. Aber einfach, dass Euch gerade unwohl ist und ihr kurz für Euch sein müsst oder so. Das hilft.


Zitat:
Und noch etwas: Stellt Euer Gehirn als riesige Datenautobahn vor. Da ihr immer negativ denkt, ist Euer Gehirn darauf eingestellt. Negative Gedanken und Gefühle sind per Schnellstrassen erreichbar, da diese ständig präsent sind. Die Gefühle, die Euch gut tun, sind nur über Feldwege erreichbar. Welche Verbindungen werden also gewählt? Klar, der Strom fliesst immer den kürzesten Weg, also die negativen Gedanken. Deshalb sind diese immer präsent. Unser Gehirn ist aber schlau und man kann es umprogrammieren. Ihr müsst versuchen immer positiv zu denken, auch wenn das nur kleine Gedanken sind. Das Hirn wird zunehmend positive Verknüpfungen machen und diese schneller zugänglich machen.


Was sind Eure Strategien? Freue mich sehr diese von Euch zu hören.

02.02.2017 11:50 • 02.02.2017 x 4 #1


4 Antworten ↓


Angor
Hallo fellowes

Wow, was für ein toller Text, und ich finde, sehr hilfreich!
Sicher kann ich einiges davon mitnehmen, ich denke aber, ich muss den Text noch ein paar mal gründlich studieren um mir alles zu merken.

Aber wie kann ich dass alles auf einmal umsetzen? Alles auf einmal geht sicher nicht? Grad wenn ich eine PA habe oder ich merke, dass eine in Anmarsch ist, wird mir dass dann noch einfallen? Oder ist das einfach Übungsache?
Mit was fange ich am besten an?

Eine Strategie hatte ich bisher nicht, bin aber grad dran, mir einen imaginären Beschützer zu bauen, der mich vor dem Raubtier Angst beschützt, was mich immer so gemein und hinterhältig auf einmal überfällt, und es klappt auch ab und zu, eine Angstspitze zu vertreiben, die mir signalisieren will, dass da eventuelle eine PA in Anmarsch ist.

Natürlich fände ich es besser, gleich im Vorfeld gewappnet zu sein, hat mich die PA erst mal erwischt, fühle ich mich irgendwie so hilflos und ausgeliefert, dieses Gefühl ist noch scheusslicher als dass Gefühl, dass einem gleich dass Herz stehen bleibt, weil es so rast.

Vielen Dank für Deine Erfahrungen, ich bin sicher, viele User könne einiges davon für sich nutzen

LG Angor

02.02.2017 12:31 • x 1 #2


A


Meine Bewältigungsstrategie für Angst und Panikattacken

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fellowes
Hallo Angor

Vielen Dank für Deine positiven Worte. Natürlich kann man nicht alles sofort umsetzen. Es waren einfach so diverse Strategien, die mir gerade in den Sinn gekommen sind. Am wichtigsten ist einfach - und das war bei mir immer so - dass ich nie nach Buch gehen konnte. Ich habe diverse Strategien gesehen und bei einigen kam bei mir so das Erleichterungsgefühl hoch und da wusste ich, dieses muss ich ausprobieren. Das wichtige dabei ist grundsätzlich, dass Du es automatisieren musst. Am Anfang kannst Du während einer Attacke noch nicht reagieren, da Du dazu Deine bewussten Gedanken brauchst, die Du während einer PA einfach nicht hast. Mit der Zeit wird sich alles in Deinem Unterbewusstsein festigen und das hilft Dir dann.

Ich selber habe mit Entspannungsübungen begonnen und dann wenn ich wirklich ruhig war, habe ich mich in Situationen versetzt die mir Angst machten und habe mich dann gefragt warum. Und nach und nach kam dann mehr dazu. Du musst wie Deinen eigenen Weg finden, was natürlich einfacher gesagt als getan ist.

Hast Du selber so etwas wie eine Homebase, wo Dich nichts erschüttern kann?

02.02.2017 12:38 • #3


Angor
Wenn ich Zuhause bin, fühle ich mich eigentlich sicher, obwohl mich auch hier eine PA treffen kann.

Ich habe damals ja auch einiges Von der Therapeutin mitgenommen, aber einiges kann man nicht umsetzen, wenn man unterwegs ist, ich kann nicht mitten im Laden mit der Klopftherapie anfangen oder mich konzentriert in die Ecke stellen. Was höre ich..was spüre ich usw.

Ich habe leide in den Jahren wo ich an Ängsten und Panikattacken leide, und zwar über 40 Jahre, eher eine Vermeidungshaltung aufgebaut. Leider habe ich mich dadurch ziemlich abgeschottet vor der Welt da draussen, hab aber (eigentlich) beschlossen, jetzt den Kampf aufzunehmen, ich denke ich habe keine Lust mehr, dass das Leben an mir vorbei rauscht, nur weil ich aus Angst vor einer PA am liebsten zu Hause hocken würde.

Aber eigentlich habe ich ja keine Grund aus dem Haus zu gehen, ausser mal was einkaufen. Beruflich ging ja auch nichts mehr und ich bekomme seit 3 Jahren Erwerbsunfähigkeitsrente.

Was nützt mir dann eigentlich die Freiheit, wenn ich nichts damit anfangen kann? Ich habe meine Familie, meine Haustiere, habe nur flüchtige Bekannte die man mal so im Dorf grüsst, aber keinen Freundeskreis wie mein Mann.

Er will mich öftermal mitnehmen, aber ichwill dann nicht, fühle mich unwohl und habe Angst, dass ich vielleict eine PA kriegen könnte.

Seit meiner letzten PA bekomme ich Escitalopram, und es hilft eigentlich ganz gut, leider traue ich mir im Moment immer noch nicht so viel zu.
Und auch mein Begleiter funktioniert nur zu Hause, weil ich da auch meine Fantasie spielen lassen kann, da draussen lenkt zu vieles ab.

Am liebsten würde ich mich nur noch zu Haus eeinigeln und meine Ruhe haben, aber ich weiss, dass es nicht richtig wäre, es ist nur so verdammt schwer sich zu überwinden und dann endlichmal wieder was zu tun, um auch mal wieder an der Aussenwelt teil zu haben.

02.02.2017 12:57 • x 1 #4


fellowes
Hallo Angor

Ich verstehe. Es ist bestimmt ein langer, aber sehr lohnenswerter Weg. In erster Linie ist das Leben nur von Dir abhängig, im Grunde genommen brauchst Du niemanden um glücklich zu sein, wenn Deine eigene Basis stimmt. Klar, alles andere ist wichtig und bereichert das Leben, aber das wirst Du bestimmt merken.

Wünsche Dir viel Erfolg.

02.02.2017 14:36 • #5





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