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Hallo,

ich bin gerade hier auf das Forum gestoßen und da ich momentan nicht weiß, wie ich mit meinen ganzen Gedanken im Kopf fertig werde, dachte ich, wäre es eine gute Möglichkeit, sie hier einzustellen und vllt. ein paar Tipps/Anregungen/Mutmacher zu erhalten.

+++++ Vorsicht! Langer Text folgt +++++

Erstmal ein kleines Bisschen zu mir: Ich bin weiblich, 26 Jahre alt und leide seitdem ich denken kann an massiven Verlustängsten. Mit 21 war ich in meiner ersten Therapie, in der eine generalisierte Angststörung und leichte Depressionen behandelt wurden. Leider hat mir das nicht viel gebracht. Die Depressionen wurden immer schlimmer, teilweise so schlimm, dass ich mich nicht aus dem Haus getraut habe. Mittlerweile habe ich so viele Zwänge entwickelt, die mir jeden Tag das Leben schwer machen, obwohl es nur menschliche Kleinigkeiten sind wie das Absichern von Fenstern und Türen oder das Herausziehen von Steckern. Leider kann ich mich damit so aufwiegeln, dass ich grundsätzlich eine halbe Stunde mehr mit einplanen muss, bevor ich mich aus dem Haus traue, damit auch wirklich alles 10 x kontrolliert ist. Teilweise geht das so weit, dass ich schon vor meinem Auto stehe und doch wieder hoch muss, weil die Panik aufsteigt, etwas nicht kontrolliert zu haben (was mir logischerweise noch nie passiert ist). Eine Tagesklinik habe ich 2016 für 10 Wochen besucht. In der Zeit ging es mir super. Leider sind die Depressionen sehr schnell zurückgekommen und ein erneuter Klinikaufenthalt steht im November an. Laut Arzt ist meine Diagnose momentan Zwangsstörung, Angststörung und chronisch rezidivierende Depression (mittelschwer). So viel zu meiner Vorgeschichte.

Momentan leide ich seit 1 1/2 Monaten unter schweren, depressiven Phasen, aus denen ich keinen Ausweg finde. Ich war eigentlich immer taff, habe mir gesagt, dass schaffe ich alles schon irgendwie, aber momentan lässt einfach die Kraft nach. Ich hatte Anfang Juni viel Stress, was diese Phase ausgelöst haben könnte. Habe auch lange Zeit mit wenig Leuten gesprochen, weil ich dazu neige, mich zurückzuziehen und familiär leider nicht alle Menschen so hinter mir stehen, dass sie mich stützen können. Genau genommen steht der Mensch, der mir am meisten bedeutet, eher halbherzig hinter mir. Meine Mutter. Ich glaube nicht, dass sie mich nicht liebt. Aber sie sagt Sachen, die mir unglaublich weh tun. Und weise ich sie darauf hin, kommt immer: Zu dir darf ich ja gar nichts mehr sagen, ist ja eh alles falsch. Viele Menschen raten mir, Abstand zu halten. Aber ich packe es einfach nicht. Ich laufe dem wenigen Kontakt so unglaublich hinterher, dass es eigentlich immer in Streit ausartet. Und dann werden so Sachen gesagt wie: Du denkst immer nur an dich oder Du bist für mich wie eine Fremde. Beim letzten Mal hat es durch eine Kleinigkeit so geknallt, dass sie mir 10 Minuten einfach nur Vorwürfe gemacht hat und ich nur geweint und gar nicht gewusst habe, wie ich aus der Situation fliehen soll. Momentan belastet es mich sehr, vor allen Dingen etwas zu fordern, wozu nicht beide Seiten bereit sind. Nämlich Zeit. Einfach mal erzählen können, warum es mir so schlecht geht. Leider wirkt sich das auch auf alle anderen Bereiche in meinem Leben aus. Ich habe das Glück, eine tolle Arbeit zu haben, die ich auch gerne mache. Aber seit Juli ist mir das alles einfach zu viel. Ich habe meine Stunden schon kürzen lassen von 40 auf 35 in der Woche und trotzdem sitze ich jeden Morgen weinend an meinem Arbeitsplatz, weil ich mit dem Druck nicht umgehen kann. Den Druck, selber zu sagen: Ich brauche jetzt mal Ruhe. Und das Gefühl, wenn ich genau das sage, gekündigt zu werden, weil unser Krankenstand eh generell hoch ist. Meine Chefs haben im Normalfall sehr viel Verständnis für mich, reden viel mit mir über meine Probleme und was mich gerade beschäftigt, so dass ich dann ab mittags wenigstens den Tag zu Ende bringen kann. Aber da denke ich mir dann auch, dafür sind Chefs nicht da. Du sollst hier Leistungen bringen und fällst allen nur zur Last. Daraus resultiert dann Hass auf mich selbst, für den ich mich bestrafe. Meistens mit Essensentzug. Ich fühle mich oft nicht genug wert, um meinem Körper das zu geben, was er braucht. Weil ich denke, er hat es einfach nicht verdient.

Am Dienstag bin ich dann bei meiner Therapeutin gewesen (ich gehe alle 6 Wochen in die Psychiatrische Institutsambulanz und alle 3 Wochen zum sozialpsychiatrischen Dienst der AWO, um die Zeit bis zum Klinikaufenthalt zu überbrücken) und habe ihr all das unter Tränen geschildert. Das ich nicht mehr weiß, wie es weitergehen soll, das egal welchen Schritt ich tue, für irgendjemanden der falsche Schritt ist. Schlafen kann ich schon lange nicht mehr gut und auch meine Medikamente helfen nicht mehr (ich nehme seit 2 Jahren 150 mg Opipramol pro Tag). Selbst körperliche Symptome werden immer schlimmer, ich habe massive, linksseitige Rückenschmerzen, die es mir nicht erlauben, längere Zeit Auto zu fahren, weil der Schmerz dabei unerträglich wird. Dann Empfindungsstörungen an Fingern, Beinen und Kopfhaut und seit der depressiven Phase chronische Kopfschmerzen. Sie meinte dann, dass man wohl mit einer Medikamentenumstellung nicht mehr bis zur Klinik warten könnte, da bei mir auch grundsätzlich immer die Frage im Raum steht, ob ich mir irgendwann mehr antue als den Essensentzug. Daraufhin hat sie mich auch gegen meinen Willen krankgeschrieben. Das wäre dann auch mein momentanes Kopfchaos.

Ich weiß ganz genau, dass es so nicht mehr weitergeht. Ich bin fertig, am Boden, will aber weitermachen, damit andere nicht enttäuscht sind. Meine Arbeitgeber tun so viel für mich und ich falle ihnen in den Rücken mit einer Krankschreibung. Meine Stiefmutter macht sich sehr große Sorgen und hätte mich am liebsten zu sich geholt, aber das kann ich nicht, weil ich dann das Gefühl habe, ich falle meiner Mutter in den Rücken (und vermutlich würde ich sie auch viel zu sehr vermissen, als das ich das aushalten würde, 250 km von ihr entfernt zu sein). Und meine Mutter? Naja, von der musste ich mir nach der Krankschreibung anhören, das ich irgendwann vermutlich von Hartz 4 zuhause sitze und nie wieder arbeiten kann. Ich muss gleich nochmal in die Klinik, dort bekomme ich dann gesagt, auf welches Medikament wir wechseln wollen (im Gespräch stehen Sertralin, Venlafaxin oder Mirtazapin) und wie lange ich krank geschrieben bin. Die Sorge, dass es vllt. lange ist, lässt mich nicht in Ruhe, andererseits habe ich auch Angst, dass es zu kurz ist, ich mit den neuen Medikamenten nicht gut klar komme und dann doch wieder arbeiten muss. Ihr merkt, egal wie man sich entscheidet, ich kann alles nur schwer akzeptieren und finde immer Sachen, weswegen ich einfach nicht zur Ruhe kommen kann. Es ist einfach so schwierig und ich weiß nicht, wie ich damit klar kommen soll.

Ich bin für jeden Rat oder jeden Zuspruch dankbar!

28.07.2017 10:45 • 31.07.2017 x 1 #1


9 Antworten ↓


Luna70
Deine Arbeitgeber haben doch sicher ohnehin damit gerechnet, dass du mal eine gewisse Zeit ausfallen wirst. Das, was du von deinen Chefs erzählst hört sich so an, als wären das Menschen mit Lebenserfahrung und einer sozialen Einstellung, also werden sie Verständnis haben. Wenn du stabiler aus dem Krankenstand zurückkommst, bist du ja auch für dein Unternehmen unter dem Strich produktiver als in Zeiten, wo du nur zu 50 % oder noch weniger arbeitsfähig bist. Also nimm dir die Zeit, ohne dir Gedanken über deine Firma zu machen. Im Notfall müssen sie halt eine Aushilfe einstellen, bis du wieder da bist.

Das mit deiner Mutter, da weißt du ja eigentlich dass weniger Einfluss gut wäre, oder? Einer Mutter sollte es wichtig sein, dass es dem eigenen Kind gut geht, die eigenen Bedürfnisse sollte da zurückstehen. Wenn du eine Stiefmutter hast und dir der Kontakt gut tut, dann solltest du darüber nachdenken, ein paar Tage zu ihr zu fahren. Deine Mutter wird es ganz sicher überleben und du auch. 250 Kilometer sind keine Weltreise, wenn die Sehnsucht nach deiner Mutter zu stark wird kannst du in wenigen Stunden auch wieder zurück sein. Wenn du im Auto nicht sitzen kannst, fährst du eben mit dem Zug, da kannst aufstehen und mal rumlaufen. Es wäre bestimmt gut für dich mal ein paar Tage Fürsorge und Unterstützung durch deine Stiefmutter zu haben. Deine Mutter ist eine erwachsene Frau und wird ein paar Tage ohne ihre ebenfalls erwachsene Tochter auskommen, ganz sicher.

28.07.2017 12:19 • x 1 #2


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Der immer währende Teufelskreis

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Hallo Luna,

danke für deine Antwort! Leider ist das alles nicht so leicht. Ich arbeite in der Tourismusbranche und da sind Saisonverträge üblich. Sprich ich werde zum Winter hin eh gekündigt. Und jeder Krankentag ist ein Wiedereinstellungshindernis. Letztendlich kann ich natürlich nur abwarten und Tee trinken und hoffen, dass ich kein Extremausfall bin.

Und einfach so wegfahren ist leider auch nicht drin. Ich hab 2 Katzen, die kann ich nicht einfach aus ihrer Umgebung raus reißen. Und alleine lassen oder wohin abgeben kommt für mich nicht in Frage. Vorm Zug fahren habe ich zu viel Angst, weil ich dort mal einen Übergriff erlebt habe. Seitdem sehe ich Züge lieber von außen. Leider hat mir meine Mutter in den 26 Jahren Viel Verantwortung auferlegt (auch für sie). Seitdem kann ich sie einfach nicht abgeben und habe die Mutterrolle immer noch im Kopf.

Der Termin in der Klinik war angenehm. Bin jetzt 2 Wochen krank geschrieben und fange ab morgen an, Sertralin 50 mg einzuschleichen. Da ich leider oft starke Nebenwirkungen habe, meinte meine Psychologin, ich soll ganz vorsichtig anfangen.

28.07.2017 19:20 • #3


petrus57
Ich habe bei Sertralin mit 25 mg angefangen. Sertralin ist eigentlich sehr Nebenwirkungsarm. Nur haben die mir in der Klinik zum Schluss 150 mg Sertralin gegeben. Das war eindeutig zu viel. Ich bekam massive Zwangsgedanken und fühlte mich wie auf Speed.

30.07.2017 10:29 • x 1 #4


Naitsab47
Es ist sehr oft schwierig mit engen Angehörigen bei Depressionen. Ich denke oft das nur Menschn die diese Erkrankung kennen es wirklich verstehen können wie es ist. Deswegen gibt es in Therapien auch meistens Angehörigen Gespräche.

Ich glaube vielen geht es so, daß sie keine Erwartungen enttäuschen wollen und deswegen trotz schwerer Symptome immer weiter machen. Dadurch wird die Depression natürlich immer schlimmer. Das Problem ist hier die Krankheitsakzeptanz. Du musst akzeptieren das es eine Krankheit ist genau wie Krebs oder so. Die Krankheit kann sogar sehr leicht tödlich enden.
Insofern, selbst wenn du davon arbeitslos werden würdest, deine Gesundheit ist um ein vielfaches wichtiger.

30.07.2017 22:35 • x 1 #5


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Ja, meine Familie war auch schon mal bei einem Gespräch dabei. Aber das hat leider nicht den Funken gebracht. Meine Psychologin meint, ich muss akzeptieren lernen. Das die Menschen, an die ich Bedürfnisse stelle, diese nicht immer erfüllen können. Und das man sich dann auf die Menschen konzentriert, die es können (auch Selbstfürsorge, was mir persönlich ganz schwer fällt).

Es sind einfach auch die jahrelang eingeredeten Parolen, die man dann selber geglaubt hat oder immer noch glaubt. Ohne Job bist du nix wert Was sollen die anderen von dir halten Schmarotzer. Das erzeugt natürlich erneut Druck und lässt einem selbst in der akuten Krankheitsphase nicht zur Ruhe kommen.

30.07.2017 22:42 • x 2 #6


Naitsab47
Das ist leider häufig so das diese Gespräche nicht viel bringen. Ich habe ein ähnliches Problem hinter mir, mit meinem Vater. Mir hat es letztlich tatsächlich nur geholfen denn Kontakt zu reduzieren. Gibt es keine anderen Menschen in deinem Leben, die dir nahe stehen, denen du dich anvertrauen kannst?

Ja ich weiß wie das ist, ohne Job bist du nichts wert, das stimmt zwar nicht aber wenn ich dir das sage, hilft dir das auch nicht.
Du sollst ja auch nicht arbeitslos werden, jedenfalls nicht für immer. Ich denke aber du solltest ein Problem nach dem anderen angehen. Zuerst gesund werden und dann schauen wie die Situation ist, wenn du dann tatsächlich arbeitslos bist und keinen Job mehr in deinem Beruf findest, must du halt ne Umschulung oder so machen.
Aber wie gesagt, ein Problem nach dem anderen.

30.07.2017 22:58 • #7


L
Doch, aber die wohnen alle zu weit weg. Mehr als Telefonieren geht da leider nicht. Außerdem würde ich mich dann fühlen, als hintergehen ich meine Mutter. Die Bindung ist einfach so stark. Selbst wenn sie mich halb tot schlagen würde, würde ich das immer noch gerechtfertigt finden. Da bin ich wie ein kleines Kind.

Ich arbeite schon lange nicht mehr in dem Beruf, den ich gelernt habe. Aber für mich ist der Job ein Traumjob. Mit Verständnis und viel Menschlichkeit. Und alle anderen sind mir eigentlich auch wichtiger. Ich sage mir nicht Hey, klasse, jetzt hast du endlich mal Ruhe sondern nur Jetzt machst du allen wieder Kummer, fehlst als Arbeitskraft und Menschen machen sich deinetwegen Sorgen. Das das falsch ist, weiß ich. Nur die Umsetzung ist ungenügend..

30.07.2017 23:12 • #8


Naitsab47
Wieso ist ein Krankheitstag denn ein Wiedereinstellungshindernis?
Ich meine das musst du ja niemandem erzählen wenn du dich bewirbst.
Solange du nicht dermaßen lange Krank bist, das es sich im Lebenslauf nicht verbergen lässt, eigentlich kein Problem und selbst wenn nicht, lässt sich für eine Lücke im Lebenslauf doch eine Ausrede finden.

31.07.2017 13:54 • #9


B
Zitat von Lavara:
Doch, aber die wohnen alle zu weit weg. Mehr als Telefonieren geht da leider nicht. Außerdem würde ich mich dann fühlen, als hintergehen ich meine Mutter. Die Bindung ist einfach so stark. Selbst wenn sie mich halb tot schlagen würde, würde ich das immer noch gerechtfertigt finden. Da bin ich wie ein kleines Kind.



Da würde ich gerne einhaken und dir ein Video an die Hand geben, das von Liebe zu sich selbst handelt und ein Video das von Versprechen an sich selbst handelt.

Vielleicht helfen sie dir weiter. Mir haben insgesamt die Videos von Dami schon sehr sehr häufig sehr gut getan. Ich litt vor 20 Jahren an einer Agoraphobie und seit 5 Jahren an schweren Depressionen mit Arbeitsunfähigkeit. Mich hat es also so richtig erwischt.... )). Die Gründe dafür sind sicherlich Entwicklungstrauma und/oder Schocktrauma.


31.07.2017 14:14 • #10


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