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Muzikatze
Hallo liebe Community!

Ich bin neu hier und begeistert, dass es so ein tolles Forum gibt in dem man sich über dieses Thema austauschen kann.

Meine Reise mit der Bindungsangst hat vor drei Jahren begonnen, als ich mich von meiner ersten großen Liebe getrennt habe. Mittlerweile bin ich in Behandlung bei einer lieben Psychotherapeutin.
In den letzten drei Jahren hatte ich viele lockere Bindungen, es lief aber immer alles darauf hinaus, dass ich Panikattacken bekommen habe und die Bindung daraufhin löste. In meiner Brust schlagen zwei Herzen, zum einen bin ich extrem liebesbedürftig und gebe mich auch mit Partnern zufrieden, die nicht zu mir passen, blockiere mich selber um den anderen nicht zu verletzen, auf der anderen Seite sabotiere ich mich selbst und suche Distanz und möchte keine körperliche Nähe. Momentan bin ich seit einem Monat von meinem Exfreund getrennt und habe wieder einen sehr liebevollen Mann kennengelernt. Obwohl wir körperlich nicht über Umarmung hinaus gekommen sind, passen wir geistig gut zusammen, was meinen Stresspegel zum ersten Mal schon in so einer frühen Phase des Kennenlernens in die Höhe schießen lässt. Früher hab ich immer geglaubt, dass das alles besser sein würde und ich keine Angst mehr verspüre, wenn ich mal den einzig wahren Richtigen gefunden habe. Jetzt bin ich 21 und sehe das anders.

Mich würde interessieren, wie ihr mit euren Bindungsängsten umgeht und was euch dabei geholfen hat. Denkt ihr, dass es so etwas wie eine Heilung gibt, oder zumindest eine deutliche Leidminderung mit der beide Seiten einer Beziehung umgehen können?

Danke, dass ihr euch meinen Roman durchgelesen habt. Ich freue mich auf einen netten Austausch!

22.05.2017 11:28 • 24.05.2017 #1


3 Antworten ↓


Rosenroth
Jaa - auf jeden Fall gibt es eine Chance auf Heilung! Es kann sich noch wahnsinnig viel im Leben ändern, mit jeder Woche, jedem Jahr! Das sehe ich täglich in meinem Umfeld (Theater, da tummeln sich auch gerne Bindungsunfähige). Ich kann keine ausgefeilten Tipps geben, nur meine eigene Erfahrung darlegen, aber ich habe meine Bindungsangst momentan so ein bisschen von hinten überwältigt, als ich angefangen habe, hinter den Druck zu gucken, den ich mir da tagtäglich gemacht habe. Ich war wie gefangen in den eigenen Ansprüchen an Mr. X und Erwartungen meiner Eltern...

Was ich interessant finde ist, dass du schreibst, mit dem aktuellen Menschen passt du geistig gut zusammen, was Stress auslöst. Trotzdem hoffst du keine Angst zu verspüren, wenn der einzig wahre Richtige kommt. Aber der würde doch dann den Riesenstress machen, oder? Der einzig Wahre als Vorstellung macht ja so schon Stress, angenommen du müsstest ihn bis zum Zeitpunkt X finden, oder? Und dann noch mit dem Vergleich, wen die Menschen im näheren Umfeld überglücklich heiraten und als die Liebe ihres Lebens bezeichnen...

Für mich klingt entspannter, dass du dich mit dem momentanen Typen gaaaanz langsam Schritt für Schritt annäherst (egal, wie richtig er ist) und ihr euch, falls ihr euch nach längerer Zeit immer noch versteht, gegenseitig zu den allerbesten Menschen macht, den einzig Richtigen natürlich

Kannst du da ein Muster beobachten, wann du dich in der Vergangenheit von den Typen abgewendet hast? Also wenn es offiziell wurde oder wenn Eltern ins Spiel kamen, oder wenn die mehr empfunden haben als du, oder wenn du dich festlegen solltest?

Alles Liebe!

22.05.2017 11:51 • x 2 #2


A


Bindungsangst - Wie geht ihr damit um?

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Muzikatze
Hallo Rosenroth!

Danke für deine Antwort ich hab mich sehr darüber gefreut Da muss ich jetzt noch mal nachfragen, wie guckst du denn hinter den Druck? Beziehungsweise wie gehst du das an? Ich hab auch ziemlich hohe Erwartungen an mein Gegenüber und denke, dass ich mir vieles schlechtrede. Ich kann da nie unterscheiden, ob es sich jetzt wirklich um ein ganz grundsätzliches Problem handelt oder nur Gejammere ist

Das mit dem einzig wahren hab ich eben schon verworfen, in solchen starren Munstern möchte ich nicht mehr denken. Trotzdem wirft es mich jedes Mal wieder aus der Bahn, wenn ich jemanden treffe und die Panik wieder anschiebt. Früher hab ich es gar nicht verstanden und etliche andre Probleme verantwortlich gemacht, mittlerweile kenn ich mein Muster aber schon. Sobald ich das Gefühl habe, jemand würde Erwartungen an mich stellen, bin ich weg. Dieses Gefühl hab ich aber leider sehr schnell, weil ich von der Sorte bin, die es jedem recht machen will.

Danke für den Tipp, Schritt für Schritt hört sich angenehm an! Ich werds versuchen, sobald ich meine Panik im Griff hab, momentan kann ich mich nämlich nicht mehr mit ihm treffen, ohne vorher durchzudrehen...

Hast du vielleicht Lektüretipps für mich oder ein paar Kniffe, wie ich die Bindungsangst selber akzeptiere und in mein Leben integriere? Momentan ist es nämlich noch so, dass ich einen Zusammenbruch habe und nur noch weine, wenn ich mich nicht zusammenreiße. Das ist einfach so unfair, mein Leben lang hab ich mir Nähe und Liebe gewünscht, jetzt wo ich kein Kind mehr bin und nichz von meinen distanten Eltern abhängig, halt ich mich selber davon ab, das macht mich wahnsinnig!

23.05.2017 07:30 • #3


Rosenroth
Hallo Muzikatze!

Was du schreibst, kommt mir sooo bekannt vor! Es hört sich ein bisschen so an, als sei die Angst noch recht akut, wenn du durchdrehst oder weinst. Da steht vielleicht dann erstmal aushalten und die Angst begrüßen im Vordergrund. Gerade auch weil du schreibst, es sei unfair und du seist kein Kind mehr. So ähnlich ging es mir auch. Ich dachte so arg Oh Gott, geht es allen so? Wenn ja, dann ist Erwachsenwerden oder was das gerade ist das wohl schlimmste, was ich je gemacht habe. Es fühlte sich an wie eine 2. Pubertät. Ich konnte nichts mehr mit Humor nehmen, alles hat sich unglaublich schwierig und unangenehm angefühlt. Und klar, in Momenten der Panik noch viel schlimmer.

Hinter den Druck gucken ist nicht gewesen, dass ich meine Ansprüche an mein Gegenüber so groß verändert habe, eher, dass ich mir gesagt habe: Das DARF alles auch schief gehen. So kannst du auch erstmal Jahre mit dem Menschen befreundet sein, bevor es weitergeht und dann passt es auch, wenn es schief geht. Bei mir war es: Du kannst auch mit dem Kinder bekommen und dich dann wieder trennen, dann wäre es halt so. (Aus Sicht meiner Mutter ein No-Go, daher auch der Druck...) Wenn sie mich also dafür verstößt, dann wäre das einfach ihr Problem. Bei mir ist das immer so ein Mechanismus gewesen, dass ich mich dann als schlechte Tochter gefühlt habe. Und wenn ich ihr das erzählt habe, meinte sie, ich inszeniere mich und nahm mich für meine Ängste nicht sehr ernst.
Zum anderen war es so, dass ich dachte, meine jetzige Beziehung sei irgendwie langweilig, weil mich mein Freund sich anfangs nicht rar machte sondern mich einfach so nahm, wie ich bin. Eifersucht und Fremdgehen spielte einfach so gar keine Rolle für ihn. Er war auch nie arrogant oder so pikiert, weil er einfach gesagt hat: Entweder du machst da mit oder nicht, was schade wäre aber kein Weltuntergang. Und ich war wie in einem Loch, weil ich doch immer so den Typen hinterher gerannt bin, die sich zierten. Ich musste also erst annehmen, was da vor sich ging. Und jetzt ist es so ein großes Geschenk, was wir uns da aufgebaut haben, aber es dauerte, zu verstehen, dass Drama nicht alles für mich ist. Ich kenne andere Paare, wo täglich einer zweifelt. Das zu überwinden, kostet Zeit und Kraft, klar. Aber ich schweife ab...

Bücher habe ich ziemlich viele gelesen, die begleiten einen vielleicht ein bisschen. Nah und doch so fern von Julia Sokol und Steven Carter war das erste. Liebe, Lust und Langeweile war noch ein bisschen besser. Das Nein in der Liebe hatten mir auch viele empfohlen.

Was ich mega wichtig finde: Sich selbst lieb zu haben. Wenn du jetzt mit 60 in der gleichen Lage wärst, was würdest du tun? Vielleicht überlegen, wie du dir diesen Rest noch schön ausgestaltest, weg von deinem Problem denken, dir Aktivitäten suchen und viel zeit mit den Liebsten verbringen. Wenn man jung ist, dann ist da noch viel mehr dieser gesellschaftliche Druck. Ich sollte im Beruf jetzt so und so weit sein, und Familie will ich ja auch noch gründen. Es gibt ja so das Phänomen, wenn jemand schwerkrank ist, dass man ihn nochmal an seinen Lieblingsort fährt, dass man sich in den Armen liegt und plötzlich werden alle ganz dankbar und sentimental. Warum kann man das nicht immer haben? Sich schöne Tage machen, an seine Lieblingsorte fahren? Und sag nicht es muss was besonderes bleiben Was ich sagen will: Auf dich selbst sauer sein, dass du irgendwas nicht hinkriegst, ist doof.

Und was meinst du mit: Ich bin schnell weg, weil ich es jedem recht machen will. Das klingt so ein bisschen passiv. So nach seiner Wunscherfüllung, der du nachkommen musst. Aber der Wunsch eines Typen, der wirklich DICH will, sollte ja auch sein, dich mit aller Zeit, die du brauchst, anzunehmen! Ich finde das allgemein ein schwieriges Thema. Ich kenne von mir auch das Aber ich will ihn nicht verletzen. Das ist für mich eine Ausrede, nichts mit jemandem anfangen zu wollen, der irgendwie nicht ganz passt, aber dennoch die Vorzüge von ihm genießen zu wollen, nämlich Anerkennung, Selbstwert und natürlich noch weitere schöne Sachen...aber jeder hat dazu ja seine eigenen Vorstellungen von Liebe und Moral usw.

Wäre es also leichter, wenn du befreit davon wärst, es anderen recht zu machen?

24.05.2017 09:18 • #4





Dr. Reinhard Pichler