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Hi, ich bin neu in diesem Forum, vielleicht könnt ihr mir bei meinem Gefühlschaos weiterhelfen. Meine Geschichte ist die:

Ich bin 27 (m) und leide unter Depressionen, sozialen Ängsten und einer ängstlich-vermeidenen Persönlichkeitsstörung, bin allerdings immer wieder und im Augenblick in Behandlung. Vor einigen Wochen habe ich meine erste Beziehung überhaupt begonnen. D.h. die Probleme waren bisher so stark ausgeprägt, dass ich mich auf gar keine Beziehung einlassen konnte. Die Beziehung ist schon insofern eine besondere, als wir beide von Anfang völlig offen und ehrlich waren. Sie kennt alle meine Probleme, hat schon einige Panik-Attacken live miterlebt, und ich weiß um ihre Probleme, die auch nicht eben easy-going sind. Sich derart öffnen zu können, all diese Dinge mit dem Partner besprechen zu können, ist bestimmt etwas Besonderes.

Bevor ich die Beziehung eingegangen bin (ich hab den ersten Schritt getan), wusste ich nicht einmal, dass ich Bindungsängste habe. Es ist mir bisher auch noch nicht attestiert worden, aber vor dem Hintergrund wäre es doch kein Wunder.

Wir kennen uns jetzt seit etwa drei Monaten und weil wir in verschiedenen Städten wohnen, haben wir uns noch nicht so häufig gesehen und ich denke, wir sind noch immer dabei, uns (im Alltag) kennenzulernen.

Seitdem ich sie kenne habe ich wegen des für mich intensiven Kontakts immer wieder Panik-Attacken gehabt, mit denen sie aber sehr nachsichtig umgeht. Grundsätzlich bin ich es nicht gewohnt, gemocht und geliebt zu werden, das alles ist ja ganz neu. In letzter Zeit ist es aber ein recht konkreter Gedanke, der in mir exzessive Ängste bishin zur Panik aufsteigen lässt:

Wir sind sehr verschieden. Sie ist vielleicht mehr ein Outdoor-Typ, ich dagegen bin eher kulturell interessiert. Beides unter Vorbehalt, weil wir im Grunde gerade beide sind, uns neu zu entdecken. Es ist nur so, dass sie im kulturellen Bereich sehr wenig, eigentlich gar nicht bewandert ist, was erstmal weder eine Pflicht noch ein Problem ist.
Nur dass mir der Austausch über Literatur oder Musik und solche Dinge, die vom Alltag abheben, fehlt. Die Krux dabei ist, dass es solche Gespräche in meinem (väterlicherseits recht autoritären) Elternhaus nie gab, ich habe mich immer unverstanden gefühlt, und damit einher ging ein gewißes, für mich kaum zu ertragendes Gefühl von Sprachlosigkeit. Wir sprechen viel über den Alltag, und dabei ist es genau dieses Gefühl, diese Beklemmung, die jetzt immer wieder in mir hoch kommt und sehr stark wird. Es ist also nicht so sehr ein Gefühl von Minderwertigkeit.

Ich bin natürlich auch nicht besonders gut darin, für meine Bedürfnisse einzustehen. Zuletzt hatte ich mir gesagt, ich gäbe ihr auch gar keine Chance, indem ich mit meinen Interessen hinterm Berg halte, und habe sie also einigermaßen monoman bzgl. eines Buches zugetextet. Sie hat sich das gerne (ich habe nochmal nachgefragt) angehört.
Diese Einseitigkeit der Gesprächsführung kenne ich aber nur allzugut von meinem Vater. Mit ihm gibt es keinen Dialog, früher hat er einfach monologisch draufzugetextet, jetzt hört er auch mal fünf Minuten zu, sagt in dieser Zeit aber auch kein Wort. Vielleicht möchte ich auch deshalb nicht monoman texten, weil ich mich da in die Rolle meines Vaters versetzt empfinde, und außerdem möchte ich ihr nichts aufzwingen.

Ich hatte auch andere, vielleicht eher klassische Befürchtungen, etwa: ist sie die Richtige (für den Rest meines Lebens), gibt es niemanden außer ihr (und dass, obwohl wir uns noch kaum kannten und Beziehung eben erst begonnen hatte...).

Vor allem ist in diesen Augenblicken der Angst das Gefühl von Liebe und Zuneigung wie weggeblasen, was mich furchtbar mitnimmt!

Und nun bin ich völlig verwirrt. Vielleicht ist es ein legitimer Anspruch, sich über kulturelle Dinge unterhalten zu wollen. Aber das könnte doch mit der Zeit werden. Anstatt geduldig zu sein, überkommen mich aber beinahe jeden Tag exzessive Ängste. Dieses Übermaß an Grübelei und Angst, bishin zu Panik, scheint mir wiederum vielmehr Hinweis darauf zu sein, dass diese Angst gar nicht situationsgebunden und angemessen ist. Für den Beginn einer Beziehung empfinde ich mich einfach als lächerlich unentspannt. Und dann gibt es Stunden und Tage, da ist alles in Ordnung, da sehne ich mich nach ihr und freue mich auf sie. Dieses Hin-zur-ihr, Weg-von-ihr, teilweise innerhalb weniger Stunden, ist total anstrengend. Jeden Augenblick horche ich in mich hinein: ist die Liebe noch da? Ich habe aber auch Angst, dass ich, ängstlich-vermeidend, mir nicht eingestehen will, dass wir nicht zusammenpassen und den Schritt der Trennung nicht wage.

Fragen über Fragen...

Viele traurige Grüße
VHS

18.12.2014 08:14 • 18.12.2014 #1


1 Antwort ↓

Kuntergrau
Hallo VideoHomeSystem,

Ich hab so ungefähr die selben Probleme, wie du:
Zitat:
Sie kennt alle meine Probleme, hat schon einige Panik-Attacken live miterlebt, und ich weiß um ihre Probleme, die auch nicht eben easy-going sind. Sich derart öffnen zu können, all diese Dinge mit dem Partner besprechen zu können, ist bestimmt etwas Besonderes.

Sowas ist ganz toll. Das wäre für mich z.b. der schwerste Schritt. Ich schäme mich einfach zu sehr um damit offen umzugehen. Ich habe immer ein Gefühl unzureichend oder eine Belastung zu sein (Beziehungsängste lassen sich im Grunde auf a) Minderwertigkeitskomplexe oder b) Angst vorm verletzt werden reduzieren) und rede mir dann ein es wäre das Beste für den Anderen einfach keine Beziehung zu beginnen.

Zitat:
Seitdem ich sie kenne habe ich wegen des für mich intensiven Kontakts immer wieder Panik-Attacken gehabt, mit denen sie aber sehr nachsichtig umgeht. Grundsätzlich bin ich es nicht gewohnt, gemocht und geliebt zu werden, das alles ist ja ganz neu. In letzter Zeit ist es aber ein recht konkreter Gedanke, der in mir exzessive Ängste bishin zur Panik aufsteigen lässt:

Das kenne ich auch, check. Du hast das Gefühl Liebe und Zuneigung nicht verdient zu haben. Vielleicht auch zu unbeholfen zu sein und etwas falsch zu machen. Deine Freundin weiß ja was los ist. Ihr könnt ja langsam anfangen. Wichtig ist, dass du dich fallen lässt und Ihr vertraust. Es ist doch toll, dass sie nachsichtig ist! Das zeigt, dass du ihr was bedeutest. Du musst das halt zulassen, denn die Geduld kann man auch nicht ewig ausreizen.

Zitat:
Wir sind sehr verschieden. Sie ist vielleicht mehr ein Outdoor-Typ, ich dagegen bin eher kulturell interessiert. Beides unter Vorbehalt, weil wir im Grunde gerade beide sind, uns neu zu entdecken. Es ist nur so, dass sie im kulturellen Bereich sehr wenig, eigentlich gar nicht bewandert ist, was erstmal weder eine Pflicht noch ein Problem ist.
Nur dass mir der Austausch über Literatur oder Musik und solche Dinge, die vom Alltag abheben, fehlt. Die Krux dabei ist, dass es solche Gespräche in meinem (väterlicherseits recht autoritären) Elternhaus nie gab, ich habe mich immer unverstanden gefühlt, und damit einher ging ein gewißes, für mich kaum zu ertragendes Gefühl von Sprachlosigkeit. Wir sprechen viel über den Alltag, und dabei ist es genau dieses Gefühl, diese Beklemmung, die jetzt immer wieder in mir hoch kommt und sehr stark wird. Es ist also nicht so sehr ein Gefühl von Minderwertigkeit.

Menschen sind nunmal verschieden. Es ist natürlich doof, wenn der Partner nicht alle Interessen teilt. Das kommt aber sehr oft vor. Meistens sind es dann die Kumpels, die den Bereich Interessen abdecken. Man darf vom Partner nicht immer zu viel erwarten.
Und sie es mal so: Sie holt dich sicher aus deinem Schneckenhaus raus! Stubenhocker und Outdoor-Typ ergänzen sich doch wunderbar!

18.12.2014 23:02 • #2





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