Pfeil rechts

K
Hallo,

ich weiß gar nicht, wie ausführlich ich meine Vergangenheit beschreiben soll. Immerhin ist die ja der Schlüssel zu meiner aktuellen Situation. Dann wirds aber ein Roman. ;-)

Also versuche ich es so kurz wie möglich:
emotional kühles Elternhaus, schwierige Mutter, freundlich-distanzierter Vater, zickige Schwester (zu der inzwischen kein Kontakt mehr besteht);
in der Kindheit Freundschaften, aber auch erste Gefühle des Nichtdazugehörens;
in der Pubertät Einsamkeit [im Nachhinein ist mir klar, das andere sehr wohl meine Freunde sein wollten oder gar mehr Interesse an mir hatten; aber damals war ich unfähig, das zu erkennen oder damit umzugehen];
mit ungefähr 18 Jahren bin ich Teil eines Bekanntenkreises geworden - aber: der Freund, der mich dort einführte, hätte gerne eine Beziehung gewollt, ich habe das nicht zugelassen (und anfangs auch gar nicht gemerkt);
mit 21 Jahren erster fester Freund, der später dann natürlich auch mein Ehemann wurde - aber: er selbst ist ebenfalls emotional distanziert und entwickelte sich im Laufe der Jahre immer stärker zu einem 120%igen Perfektionisten;
Heirat, Hauskauf, zwei Kinder;
ich: ruhig, angepasst, distanziert, schnell verletzt - bis ich gemerkt habe, dass das nicht funktioniert, wenn man glückliche Kinder haben will.
In der Folge versuchte ich, mein Leben zu ändern, ohne die Ehe zu gefährden. Aber das ging nicht. (Damit meine ich nicht, dass mein Exmann daran alleine schuld gewesen wäre!)
Wir lebten gefühlskalt lebeneinander her. Die Kinder litten. Aber ich wusste keinen Ausweg.

Wendepunkt:
Ich habe mich mit 38 zum ersten Mal (!) in einen Mann so richtig [also nicht nur ein bisschen] verliebt.
Das beruhte auf Gegenseitigkeit, aber weil er verheiratet war und seine Frau mit dem dritten Kind schwanger, hatte ich einen guten Grund, um ihn total und vollkommen abzublocken... und mir einzureden, dass ich damit ein guter, geradezu selbstloser Mensch wäre. Aber eigentlich hatte ich nur Angst.
Trotzdem beschloss ich die Trennung von meinem Ehemann; und von weiten Teilen des Freundeskreises, weil ich mich dort schon lange nicht mehr wohl gefühlt habe.
Ich war ja auch fast nie ich selbst.

Aktueller Stand:
Es geht mir und auch meinen Kindern gut. (Die beiden sind regelrecht aufgeblüht. Die Trennung war definitiv die richtige Entscheidung!)
Ich bin selbstbestimmter, gelassener, mir meiner Einflussmöglichkeiten auf meine eigene Befindlichkeit bewusst.
Ich habe (wenige) neue Freunde, einige Bekanntschaften, achte stärker auf mein Bedürfnis nach Rückzug, bin weniger angepasst, neige allerdings immer noch dazu, allzu stark auf die Gefühle meiner Mitmenschen zu reagieren. Ich habe immer noch ein Abgrenzungsproblem. Aber es wird besser.
Ich habe Übung in und sogar Freude an oberflächlichen sozialen Kontakten; wenn es konkreter wird, klappt das nicht immer. Aber das geht anderen Menschen doch auch so. (Z. T. liegt es daran, dass mich oberflächliches Blabla manchmal langweilt.)
Es fällt mir immer noch schwer, über meine Gefühle zu reden, aber muss ich das denn immer? Nein.
Es läuft nicht immer alles gut, und ich muss mir oftmals mein eigenes Fehlverhalten eingestehen. Aber mein Leben geht trotzdem in die richtige Richtung.

Nur: Eine Beziehung funktioniert nicht. Wenn ein Mann mich zu enthusiastisch anguckt, blocke ich sofort ab, weil ich dieses verdammte Gefühl nicht loswerde, auf die Befindlichkeit meiner Mitmenschen unbedingt Rücksicht nehmen zu müssen. (Das macht mich manchmal regelrecht aggressiv.) Sex geht, kein Problem. Solange ich emotional Distanz wahren kann. Ich bleibe gefühlsmäßig regelrecht passiv und vermeide alles, was nach starken positiven Emotionen aussieht - nach Abhängigkeit.
Ich habe (über Online-Portale) auch schon einige Männer kennengelernt. Aber ich bin unzufrieden: Emotionale Nähe kann ich nicht (oder nur wohl dosiert), keine emotionale Nähe kann ich auf Dauer auch nicht oder (was ja nicht weniger schlimm ist) ich stoße den Mann permanent vor den Kopf. Besonders übel ist: Ich selbst bin ja darauf angewiesen, dass er mir seine Gefühle und sein Interesse zeigt; sonst habe ich nämlich schnell Zweifel. Er muss es halt auf angemessene Weise tun - ein verdammt schmaler Grat, wie ich selbst weiß.

Bislang habe ich jedes Mal, wenn ich mal wieder auf ein Defizit innerhalb meiner Persönlichkeit gestoßen bin, befürchtet, dass ich an meine Grenzen stoße - und dann ging es trotzdem irgendwie. Oder wurde zumindest besser. Aber jetzt bin ich an einem Punkt angelangt, an dem ja auch die Gefühle anderer Menschen eine wichtige Rolle spielen. Ich kann nicht solange spielen und ausprobieren, bis ich mir meiner selbst klar gewoden bin. Ich kann aber auch nicht nichts tun, sondern muss es wagen.

In meiner Psychotherapie (die vorzeitig beendet wurde, weil der Therapeut - genauso wie ich - keinen Behandlungsbedarf mehr sah) ist das Thema Beziehungsangst nie aufgekommen. Ich habe eigentlich nur allgemein über soziale Ängste bzw. Unsicherheit gesprochen. Aber die habe ich gar nicht mehr so stark: Es kommt auf meinen Gegenüber an - und das halte ich für normal. Ich muss doch nicht mit jedem gut können. Und Smalltalk über Aldi-Sonderangebote ist halt nicht so meins.
Aber vielleicht habe ich doch noch allgemeine soziale Phobien? Oder ist das alles noch im Rahmen meiner Introvertiertheit? *grübel*

Noch zwei Hinweise:
a) Die letzten Jahre meiner Ehe waren eine Qual. Ich war so unglaublich erleichtert, als ich mich zu der Trennung entschlossen habe, dass ich anschließend monatelang geradezu eurphorisch gewesen bin.
b) In diesem Frühjahr habe ich zum ersten Mal eine Beziehung versucht - und gleichzeitig gewusst, dass dieser Mann meinem Exmann nicht unähnlich war (nämlich in Bezug auf unsicheres Auftreten, das nur überspielt wird). Ich habe diese Beziehung (mit gutem Grund; über meinen persönlichen Anteil daran bin ich mir noch nicht so recht klar) nach wenigen Wochen beendet. Und ich war unglaublich entsetzt, wie stark mich dieses Ende nach so kurzer Zeit belasten konnte.
(Darüber reden kann ich aber meistens erst, wenn das Schlimmste schon vorbei ist, weil ich mich dann schon wieder etwas gefangen habe. Ich fürchte, ich habe aus meiner Kindheit immer noch die Scham vor Gefühlsausbrüchen verinnerlicht.)

So, und jetzt möchte ich gerne Meinungen dazu lesen. Sie dürfen sogar ehrlich sein. :-D
Ich habe gerade gelesen, dass ich mich auch zu anderen Threads äußern soll. Mach ich gerne. Aber nicht mehr heute.

Euch allen einen schönen Sonntag und einen guten Start in die neue Woche!

27.11.2016 16:07 • 16.03.2017 #1


1 Antwort ↓

Rosenroth
Ich finde es total beeindruckend, wie du deinen Weg gefunden hast! Bist du noch aktiv im Forum? Falls dem so wäre würde ich gerne etwas dazu schreiben!

Oder vielleicht ist das ja auch für andere noch interessant? Würde mich auf jeden Fall freuen!

16.03.2017 19:10 • #2





Ähnliche Themen

Hits

Antworten

Letzter Beitrag


Dr. Reinhard Pichler